topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
ÖIAG - ganz neu? Die IV "ist eine Interessenvertretung auf freiwilliger Basis mit derzeit rund 3.500 Mitgliedern" und versteht sich als "Lobbyorganisation". Sie "verfügt über gute Kontakte zu Politik und Meinungsbildnern sowie über ein weit verzweigtes Beziehungsnetz."

ÖIAG - ganz neu?

Schwerpunkt

Ab Juli wird Markus Beyrer von der Industriellenvereinigung neuer ÖIAG-Chef. Verkommt die ÖIAG zur Filiale der Privatindustriellen?

Die Industriellenvereinigung (IV) schreibt auf ihrer Homepage: Die IV "ist eine Interessenvertretung auf freiwilliger Basis mit derzeit rund 3.500 Mitgliedern" und versteht sich als "Lobbyorganisation". Sie "verfügt über gute Kontakte zu Politik und Meinungsbildnern sowie über ein weit verzweigtes Beziehungsnetz."1 Oh ja! Das Beziehungsnetz hat - wie schon in vergangenen Jahren z. B. bei  der von der IV gesponserten Homepage von Ex-Finanzminister Karl Heinz Grasser - funktioniert: Ab 1. Juli 2011 wird der derzeitige IV-Generalsekretär Markus Beyrer Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Industrieholding AG (ÖIAG). Dann leitet die ÖIAG ein direkter Interessenvertreter von ein paar Tausend Privatindustriellen. Was bedeutet das für die Zukunft der ÖIAG? 

20 Beteiligungen vor zehn  Jahren

Noch vor zehn Jahren umfasste die ÖIAG über 20 Beteiligungen als Voll- oder Mehrheitseigentümerin, darunter die Voestalpine, VA Tech, Böhler-Uddeholm, Post, Postbus, Telekom, AUA usw. Seit 2000 gab die ÖIAG ihre Anteile an 16 Unternehmen teilweise oder vollständig ab, zuletzt verschleuderte sie die AUA um nur 366.00 Euro und verschaffte der kaufenden Lufthansa noch eine staatliche Mitgift von 500 Mio. Euro. Heute beschränken sich die Anteile gerade auf Post (52,9 Prozent) Telekom (31,5 Prozent) und OMV (28,4 Prozent). Außerdem hält die ÖIAG auch 100 Prozent an der Fimbag, der Banken-ÖIAG: Insgesamt geht es (noch) um mehr als 85.000 MitarbeiterInnen (im In- und Ausland) und 33 Mrd. Euro Umsatz.2
Die ehemaligen Betriebe der verstaatlichten Industrie (VI) waren in der ÖIAG organisiert. Doch seit Beginn der Verstaatlichtungen (1946) trat die IV für deren Überführung in Privatbesitz ein, was für die von schwachem Privatkapital gekennzeichnete österreichische Industrielandschaft bedeutete, dass die meisten Privatisierungen der ÖIAG mit dem Ausverkauf an ausländische Konzerne endeten, z. B. wie bei der Austria Tabak, bei der VA Tech oder bei der AUA.
Nach Umstrukturierungen in den späten 1980er-Jahren erhielt 1993 die ÖIAG einen ersten echten Privatisierungsauftrag und war fortan eine Privatisierungsagentur und Beteiligungsholding. In der Zeitspanne von 1994 bis 1999 (SPÖ/ÖVP-Regierung) wurden 14 Unternehmen(-steile) mehrheitlich oder ganz privatisiert und erbrachten in Summe einen einmaligen Privatisierungserlös von rund 4,787 Mrd. Euro. Mit dem ÖIAG-Gesetz 2000 (ÖVP/FPÖ-Regierung) wurde faktisch die Privatisierung aller restlichen ÖIAG-Beteiligungen in Auftrag gegeben. Ein weiterer Regierungs-Privatisierungsauftrag erfolgte im Mai 2003 und dann zuletzt 2007/2008 (SPÖ/ÖVP-Regierung) für den Verkauf der AUA. Von 2000 bis 2008 wurden 16 Unternehmen(-steile) mehrheitlich oder ganz privatisiert. Der Einmalerlös dafür machte knapp 6,368 Mrd. Euro aus.3
Waren zu Beginn der Verstaatlichung in der verstaatlichten Industrie und den Konzernbetrieben der verstaatlichten Banken Ende der 1950er-Jahre in Summe etwa 275.000 Menschen beschäftigt, sind es heute bezogen auf den Beschäftigtenstand der ÖIAG-Beteiligungen in Österreich nicht einmal mehr 50.000. Gleichzeitig mit dem Ausverkauf der Betriebe an meist ausländische Private (z. B. Voestalpine samt der von ihr aufgekauften Böhler-Uddeholm oder die VA-Tech, die nun Siemens gehört) ging vor allem bei den größten Betrieben, den sogenannten "Flaggschiffen" wie Voestalpine, Böhler-Uddeholm, VA-Tech oder OMV, eine exorbitante Gewinnentwicklung einher, und nach Berechnungen von Miron Passweg von der AK Wien wurden die Verkäufe meist zu billig, das heißt unter dem realen Firmenwert, getätigt.4
 

Vorwand Schuldenabbau 

Der für die Privatisierungen als Grund viel bemühte "Schuldenabbau" war und ist ein Vorwand, um Widerstand von ArbeitnehmerInnenseite den Wind aus den Segeln zu nehmen. Denn die viel zitierten "Schulden" der Verstaatlichten waren in der Regel die Gewinne der Kredit gebenden Banken, weil die Verstaatlichte eben von ihrem Eigentümer, der Republik Österreich, keine entsprechenden Finanzmittel erhielt. Ganz verschwiegen wurde und wird bis heute in der Debatte, dass die verstaatlichten Betriebe über Jahrzehnte Milliarden an Steuern und Dividenden in das Budget zahlten, aber eben nicht die entsprechende Kapitalausstattung erhielten. Ja, im Jahr 2000 wurden der ÖIAG auch noch die durch eine ähnliche Politik bei der Post entstandenen Schulden umgehängt.5 

Privatisierte Gewinne

Der ehemalige Finanzminister K. H. Grasser, hat die Privatisierungsaufträge an die ÖIAG vor allem dazu genutzt, die Wiener Börse zu kapitalisieren. Was so viel bedeutet, dass die oben genannten Privatisierungserlöse für den Staat einmalig waren, die Unternehmen oft unter Preis zu Privatunternehmern wanderten und die jährlichen Dividenden-Millionen der Firmen nun nicht mehr dem Staat, sondern vermögenden PrivatanlegerInnen zugute kommen. Die Vorstände der Wiener Börse, Michael Buhl und Heinrich Schaller haben nun moniert, dass seit 2007 ein Fünftel der inländischen an der Börse notierenden Unternehmen von der ATX-Liste verschwunden seien und verlangt eine weitgehende Privatisierung. Milliarden Euro sollen so angeblich in die Staatskassen fließen. Summen zwischen acht und 25 Mrd. Euro nannte schon im Herbst 2010 das Wifo. Eine nun von der Wiener Börse beauftragte Studie an das "Economica Institut für Wirtschaftsforschung", das von Christian Helmenstein (Chefökonom der IV) und Erhard Fürst (ehemaliger Leiter der Abteilung Industriepolitik und Wirtschaft der IV) geführt wird, kommt zufälligerweise zu ähnlichen Ergebnissen. Als Privatisierungskandidaten sieht die Wiener Börse u. a.: Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), die Bundesländer-Flughäfen und die Landesenergieversorger, bei Post, Telekom Austria und OMV (sie gehören zur ÖIAG), EVN, Verbund und Flughafen Wien. Parallel dazu verkündet die Wiener Börse in Inseraten in Printmedien, wie viel frühere und nunmehr privatiserte Staatsunternehmen abwerfen. Die voestalpine-Aktie warf 2010 gegenüber 2000 um 407 Prozent mehr, die Aktie der noch teilverstaatlichten OMV gar ein Plus von 418 Prozent ab. Was entlarvt: Ob privatisiert oder nicht, die Industrieflaggschiffe Österreichs stehen mehr als gut da. Nur, dass davon die Allgemeinheit, die für die Errichtung dieser Unternehmen in der Vergangenheit zahlte, nichts mehr hat, sondern PrivatanlegerInnen mit dicken Brieftaschen. Zudem sind Privatisierungspläne der Wiener Börse, in die die IV stark involviert ist, ein Fingerzeig, von welchem Gedankengut der aus der IV kommende neue ÖIAG-Chef getragen sein und sicherlich danach trachten wird, seinem "Herrl" IV, auch in der ÖIAG brav zu apportieren.
Wie geht es weiter in der zuletzt zum Privilegien- und Privatisierungsstadel mutierten ÖIAG, in deren Unternehmen etwa "Geschäftsanbahnungsprovisionen" (z. B. bei Telekom) oder an dubiose Kursentwicklungen der Telekom-Aktie gebundene Boni an die Telekom-Spitzen zur Auszahlung kamen, oder diverse Zulagen, die bei den ÖIAG-Bossen üblich waren. Zuletzt meinte der scheidende ÖIAG-Chef Michaelis sogar, dass die "Bezahlung von Aufsichtsräten nicht adäquat" sei, also zu niedrig sei. "Wenn die ÖIAG als Filiale der IV verstanden wird, hat man offenkundig aus den Fehlern des Systems Michaelis nicht viel gelernt."6
 

Alter Wein in neuen Schläuchen 

ÖIAG - ganz neu? Der künftige ÖIAG-Chef soll "nur" noch 500.000 Euro statt 700.000 Euro Jahressalär erhalten. Gut so - sowieso überbezahlt. Und sonst? Bei dem, was bisher bekannt wurde, die neuen und umfassenden Privatisierungspläne noch vorhandener staatlicher und (teil-)verstaatlichter Betriebe sowie von kommunalen und landeseigenen Unternehmen, handelt es sich um Modelle des vorvorigen Jahrhunderts. Es handelt sich um alten Wein in neuen Schläuchen, der Umverteilung und Privatsierungen zu Vermögenden und ausländischen Konzernen als im Interesse der Bevölkerung verkauft. 

Internet:
Österreichische Industrieholding AG
www.oeiag.at 
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
w.leisch@aon.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

1 www.iv-net.at/bm96; www.iv-net.at/bm12
2 und 3 siehe www.oiag.at
4 H. Hautmann und M. Passweg, in: M. Mugrauer (Hg.): Öffentliches Eigentum - eine Frage von gestern? Wien, 2007, Seite 14 und 122)
5 Konzernbetriebsrat der voestalpine AG (Hg.), Gesamtkoordination/Redaktion: G. Weissengruber, W. Leisch: du voest mir: Das Buch wider das Vergessen zur Voest-Privatisierung, Wien 2004, S 18-27
6 Staatssekretär Andreas Schieder, 1. 2. 2011, zit., nach Profil Nr. 6, 7. 2. 2011)

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum