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Studiland ist abgebrannt Der "Audimaxismus", die Besetzung des Audimax der Haupt­uni, hat zur Zerspragelung geführt und nicht nur ­dadurch, aber auch deswegen zu ­relativ wenig konkreten Erfolgen.

Studiland ist abgebrannt

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Wer ohne großzügige Finanzierung der Eltern sein Studium abschließen will, muss mit möglichst geringem Zeitaufwand selbst sein Einkommen aufpolstern.

Die Situation ist jetzt so, dass immer mehr Studierende nicht mehr motiviert sind, Widerstand zu leisten, weil leider wenig bei den Protesten herausgekommen ist, sagt Barbara Marx, Jugendsekretärin der GPA-djp. Und sie ergänzt: "Wenn man an frühere Proteste der Studierenden denkt, dann hat das jedes Mal zu einer Politisierung der Studierenden geführt. Dieses Mal ist das anders. Der 'Audimaxismus‘, die Besetzung des Audimax der Haupt­uni, hat zur Zerspragelung geführt und nicht nur dadurch, aber auch deswegen zu relativ wenig konkreten Erfolgen."

Prekäre finanzielle Situation

Die finanzielle Situation der Studierenden wird immer prekärer, erklärt Marx. "Das Höchstalter für Familienbeihilfe ist von 26 Jahren, mit Kind erhöht auf 27, dramatisch auf 24 Jahre gesenkt worden, ebenso die Mitversicherungsmöglichkeit bei den Eltern. Die Leute haben sich darauf verlassen, jetzt kommt das plötzlich und sehr heftig. Es ist gelungen, diese Grauslichkeit bis 1. Juli 2011 hinauszuschieben, aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Wegfall der Familienbeihilfe und des Absetzbetrags allein machen im Jahr 2.685,9 Euro aus."
Der Wegfall der Mitversicherung stellt ein weiteres Problem dar. Man kann sich jetzt mit 50 Euro pro Monat selbst versichern, oder man sucht sich einen Job über der Geringfügigkeitsgrenze. Bisher konnte man im Sommer arbeiten gehen und hatte dann während des Unijahres Zeit, sich dem Studium zu widmen und war versichert. Das war sehr weit verbreiteter Usus unter Studierenden. Jetzt muss man sich auch während des Jahres um die Versicherung kümmern.

Absurdes Leistungsstipendium

Auch das Leistungsstipendium, das eben Leistung, unabhängig von den finanziellen Mitteln des Elternhauses, honorieren soll, führt sich für Barbara Marx langsam ad absurdum: "Weil fast nur noch jene Leute, die Zeit zum Studieren haben, den Notendurchschnitt produzieren können, der dafür notwendig ist. Alle anderen, also die, die nicht von Beruf Sohn oder Tochter sind, müssen sich was dazuverdienen und können sich nicht so ins Studium hineinknien. Das ist nichts anderes als soziale Selektion."
Barbara Marx setzt sich gerne und mit Elan für die Studierenden ein, immerhin handelt es sich um eine wichtige Zukunftsthematik, doch ist "dieser Bereich der geringen Einkommen für die Gewerkschaft sehr schwierig. Viele Studierenden arbeiten schwarz oder mit Werkvertrag, es gibt aus offensichtlichen Gründen auch keine Statistiken, nur Umfragen". Es gibt aber auch andere Probleme, die Situation adäquat zu kommunizieren. "Die Solidarität mit den Studierenden wird von der Jugend in den Gremien getragen, aber leider sind die Vorurteile, zum Beispiel dass die Studierenden Tachinierer sind, in der arbeitenden Bevölkerung und auch in der Gewerkschaft noch immer stark." Es wird daran gearbeitet, dass der oft vernommene Spruch "Geht‘s was hackln!", der von großer Ignoranz zeugt, möglichst bald verschwinden möge: "Über 70 Prozent der Studierenden sind gezwungen, neben dem Studium zu arbeiten. Obwohl ein Studium vom Zeitaufwand her eine 40-Stunden-Woche bedeutet, müssen die Studierenden eine 60- bis 80-Stunden-Woche hinlegen, damit sie sich ihr Leben, das oft unter oder an der Armutsgrenze verläuft, leis­ten können."

Studierverhinderungsplan?

Ins gleiche Horn stößt Thomas Wallerberger vom Vorsitzteam der ÖH: "Die Budgetbeschlüsse haben die finanzielle Situation der Studierenden extrem verschlechtert. Neben der bekannten Senkung des Alters für die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag und dem Wegfall der Mitversicherungsmöglichkeit, werden z. B. auch die Heimplätze um 30 bis 60 Euro teurer."
Er ortet einen Studierverhinderungsplan, der vor allem die trifft, die aus bildungsfernen Schichten kommen. "Es scheint, dass Studieren einfach nicht möglich sein soll. Es kommen Knock-out-Prüfungen, und man kann statt viermal nur noch zweimal zu einer Prüfung antreten.
 Wenn man bedenkt, dass ein reguläres Studium wie eine Vollzeitstelle angelegt ist, und zwei Drittel der Studierenden nebenbei arbeiten müssen, erhöht sich automatisch die Studiendauer. Viele Studien werden ohne Abschluss beendet, da durch die Maßnahmen überwiegend die sozioökonomisch schlechter Gestellten getroffen wurden, denn selbst bei einem Höchststipendium ist man mit 240 Euro unter der Armutsgrenze."

Ein Großteil muss jobben

Der Großteil der Studierenden sieht sich gezwungen, während des Studiums zu arbeiten, allerdings ist die Notwendigkeit zur Arbeit ungleich verteilt. Neben dem sozioökonomischen Background sind die Jobs entweder studienspezifisch, wie zum Beispiel Praktika, oder sie dienen vor allem dem Lebensunterhalt während des Studiums. Kombinationen sind natürlich möglich, aber am häufigsten arbeiten Studierende schwarz im Gastgewerbe.
Auch für Thomas Wallerberger existieren Vorurteile gegenüber den Studierenden. "Es wird immer so ein Gegensatz zwischen Uni und den 'Normalen‘ herbeikonstruiert, der so einfach nicht stimmt. Viele Studierende sind in Wahrheit Arbeiter. Aber die öffentliche Diskussion wird von Stereotypen dominiert, da merkt man eine Intellektuellenfeindlichkeit, die in Österreich leider eine lange Tradition hat. Aber wir versuchen, Barrieren zu überwinden, wie zum Beispiel 2009, wo wir gemeinsam mit den MetallerInnen demonstriert haben."
Jennifer Seebacher, 32, hat zwei Kinder, studiert Internationale Entwicklung und arbeitet neben dem Studium 20 Wochenstunden im sozialpädagogischen Bereich. Sie hat bereits eine Ausbildung und ist Diplombehindertenpädagogin, möchte sich aber fortbilden.
"Das Selbsterhalterstipendium ist an sich schon zu wenig, ist man verheiratet erst recht. Zu Beginn des Studiums war ich noch verheiratet, das heißt, dass der Trauschein am Anfang der Grund für die Arbeit war."
Neben Kindern - Stichwort "Kinder werden leider nicht nach dem Lehrplan krank" - und Arbeit bleibt ihr fast nur am Abend Zeit für das Studium. Es wären auch bessere Vorlesungen und Kurse und auch bessere Noten für sie drinnen, aber es werden kaum Lehrveranstaltungen am Abend oder geblockt angeboten. Das bedeutet, dass sie vergleichsweise wenige Prüfungen machen konnte, und dass dadurch das Studium viel länger dauert.
"Die wieder aufgewärmte Diskussion über Studiengebühren hat mich geschreckt. Das wäre ein enormer Stress, die auch noch irgendwie zu berappen, da wäre das Studium sehr schwierig."

"Ich wär gern Magistra geworden"

Es sieht für Jennifer Seebacher so aus, dass es sich mit der Zeit - es steht eine Änderung des Studienplans bevor -, aber vor allem mit dem Geld nicht ausgeht, und sie auf das Bakkalaureat umsteigen muss. "Ich wäre gern Magistra geworden", sagt sie, "aber ich muss mir immer überlegen, woher ich das Geld, zum Beispiel für einen Babysitter, nehme. Das soziale Netz reicht leider nicht aus, denn meine Familie ist im Waldviertel, und leider nicht vermögend genug, um mich komplett zu unterstützen."
Lejla Memisevic ist 28, und studiert noch Theater-, Film- und Medienwissenschaft, schreibt aber an ihrer Diplomarbeit. Sie ist schwanger, aber "zum Glück erst jetzt, wo ich mit dem Studium praktisch fertig bin." Auch sie hat neben dem Studium gearbeitet.

"... hat Praktikum gemacht"

"Das Studium zieht sich, denn ich wollte meiner Mama nicht auf der Tasche liegen, und habe von Anfang an nebenbei ge­jobbt. Da war von Babysitten, Wohnungssitten bis zu fachspezifischeren ­Sachen, wie zum Beispiel Karten abreißen und Soufflieren im Theater, oder als ­Produktionsassistentin beim Film, alles dabei." Hospitanzen und Praktika wurden ihr meistens gar nicht oder nur sehr schlecht bezahlt, da "geht‘s nur darum, am Ende einen Zettel in der Hand zu halten, wo draufsteht: hat Praktikum ­gemacht." Sie hat ebenfalls die Befürchtung, dass ihr Studienplan auslaufen könnte, denn "den Bachelor will ich nicht nehmen, weil der nicht sehr hoch angesehen ist."

Internet:
StudentInnengewerkschaft GPA-djp
tinyurl.com/6eaptkg
Österreichische Hochschülerschaft
www.oeh.ac.at
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dinomail@gmx.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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