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Vom Lehrling zum Master Personen, die über den zweiten Bildungsweg an die Hochschule kommen, sind in der Regel älter als der Durchschnitt und haben aufgrund der Lebens- und Wohnsituation höhere Gesamtkosten. Altersgrenzen und unzureichende Stipendien sind zusätzliche Hürden.

Vom Lehrling zum Master

Schwerpunkt

Eine AK-Studie belegt, dass AbsolventInnen mit Berufsreifeprüfung an Hochschulen erfolgreich sind.

Und deshalb finde ich es wirklich sehr gut, dass man, wenn einem mit 20 oder 25 Jahren der Knopf aufgeht, die Möglichkeit noch einmal bekommt …" - mit diesem Zitat eines Studenten ist gut umrissen, warum sich AK und ÖGB seit langem für nichttraditionelle Wege zur Höherqualifzierung und im Besonderen für das Instrument "Berufsreifeprüfung" (BRP) einsetzen. Für viele ArbeitnehmerInnen ohne klassische Matura ist die Berufsreifeprüfung, die 1997 in Österreich eingeführt wurde, DIE Chance, nach beruflicher Ausbildung ein Studium zu absolvieren.

Studie über BRP-AbsolventInnen

Da bislang relativ wenig über die Situation von Berufsreifeprüfungs-AbsolventInnen im Hochschulbereich bekannt ist, hat die AK Wien beim Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung (öibf) im Vorjahr eine Studie in Auftrag gegeben. Der Endbericht wurde im Sommer vorgelegt.1 Neben der Datensammlung und -analyse für ganz Österreich wurden 15 Leitfadeninterviews mit TrainerInnen in BRP-Vorbereitungslehrgängen, Studierenden und -vertreterInnen, VizerektorInnen bzw. StudienprogrammleiterInnen sowie Lehrverantwortlichen in Wien durchgeführt, um mehr über Wahrnehmung und Besonderheiten von BRP-Studierenden zu erfahren. Zwischen 1997 und 2007 gab es zirka 17.000 BRP-AbsolventInnen, rund 60 Prozent davon haben eine weiterführende Ausbildung begonnen. Laut AK-Studie sind jedoch die Hochschulsektoren unterschiedlich attraktiv für BRP-AbsolventInnen.
An den Universitäten starteten 2009/10 knapp 1.000 Personen mit BRP ein Studium, 2,6 Prozent aller AnfängerInnen. Der BRP-StudienanfängerInnenanteil an Fachhochschulen (FH), an denen es generell mehr nichttraditionelle Studierende (d. h. mit BRP, Studienberechtigungsprüfung oder Lehrabschluss plus Zusatzprüfungen) gibt, ist mit rund fünf Prozent deutlich höher. 2009/10 begannen rund 750 Personen ein FH-Studium. Die Gesamtzahl der Studierenden mit BRP betrug für das Wintersemester 2009 an FH rund 1.800 (das sind fünf Prozent aller Studierenden) und ca. 5.200 an Universitäten (1,9 Prozent). BRP-Studierende in Wien wählen an FH vor allem Wirtschafts- und Technikstudien. Bei den Universitäten ist die Uni Wien mit den Studienrichtungen Soziologie, Bildungs- und Rechtswissenschaft sehr beliebt, BRP-Studierende sind aber auch an der Wirtschaftsuniversität, der Technischen Universität und der Universität für Bodenkultur zu finden. Dabei sind geschlechtsspezifische Unterschiede zu verzeichnen, die noch genauer untersucht werden müssten: Der Frauenanteil liegt bei den BRP-Studierenden mit rund 47 Prozent bzw. 33 Prozent nämlich unter den Gesamtwerten (ca. 53 Prozent bzw. 46 Prozent weibliche Studierende) an Universitäten und FH. Besonders erfreulich ist: Seit 2002/03 gibt es bereits rund 2.500 HochschulabsolventInnen mit BRP! Im Studienjahr 2008/09 wurden von Personen mit BRP fast 400 FH-Studien (4,4 Prozent aller AbsolventInnen) und knapp 350 Uni-Studien (1,3 Prozent) erfolgreich beendet.

Pluspunkt Berufserfahrung

Die Ergebnisse der Leitfadeninterviews:

  • Die BRP dient als berufliche Höherqualifizierung, unabhängig davon, ob sie tatsächlich ein Studium ins Auge fassen.
  • In Relation zur Gesamtzahl der Studierenden ist der Anteil derer mit BRP trotz Steigerung so gering, dass diese unter der Wahrnehmungsschwelle der Unis und FH liegen. Sie werden nur bei der Studienzulassung bewusst wahrgenommen.
  • Das spezielle Aufnahmeverfahren an FH (Quoten nach Vorbildung) erleichtert den BRP-Studierenden den Zugang.
  • Durch ihre Berufserfahrung haben BRP-Studierende im Studium einen großen Vorteil, weil sie dadurch Kompetenzen und (zum Teil) Fachwissen mitbringen, z. B. Zeit- und Projektmanagement, Teamarbeit, Belastbarkeit etc.
  • BRP-Studierende bleiben in der Regel während des Studiums erwerbstätig, daher ist die Vereinbarkeit von Studium und Beruf besonders wichtig. Dies ist mit Grund für die höhere Attraktivität des FH-Sektors, weil hier - im Unterschied zu den Unis - ein eigenes Studienangebot für Berufstätige existiert.
  • Je nach Studium kann es Defizite bei Mathematik und/oder Fremdsprachen geben, teilweise in der schriftlichen Ausdrucksweise und im wissenschaftlichen Arbeiten. Diese Kenntnisse wurden nicht über einen so langen Zeitraum gefestigt wie in einer AHS oder BHS. Die BRP-Studierenden machen aber Schwächen durch Interesse und Engagement wett.

Bessere Rahmenbedingungen

Es ist ein erklärtes bildungspolitisches Ziel der ArbeitnehmerInnenvertretungen, dass sich in Zukunft weit mehr Berufstätige als bisher über den zweiten Bildungsweg an einer Hochschule höher qualifizieren können. Damit sie ein Studium erfolgreich starten und absolvieren können, brauchen sie allerdings bessere Rahmenbedingungen. Vorbedingung dazu ist, die Lebens-, Berufs- und Studiensituation von BRP-KandidatInnen, -AbsolventInnen und -Studierenden kontinuierlich zu erheben. Das allein reicht nicht. Die Politik ist gefordert, gemeinsam mit den Hochschulinstitutionen Initiativen zum Abbau von Bildungsbarrieren zu setzen, und dafür entsprechende Budgetmittel zur Verfügung zu stellen. Aus ArbeitnehmerInnensicht sind folgende Punkte besonders wichtig:

  • Gebührenfreies Nachholen von Bildungsabschlüssen

Der Weg zur traditionellen Matura ist in Österreich gebührenfrei, Bildungsabschlüsse später nachzuholen ist hingegen oft mit finanziellen Hürden verbunden. Hinzu kommt, dass es z. B. bei der Vorbereitung zur BRP je nach Bundesland unterschiedliche Fördermodelle gibt. Der Weg zur BRP kostet bis zu 4.000 Euro.

  • Bessere Vereinbarkeit von Studium und Beruf - Maßnahmenbündel an den Universitäten

Menschen, die über den zweiten Bildungsweg den Zugang zur Hochschule erworben haben, waren häufig vor dem Studium erwerbstätig und bleiben dies während des Studiums. An den Universitäten ist daher ein umfassendes Maßnahmenbündel zur besseren Vereinbarkeit von Studium und Beruf notwendig (z. B. berufsbegleitende Studienangebote, Servicestellen und Ansprechpersonen für die Belange von berufstätigen Studierenden, Kinderbe­treuung).

  • Ausbau des Fachhochschulsektors

Der derzeitige Wachstumsstopp im Fachhochschulbereich bedeutet weniger Chancen für Personen ohne traditionelle Matura. Notwendig ist ein bundesweiter Ausbau des Sektors, vor allem bei den berufsbegleitenden Studienangeboten.

  • Bessere Beratung und Information - stärkere Kooperation zwischen Anbietern von Vorbereitungslehrgängen und Hochschuleinrichtungen, z. B. im Hinblick auf die Studienberatung

Personen, die sich auf die BRP vorbereiten, sollten bereits in dieser Phase über die verschiedenen Studienmöglichkeiten und die jeweiligen Anforderungen informiert werden. Wichtig dabei ist eine unabhängige Studienberatung.

  • Verbesserung der finanziellen Unterstützungen für berufstätige Studierende, z. B. Anhebung der Altersgrenzen beim Stipendium, regelmäßige Valorisierung

Hürden abbauen!

Personen, die über den zweiten Bildungsweg an die Hochschule kommen, sind in der Regel älter als der Durchschnitt und haben aufgrund der Lebens- und Wohnsituation höhere Gesamtkosten. Altersgrenzen beim Stipendium und unzureichende Stipendien sind Hürden, die diese Gruppe besonders treffen.

Internet:
wien.arbeiterkammer.at/bildung

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martha.eckl@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

1 Lachmayr, Norbert/Neubauer, Barbara (2010) (HgInnen.): Studierende mit Berufsreifeprüfung an Universitäten und fachhochschulischen Einrichtungen mit Erhebungsschwerpunkt Wien; Wien

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