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Aufwärts mit Sparpaketen Die Kündigung einer derart großen Anzahl von MitarbeiterInnen über 50 ist nicht nur unsozial, sondern widerspricht klar der langjährigen Tradition des "Kurier".

Aufwärts mit Sparpaketen

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Die Auftragsbücher werden voller, Kurzarbeit seltener und die Börsenkurse steigen wieder - die Krise scheint überstanden. Werden die Zeiten wirklich für alle besser?

Die Nachrichten der vergangenen Wochen und Monate liefern ein eher uneinheitliches Bild. So verzeichnete die Erste Group im dritten Quartal 2010 das beste operative Ergebnis in der Geschichte der Bank. BMW hat 2010 erstmals mehr als eine Million Motoren produziert. Die Zahl der KurzarbeiterInnen sinkt in allen Bundesländern kontinuierlich gegen Null.

Zahlenspiele 

Die Tageszeitung "Kurier" feierte Ende Februar nach der Veröffentlichung der ÖAK-Zahlen ihren "großen Erfolg bei den Abos" und die "stabile Entwicklung auf hohem Niveau". Wenige Tage davor war bekannt geworden, dass 36 Kurier-MitarbeiterInnen beim AMS zur Kündigung angemeldet wurden, wobei es sich zum Teil um Änderungskündigungen handelte.
"Von Personalmaßnahmen wurde bereits im vergangenen Herbst gesprochen, Begründung: Veränderungen in der Medienlandschaft durch Gratiszeitungen oder das Internet sowie steigender Kostendruck", so Betriebsratsvorsitzender Christoph Silber. "Doch die Kündigung einer derart großen Anzahl von MitarbeiterInnen über 50 ist nicht nur unsozial, sondern widerspricht klar der langjährigen Tradition des 'Kurier’", meint Silber. Die Botschaft, dass MitarbeiterInnen ab 50 aus Kostengründen um ihren Arbeitsplatz zittern müssen, schadet nicht nur dem Image dieser Zeitung, sondern der gesamten Branche.
Der Konkurrenzdruck ist in fast allen Branchen groß. Einkommenskürzung oder Jobverlust, das ist auch im Sozial- und Gesundheitsbereich keine ungewöhnliche Nebenwirkung von Sparmaßnahmen.
Sozial Global, eine Aktiengesellschaft, die Dienste wie Essen auf Rädern oder Heimhilfen anbietet und aus dem 1958 von SPÖ-Frauen gegründeten Verein "Die Frau und ihre Wohnung" hervorgegangen ist, beschäftigte kürzlich die Gewerkschaften. 385 langjährige MitarbeiterInnen, fast die Hälfte der Belegschaft, wurden zur (Änderungs-)Kündigung angemeldet. Denn in Zukunft sollten alle MitarbeiterInnen nach dem Kollektivvertrag für Gesundheits- und Sozialberufe (BAGS-KV) angestellt werden, nicht mehr branchenübliche Sonderzulagen sollten ab April eingestellt werden. Nach massivem Druck seitens der Gewerkschaften (unter anderem wurde eine Online-Unterstützungsaktion ins Leben gerufen) wurden die Kündigungen schließlich zurückgezogen und Einkommenskürzungen entschärft. Reinhard Bödenauer, GPA-djp: "Wir haben einen Flächenbrand befürchtet, wenn ein derartiges Vorgehen Erfolg gehabt hätte."

Von Wirtschaftskrise zu sozialer?

Von der Wirtschaftskrise zur sozialen Krise? Die Wirtschaftskrise, so Sabine Oberhauser anlässlich des UNO-Tages der sozialen Gerechtigkeit am 20. Februar, habe in manchen Bereichen die Kluft zwischen Arm und Reich sogar noch vergrößert: "ATX-Manager verdienen das 48-fache ihrer Angestellten und die obersten zehn Prozent der Haushalte besitzen 54 Prozent des Geldvermögens."
Österreich rangiert punkto sozialer Gerechtigkeit zwar derzeit auf Platz neun unter den 34 OECD-Staaten, liegt aber in vieler Hinsicht sehr wohl im internationalen Trend mit All-in-Verträgen, Änderungskündigungen, schlecht bezahlten JungakademikerInnen, Reallohneinbußen, Personaleinsparungen etc.

Ausschüttungen gestiegen

Im Dezember 2010 haben die Arbeiterkammern Wien, Nieder- und Oberösterreich erstmals die Ergebnisse des AK-Unternehmensmonitors (2005 bis 2009) veröffentlicht: Dieser zeigte unter anderem, dass die Ausschüttungen der heimischen Unternehmen gemessen an den Löhnen und Gehältern im Erhebungszeitraum massiv gestiegen sind. Und das hohe Niveau von 39,7 Prozent wurde auch im Krisenjahr beibehalten.
Knapp zwei Drittel der gesamten Steuereinnahmen in Österreich kommen aus Lohnsteuer und Mehrwertsteuer. Vermögensbezogene Abgaben machen hingegen nur 1,4 Prozent des gesamten Abgabenaufkommens aus. Zum Vergleich: Der EU-Schnitt der Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern liegt bei 5,4 Prozent. Würde man unsere 1,4 Prozent entsprechend anheben, kämen zusätzlich rund vier Mrd. Euro jährlich ins Budget. Damit wäre die längst fällige Sozialmilliarde und noch vieles mehr finanzierbar bzw. die im Rahmen des Sparpakets erfolgten Kürzungen von Sozialleistungen wären hinfällig.

Zur Kasse, Papa!

Aber derzeit wird weniger über Vermögenssteuern diskutiert als etwa über die bedarfsorientierte Mindestsicherung. Rund 750 Euro monatlich (plus ein eventueller Wohnkostenzuschuss) - das entspricht exakt der Mindestpension und damit kann niemand große Sprünge machen.
Die Armutsgefährdungsschwelle für Alleinlebende lag laut EU-SILC 2009 bei 994 Euro monatlich. In der 15a-Vereinbarung haben alle Bundesländer vereinbart, dass Verwandte von (früheren) MindestsicherungsbezieherInnen keinen Regress leisten müssen. Die Steiermark wird Angehörige trotzdem zur Kasse bitten, diese werden je nach Einkommen vier bis 15 Prozent der Mindestsicherung zuzahlen müssen. Nach anfänglichem Protest des Sozialministers wurde die steirische Variante schließlich mit 1. März Realität.
Ende Februar gab es in anderen Bundesländern bereits konkrete Verbesserungswünsche zur Mindestsicherung. Die Salzburger Armutskonferenz, Arbeiterkammer, Caritas und andere Sozialinitiativen forderten unter anderem ein Verschlechterungsverbot gegenüber der alten Sozialhilfe.
An sich hat Österreich punkto Arbeitsmarkt die Krise gut gemeistert. Wie Belgien und Deutschland hat es vor allem auf Kurzarbeit gesetzt, während andere mit Personalabbau reagierten. Dafür gab es Lob von EU-Kommissar László Andor, auch wegen der vergleichsweise niedrigen Jugendarbeitslosigkeit. Österreich verzeichnete Ende 2010 mit 4,5 Prozent knapp hinter den Niederlanden die zweitniedrigste Arbeitslosenquote in der EU (Durchschnitt 9,3 Prozent). Trotzdem: Österreich liegt bei einigen negativen Entwicklungen durchaus im Trend. Wie in anderen EU-Ländern auch ist beispielsweise die Teilzeitquote seit 1974 von rund sieben Prozent auf mehr als das Dreifache gestiegen (2010 rund 25 Prozent). Besonders bemerkenswert ist die deutlich höhere Steigerung bei Männern (von 1,2 auf 7,2 Prozent).

Arbeitsvolumen sinkt

Die Zahl der tatsächlichen geleisteten Arbeitsstunden in Haupt- und Zweittätigkeiten (Arbeitsvolumen) lag 2009 sowohl bei den Erwerbstätigen insgesamt als auch bei den Unselbstständigen unter dem Wert des Vorjahres. Soweit hier bereits Zahlen vorliegen, sank laut Statistik Austria das Arbeitsvolumen auch 2010 weiter.
Schon immer versuchen GeschäftsführerInnen, PressesprecherInnen & Co. ihr Unternehmen, ihre Organisation ins beste Licht zu rücken. Positives wird groß hervorgestrichen, der Rest verschwiegen, ähnlich wie PolitikerInnen, die selbst für Stimmenverluste fast immer irgendeine positive Interpretation finden. Wenn etwa die Wirtschaftskammer einen Gründerboom feiert, dann bedeutet das nur bedingt neue Arbeitsplätze. Denn seit 1995 ist der Anteil der Einzelunternehmen bei den Neugründungen von 68 auf 83 Prozent gestiegen.

Leiharbeit hat zugenommen

Zu den Krisen-Nebenwirkungen zählt auch in Österreich, dass Leiharbeit zugenommen hat. Die Big Player der Personalüberlassungsbranche sind seit einiger Zeit im Aufwind, nehmen laufend MitarbeiterInnen auf und verzeichnen zum Teil mehr als 50 Prozent Umsatzsteigerung. Bei BMW besteht derzeit ein Viertel der Belegschaft aus LeiharbeiterInnen.
"Dass LeiharbeiterInnen nur Auftragsspitzen abfangen, davon sind wir offenbar schon weg", konstatierte OÖ-AK-Präsident Johann Kalliauer bei der Bilanzpressekonferenz der Steyrer Arbeiterkammer. Als Lösung schweben den BelegschaftsvertreterInnen Quoten vor, die den Anteil der Leiharbeit im Betrieb beschränken.


Internet:
AK-Unternehmensmonitor:
tinyurl.com/674sc2p
Armutskonferenz:
www.armutskonferenz.at
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