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Durchlässigkeit statt Durchfallen "65 Prozent von Akademikerkindern besuchen eine AHS, nur 15 Prozent kommen aus ­Arbeiterfamilien. Auch innerhalb der AHS ­entscheidet das Einkommen der Eltern - wer sich Nachhilfe leisten kann, steht besser da", so der ÖGB-Präsident.

Durchlässigkeit statt Durchfallen

Schwerpunkt

Die Sozialpartner fordern Bildung für alle statt Einbahnstraßen. Die Schlüssel dazu: Durchlässigkeit, Berufsberatung.

Dank der Ergebnisse des PISA-Tests - Österreichs Schulsystem hat bekanntlich miserabel abgeschnitten, vor allem bei der Lesekompetenz -, diskutiert mittlerweile das ganze Land notwendige Schulreformen. Die Sozialpartner ÖGB, AK, WKÖ und LKÖ haben sich des brisanten Themas bereits beim Bad Ischler Dialog 2007 angenommen und eine breite Bildungsreform gefordert. Neue Konzepte für Aus- und Weiterbildung als Chance für Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und die wirtschaftliche Stärke Österreichs standen im Mittelpunkt der damaligen Sozialpartnerkonferenz "Chance Bildung". Mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem, verstärkte Berufsberatung und leichterer Zugang zu Bildung für alle lauteten die Ziele.
Heuer haben die Sozialpartner, verstärkt durch die IV, ihre Forderungen aktualisiert. Zwölf gemeinsame Positionen haben sie beim Bildungsdialog am 2. Februar Unterrichtsministerin Claudia Schmied und Wissenschaftsministerin Beatrix Karl präsentiert. Sie wollen, "dass alle notwendigen Schritte, insbesondere in Bezug auf eine einheitliche Ausbildung aller Lehrkräfte auf der Sekundarstufe I, sowie eine Reform des Dienst- und Besoldungsrechts in Angriff genommen werden, um so wesentliche Voraussetzungen für eine damit mögliche gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen zu schaffen". Außerdem sprechen sie sich für eine gemeinsame Ausbildung aller Pädagogen/-innen (Kindergarten, Schule, Erwachsenenbildung) auf Hochschulniveau aus.
Die Sozialpartner plädieren weiters für ein "leistungsgerechtes bundesweit einheitliches Dienst- und Besoldungsrecht" für LehrerInnen, das auch eine "Ausdehnung der Anwesenheit in der Schule bei verbesserten Arbeitsbedingungen" beinhaltet. Die Autonomie der Schulen soll gestärkt werden und etwa die Auswahl der Lehrkräfte beinhalten.
"Wir brauchen ein Schulsystem, das allen jungen Menschen die gleichen Chancen eröffnet, und das die finanziellen Mittel bestmöglich im Sinn der Bildung einsetzt", forderte ÖGB-Präsident Erich Foglar: "Die Zukunftsfrage lautet nicht, bei wem sind die LehrerInnen angestellt, sondern wie können wir ein ganzheitliches und zukunftsorientiertes Bildungssystem schaffen. Österreich liegt im Spitzenfeld bei den Bildungsausgaben, aber im Schlussfeld beim PISA-Test."

Einkommensschwache benachteiligt

"Das Bildungssystem benachteiligt einkommensschwache Familien", kritisierte Foglar. "65 Prozent von Akademikerkindern besuchen eine AHS, nur 15 Prozent kommen aus Arbeiterfamilien. Auch innerhalb der AHS entscheidet das Einkommen der Eltern - wer sich Nachhilfe leisten kann, steht besser da", so der ÖGB-Präsident. Jährlich geben Eltern 120 bis 130 Mio. Euro für Nachhilfe aus. "Nachhilfe muss überflüssig werden", fordert Foglar, "wir brauchen daher deutlich mehr ganztägige Schulangebote, das spart teure Nachhilfestunden und verbessert außerdem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie". Die ganztägigen Schulangebote sind zwar seit 2007 ausgeweitet worden, ein flächendeckendes Angebot gibt es allerdings noch nicht. Geht es nach den Sozialpartnern, soll kurzfristig in jedem Bezirk "zumindest eine Volksschule sowie eine Schule der Sekundarstufe I mit ganztägiger Betreuung" vorhanden sein. AK-ExpertInnen haben 2010 berechnet, dass sich Ganztagsschulen rechnen: 20.000 Ganztagsschulplätze bringen ein Budgetplus von 18 Millionen Euro im Jahr 2020, weil zusätzlich Personal eingestellt werden muss, und weil mehr Mütter arbeiten gehen können. Das bringt dem Staat zusätzliche Einnahmen an Lohnsteuer und Sozialbeiträgen. "Es wäre fahrlässig, aus Spargründen auf so eine Zukunftsinvestition zu verzichten", sagte AK-Präsident Herbert Tumpel: "Wir wussten schon, dass wir für gleiche Bildungschancen und bessere Berufschancen von Frauen mehr Ganztagsschulplätze brauchen. Jetzt wissen wir auch, dass das ein Geschäft für den Staat ist."

Mindeststandards festlegen

Einige der Sozialpartner-Forderungen von 2007 sind mittlerweile umgesetzt, etwa die Einführung eines verpflich­tenden und gebührenfreien letzten Kindergartenjahres. Nun fordern die Sozialpartner die schrittweise Ausweitung der Gebührenfreiheit für den ganztägigen Kindergartenbesuch aller Drei- bis Sechsjährigen. Bei den geplanten Bildungsstandards für die vierte und achte Schulstufe gehen die Sozialpartner weiter als die bisherigen Regierungspläne: Die Standards sollen "klar definierte Mindestlevels" festlegen, "flächendeckend überprüft" und auch "auf individueller Ebene ausgewertet" werden. Weiters fordern die Sozialpartner kleinere Schülergruppen sowie "fächerverbindende, projektartige Unterrichtsformen und eine alternative Zeitorganisation". Unterstützt wird von ihnen auch die Erarbeitung eines Hochschulplans sowie die Einführung einer Studienplatzfinanzierung.

Neue Mittelschule ausbauen

Ausgebaut werden soll die Neue Mittelschule (NMS): "Eine quantitative Beschränkung dieses Schulversuchs ist nicht sinnvoll", formulieren die Sozialpartner. Der ÖGB fordert eine gemeinsame Schule. "Die Schule nimmt sich noch immer das Recht heraus zu entscheiden, welche Zehnjährigen ins Gymnasium dürfen", so Foglar. Die Schulentscheidung darf nicht schon Zehnjährigen aufgezwungen werden, denn sie entscheidet über das ganze restliche (Berufs-)Leben. Das steht zwar so wörtlich nicht in der Punktation der Sozialpartner, aber auch WKÖ-Präsident Christoph Leitl hat sich bereits für eine gemeinsame Schule ausgesprochen.
Bildungschancen fordern die Sozialpartner aber auch für Erwachsene: "Wer einen Bildungsabschluss nachholen will, dem muss dies kostenlos möglich sein", forderte Erich Foglar, denn Bildung muss weitergehen, auch nach der Schule.

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Info&News
Sozialpartnerpositionen

1. Pädagogische Ausbildung NEU: gemeinsame Ausbildung aller Pädagogen/-innen (Kindergarten, Schule, Erwachsenenbildung) auf tertiärem Niveau.
2. Neues Dienst- und Besoldungsrecht für neu eintretende Lehrkräfte: leistungs­gerechtes, bundesweit einheitliches Dienst- und Besoldungsrecht. Bessere Arbeitsbedingungen, mehr Anwesenheit.
3. Österreichweite Schulaufsicht: Stärkung der Autonomie, z. B. bei Lehrkräfte-Auswahl, Evaluierung und Qualitätsmanagement jedes einzelnen Schulstandortes.
4. Sprachförderung im Kindergarten: Voraussetzungen für den erfolgreichen Schul­eintritt schaffen: insbesondere ausreichende Deutschkenntnisse. Qualitätskriterien und ­Standards in Bundeskompetenz.
5. Ausbau Neue Mittelschule: quantitative Beschränkung des Schulversuchs nicht sinnvoll. Voraussetzungen für gemeinsame Schule der 10-14-Jährigen schaffen.
6. Ausbau ganztägige Schulangebote mit verstärkter Förderung: Fähigkeiten aller ­Kinder zur Entfaltung zu bringen. Kurzfristiges Ziel: eine Volksschule sowie eine Schule der Sekundarstufe I mit ganztägiger Betreuung pro Bezirk.
7. Überprüfung Grundkompetenz: Volle Unterstützung für schulexterne Überprüfung von Bildungsstandards in der 4. und 8. Schulstufe ab 2012. Auswertung soll aber ­flächendeckend auf individueller Ebene erfolgen.
8.  Kleinere Gruppen und Individualisierung: individuelle Förderung, Alternativen zur ­Fächerstruktur durch fächerverbindende, projektartige Unterrichtsformen und alternative Zeitorganisation.
9. Studienwahlberatung NEU und Bildungsweg- und Berufsorientierung: Bereits ­gesetzte Maßnahmen im Bereich Information, Beratung, Orientierung in der 7. und 8. Schulstufe werden begrüßt. Soll aber ausschließlich als verbindliche Übung ­angeboten werden.
10. Studienplatzbezogene Finanzierung der Universitäten und Hochschulplan: Ein ­gesamtösterreichischer Hochschulplan soll in Kooperation mit den Hochschulein­richtungen und den Sozialpartnern erstellt werden.
11. Hochschul-Qualitätssicherungsinitiative, externe Qualitätssicherung an Universitäten, Fachhochschulen und Privatuniversitäten: Das vorgesehene Mitentscheidungsrecht von VertreterInnen der Berufspraxis und das Nominierungsrecht der ­Sozialpartner werden begrüßt.
12. LLL-Strategie und Kofinanzierungsmodell für kostenloses Nachholen von Bildungs­abschlüssen. Vermittlung von New Skills für Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

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