topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Bildung Macht Zukunft Für viele ArbeitnehmerInnen wird aus der ­Forderung nach lebenslangem Lernen die Bedrohung "lebenslängliches Lernen".

Bildung Macht Zukunft

Schwerpunkt

Gewerkschaftliche Bildungsarbeit ist wichtige Grundlage für die Bewältigung von Herausforderungen in Arbeitswelt und Gesellschaft.

Lebenslanges Lernen ist in aller Munde. Die Erwartungshaltungen an das umfassende und fortdauernde Lernen sind vielfältig und reichen von persönlichen Erfolgen im Berufsleben bis zum Wirtschaftsfaktor Standortvorteil.
Für viele ArbeitnehmerInnen wird aus der Forderung nach lebenslangem Lernen die Bedrohung "lebenslängliches Lernen". Dazu kommt auch oft die Angst vor "Neuem". Bildung wird oft nur als Bildung zur wirtschaftlichen Verwertbarkeit, und Wissen als betriebliches und individuelles Kapital im wirtschaftlichen Wettbewerb gesehen. Mobil und flexibel im globalen Wettbewerb - Eigenschaften wie Kritikfähigkeit, Auseinandersetzung mit sich und der Gesellschaft sowie soziale Verantwortung sind dabei nicht so gefragt.

Gewerkschaftliche Bildungsarbeit

Wie ist die gewerkschaftliche Bildungsarbeit in diesem Zusammenhang zu sehen? Sehr klar: Gewerkschaftliche Bildung ist politische Bildung. Eine politische Bildung, die "nicht Akzeptanzbeschaffung für bestehende gesellschaftliche Verhältnisse"1 ist, sondern "kritische Instanz zur Problematisierung gesellschaftlicher Widersprüche. Sie stellt den Anspruch, Politik zu entschlüsseln, Zusammenhänge durchschaubar zu machen und neue Perspektiven aufzuzeigen."1

Lernen, das Freude macht

Das bedeutet, Seminare im Bereich inhaltlicher Fachkenntnisse (Sachkompetenz) anzubieten. Aber auch, Inhalte so zu gestalten, dass das Lernen einerseits Freude macht, und anderereits das Know-how vermittelt wird, um diese Inhalte gleichzeitig in sozialem Kontext vermitteln und Interessen durchsetzen zu können (Soziale Kompetenz). Und letztlich ist es wichtig, das Erlernte auch wirklich im Betrieb anzuwenden (Gewerkschaftliche Handlungskompetenz) und es anderen weiterzuvermitteln (MultiplikatorInnenfunktion). Und gerade diese gewerkschaftliche Handlungskompetenz hat viel mit dem Aufbau von Haltungen zu tun und damit, selbstbewusst und auf gleicher Augenhöhe politisch zu argumentieren. Vieles, was in den Seminaren und Lehrgängen gelernt und erfahren wird, trägt über den gewerkschaftlichen Kontext hinaus zur persönlichen Entwicklung bei.
Gewerkschaftliche Bildungsarbeit ist somit die entscheidende Grundlage für die Herausforderungen in der Arbeitswelt und der Gesellschaft und Kernaufgabe jeder gewerkschaftlichen Aktivität. Bildung unterstützt die Entwicklung gewerkschaftlicher Haltung und solidarischen Handelns, leistet einen Beitrag zur Meinungsbildung und gibt auch Orientierung bei betrieblichen, gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Themen. Unser Bildungsangebot orientiert sich daher in erster Linie an den Herausforderungen für ArbeitnehmerInnenvertretung und ArbeitnehmerInnen. Als Teil der Organisationsarbeit verstanden, zielt es auf die Erweiterung der persönlichen, betrieblichen und gesellschaftlichen Handlungsfähigkeit und gibt Impulse für zukünftige Entwicklungen.

Rasch, kompetent, maßgeschneidert

Gewerkschaftliche Bildungsarbeit hat oft die Funktion einer Feuerwehr: so etwa bei der Gründung von Betriebsratskörperschaften oder bei der Unterstützung von ArbeitnehmervertreterInnen in ihrer Reaktion auf aktuelle Managementstrategien. Hier wird rasche, kompetente und maßgeschneiderte Know-how-Vermittlung erwartet.
Anders als im Rahmen der beruflichen Weiterbildung ist bei der gewerkschaftlichen Bildung das Ziel nicht, den individuellen Marktwert zu erhöhen. Im Gegenteil, das Ergebnis dieses Lernprozesses ist sehr oft, dass die ArbeitnehmervertreterInnen, wenn sie das Erlernte im Interesse der Beschäftigten umsetzen, verstärkt mit Konflikten und Auseinandersetzungen auf betrieblicher Ebene konfrontiert sind. Statt individuellem steht kollektiver Marktwert im Vordergrund.
Dabei wird es auch verstärkt wichtig sein, Infrastruktur und Plattformen für gegenseitiges Kennenlernen und  Erfahrungsaustausch zu schaffen - sowohl elektronisch über Blogs und Foren sowie e-learning als auch "klassisch" face-to-face über diverse Diskussionsrunden. Gewerkschaftliche Bildungsarbeit muss komplexe Sachverhalte möglichst verständlich veranschaulichen. Bildungsarbeit kann aber nur gelingen, wenn Folgendes erfüllt ist: Freude am Lernen, Emotionen erleben und Handeln erproben. Mit anderen Worten: Es darf, nein, es muss auch gelacht werden. Nur wenn die Inhalte auch emotional ankommen, ist Lernen wirkungsvoll. Ein weiterer Punkt ist das Ausprobieren des Gelernten, denn "solidarisches Handeln kann nicht nur gewusst werden, es muss erprobt werden".2 In allen Bildungsmaßnahmen muss daher genug Raum für das Erproben und Durchspielen vorhanden sein. "Lernen und Lernprozesse generell lassen sich nicht über rein kognitive Prozesse erreichen. Lernprozesse gehen nicht geradlinig vonstatten, sie haben Schleifen, kommen auf Umwegen, benötigen einen individuellen Zeitrhythmus und vor allem einen sozialen Kontext, Emotion."

Wichtiger Bereich Internationales

Ein wichtiger Bereich der Gewerkschaftsarbeit insgesamt und somit auch der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit liegt in der internationalen Arbeit. Oft wird kritisiert, dass noch immer kein tragfähiges europa- oder gar weltweites, enges gewerkschaftliches Netzwerk besteht, auch wenn es immer wieder gelungene Beispiele grenzüberschreitender Aktionen gibt. Bildungsarbeit spielt hier eine wesentliche Rolle, v. a. im Bereich der Europäischen Betriebsräte, also ArbeitnehmervertreterInnen in multinationalen Konzernen, die seit der EU-Erweiterung eine besondere Dimension erfahren haben. Aber auch EU-Projekte sind im gewerkschaftlichen Bereich fast immer auch Bildungsprojekte.

"Nenne den Troll beim Namen"

Gesellschafts- und daher auch bildungspolitisch wird die Umsetzung von Gen­der Mainstreaming immer wichtiger. Nach wie vor bezieht sich Bildungsarbeit fast immer auf die männliche Kultur. Eines in diesem Zusammenhang gleich vorweg: So lange sich hinter "Geschlechtsneutralität" sozial männliche Muster und Maßstäbe verbergen, braucht es nach wie vor eigene Bildungsangebote nur für Frauen - als einen Ort der Positionierung und Stärkung von Frauen. Dem Ziel der Gleichstellung kann sich die gewerkschaftliche Bildungsarbeit auf der Basis einer umfassenden Analyse der Ist-Situation nur schrittweise annähern und muss bei den Rahmenbedingungen sowie bei einer gendergerechten Seminargestaltung ansetzen. Gender Mainstreaming muss sowohl als Unterrichtsprinzip quer über alle Angebote als auch als Thema verankert werden. Voraussetzung dafür ist ein genderkompetentes Agieren der Bildungsverantwortlichen bei der Planung und Konzeption der Bildungsangebote.
Diversity, das Akzeptieren und Zulassen von Verschiedenheit ist ein weiterer politischer Auftrag an die Bildungsarbeit: Integration aller Gruppen von ArbeitnehmerInnen - egal ob verschieden durch Geschlecht, Alter, ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung und Behinderung. Auch hier geht es um Weiterbildung durch Bewusstseinsbildung. Um Sensibilisierung für Unterschiede und den Umgang mit "Fremden," aber auch um die Weiterentwicklung bestimmter Fähigkeiten wie der Akzeptanz anderer und einer Verbesserung der Kommunikation.

Botschaft von der Veränderbarkeit

Das ist nur eine der vielen Herausforderungen für gewerkschaftliche Bildungsarbeit, und wir haben schon konkrete Maßnahmen in Planung. Dabei müssen die vermittelten Inhalte immer in eine Erläuterung des gesellschaftlichen und politischen Kontextes eingebettet werden. Gewerkschaftliche Bildungsarbeit beschränkt sich daher nicht allein auf einen Dienstleistungscharakter und eine reine Beratungs- und Qualifizierungsleistung, sondern hat den Auftrag, die Botschaft von der Veränderbarkeit sozialer Verhältnisse überzeugend zu vermitteln.

Internet:
VOEGB
www.voegb.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
sabine.letz@oegb.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

1 Allespach, Meyer, Wentzel, Politische Erwachsenenbildung, S. 16
2 Rehbock, in: Richert 1994, S. 88

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum