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Schau genau Heute, da die Schockwellen der Krise abebben, können wir feststellen, dass wir dank Krisenmanagement mit einem "blauen Auge" davongekommen sind.

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Eine Lehre aus der Krise: Kein Markt, kein Anbieter, kein Produkt soll künftig ohne Aufsicht sein - Regeln sind notwendig!

Die globale Finanzkrise, die in mehreren Wellen seit dem Jahr 2007 um den Globus rollte, hat Schwachstellen im regulatorischen Rahmen und der Aufsicht über die Finanzmärkte offengelegt. Gesetzliche Rahmenbedingungen, nationale Aufsichtsmodelle und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit hatten mit der Globalisierung der Märkte, dem Fortschritt der Integration innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR)und der rasanten Entwicklung nicht Schritt gehalten. Auf globaler Ebene wurden diese Themen im Rahmen der G-20 adressiert und die Lehren daraus gezogen: "Kein Markt, kein Produkt, kein Anbieter soll künftig mehr ohne Aufsicht sein!" Dementsprechend werden seither bestehende Regularien Schritt für Schritt überarbeitet und Lücken geschlossen. 

Schutzschirm in Österreich 

Auch in Österreich musste die Bundesregierung in der Krise einen Schutzschirm über den Finanzmarkt aufspannen, Banken mit staatlichen Garantien und Geld zur Seite stehen. Drei Banken (Kommunalkredit, Hypo Group Alpe Adria und Constantia Privatbank) mussten aufgefangen werden. Heute, da die Schockwellen der Krise abebben, stellen wir fest, dass wir dank Krisenmanagement mit einem "blauen Auge" davongekommen sind.
Einer der Gründe ist, dass in Österreich mit der Reform der Aufsicht bereits vor der Krise begonnen worden war. So wurde mit der Gründung der Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA 2002 das Fundament für effiziente und effektive Aufsicht nach internationalen Vorbildern gelegt. Als "integrierte Behörde" deckt sie den gesamten Finanzmarkt - von Banken über Versicherungen und Pensionskassen bis hin zu Investmentfonds, Wertpapierfirmen und den Handel in börsennotierten Wertpapieren - ab. Anfangs - die FMA startete mit 90 MitarbeiterInnen, heute arbeiten hier mehr als 300 ExpertInnen - traten zwar Schwächen des neuen Aufsichtsmodells zutage, insbesondere an der Schnittstelle zwischen der mikroprudentiellen - der auf Einzelinstitute fokussierten - Aufsicht der FMA und der makroprudentiellen - auf die Finanzmarktstabilität fokussierten - Aufsicht der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). 2008 wurden Doppelgleisigkeiten abgebaut, die Arbeitsteilung festgelegt - seither greifen die Aufsichtsarbeit von FMA und OeNB reibungslos wie Zahnräder ineinander.
Ganz ist die Krise noch nicht ausgestanden, noch sorgt die in einigen Staaten zum Teil exorbitant angestiegene Staatsverschuldung für Nervosität und Unruhe auf den Finanzmärkten. Dennoch sind bereits wesentliche Lehren aus der Krise gezogen - und die erforderlichen Maßnahmen werden Schritt für Schritt umgesetzt. Denn in einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist nach der Krise gleichzeitig vor der Krise. Und es gilt, für die nächste Krise besser vorbereitet zu sein.
Was sind nun die Lehren aus der Krise? Lassen Sie mich drei herausgreifen:
 

  • Stopp der Flucht aus der Bilanz!
  • Schließen der regulatorischen Lücken!
  • Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Aufsicht!

Stopp der Flucht aus der Bilanz!

Die Krise hat schonungslos aufgezeigt, dass gewisse Risiken vorher in den Bilanzen der Finanzinstitute gar nicht erfasst waren. Einerseits, weil diese Geschäfte (etwa Derivate) unterhalb des Bilanzstrichs verbucht waren, andererseits weil sie (etwa viele "Asset Backed Securities", ABS und Strukturierte Produkte) in Zweckgesellschaften in nicht oder nur schwach regulierten "Off-Shore-Zentren" versteckt waren. Künftig müssen alle Risiken in der Bilanz erfasst und dem Risikomanagement des Instituts unterworfen werden. Sie sind mit Eigenkapital als Sicherheitspolster zu unterlegen oder werden, wenn es sich um Eigenmittelbestandteile handelt, nicht anerkannt.
Die Flucht aus der Bilanz war möglich, weil es im globalen Aufsichtssystem große Lücken gab. Einerseits geografisch, weil "Off-Shore-Zentren" ihr Geschäftsmodell gerade auf einer schwachen Aufsicht aufbauten. Mit dem gleichen Druck mit der es der internationalen Staatengemeinschaft nach dem 9/11-Terroranschlag gelungen ist, weltweit Mindeststandards zur Prävention von Geldwäsche und Terrorfinanzierung durchzusetzen, muss sie nun globale Mindeststandards in der Aufsicht über Finanzprodukte und -märkte durchsetzen - auch in den "Off-Shore-Zentren". Andererseits produktspezifisch, weil wichtige Marketplayer - etwa Shadow Banks, Hedgefonds aber auch Ratingagenturen - keiner Aufsicht unterlagen. Hier werden nun Standards implementiert.

Intensivierung der Zusammenarbeit

Die Krise führte dramatisch vor Augen, dass der EWR zwar keine Grenzen mehr für Finanzprodukte, deren AnbieterInnen und deren KäuferInnen kennt, die Aufsicht aber trotzdem durch nationale Grenzen eingeschränkt blieb. Dementsprechend hat die EU nun ein neues "Europäisches System für Finanzaufsicht" ("European System of Financial Supervision", ESFS) erarbeitet und mit 1. Jänner 2011 umgesetzt. Dessen Architektur stützt sich - wie in Österreich - auf zwei starke Säulen:

  • die vom "Europäischen Ausschuss für systemische Risiken" ("European Systemic Risk Board", ESRB) getragene makroprudentielle Aufsicht
  • und die von den neuen "Europäischen Aufsichtsbehörden" ("European Supervisory Authorities", ESAs) getragene mikroprudentielle Aufsicht. 

ESRB und ESAs arbeiten institutionalisiert eng zusammen, wodurch sowohl gewährleistet ist, dass makroprudentielle Analysen und Warnungen zu systemischen Risiken auch mikroprudentiell (auf Einzelinstitutsebene) umgesetzt werden, als auch, dass Erkenntnisse der mikroprudentiellen Aufsicht auf EU- bzw. nationaler Ebene entsprechend in der makroprudentiellen Analyse des ESRB Berücksichtigung finden.
Das ESRB ist bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt und setzt sich aus dem EZB-Rat, den Vorsitzenden der Europäischen Aufsichtsbehörden, VertreterInnen der nationalen Aufsichtsbehörden und Notenbanken sowie VertreterInnen der Europäischen Kommission zusammen. Als makroprudentielle Aufsicht hat es Systemrisiken zu analysieren, zu bewerten und zu überwachen, um durch entsprechende Warnungen präventiv die Gefahr des Ausfalls von Systemkomponenten zu begrenzen, und die Widerstandsfähigkeit der Finanzmärkte gegen Schocks zu stärken.
 

Die mikroprudentielle Aufsicht erfolgt durch die ESAs:

  • die "Europäische Bankenaufsichtsbehörde" ("European Banking Authority", EBA) mit Standort London,
  • die "Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung" ("European Insurance and Occupational Pensions Authority", EIOPA) mit Sitz in Frankfurt
  • und die "Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde" ("European Securities and Markets Authority", ESMA) in Paris.

Aufgabe der ESAs ist es, für eine solide, wirksame und kohärente Regulierung und Überwachung innerhalb des EWR zu sorgen. Dabei haben sie auch die Stabilität des Finanzsystems und die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen zu berücksichtigen sowie die internationale Koordinierung der Aufsicht und den VerbraucherInnenschutz zu verbessern.

System für Finanzaufsicht

Beim "Europäischen System für Finanzaufsicht" (ESFS) handelt es sich somit um ein integriertes Netzwerk bestehend aus dem ESRB, den drei EU-Aufsichtsbehörden und den nationalen Aufsichtsbehörden. Auf dieser Ebene werden systemische, europäische und grenzüberschreitende Fragen adressiert, die laufende Beaufsichtigung der Einzelinstitute sowie der nur national tätigen Gruppen verbleibt jedoch weiterhin auf nationaler Ebene.
Selbst wenn all diese Maßnahmen mit Leben erfüllt sind, heißt das aber nicht, dass es deshalb in Zukunft keine Krisen mehr geben kann. Krisen sind der Marktwirtschaft immanent, es ist das Auf und Ab, das sie vorantreibt. Die Maßnahmen sollen aber zumindest einen Beitrag leisten, die Risiken und die Auswirkungen krisenhafter Erscheinungen einzudämmen.

Internet:
Finanzmarktaufsicht (FMA)
fma.gv.at
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
helmut.ettl@fma.gv.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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