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Wissen - für alle, für immer Erst mit der Aufklärung und Schritt für Schritt mit technischenErrungenschaften (Buch, TV, Radio, Web etc.) wurden Erkenntnisse und-Wissen massentauglich aufbereitet. Das Problem dabei: eine nicht zu bewältigende Menge an Wissen und die kurze Zeit.

Wissen - für alle, für immer

Schwerpunkt

Wir leben in einer Wissensgesellschaft. Das Internet spielt bei der Verteilung von Wissen eine sehr wichtige Rolle. Auch die Gewerkschaften nützen es.

Das Weltwissen verdoppelt sich etwa alle sechs Jahre schätzen ExpertInnen. Lebenslanges Lernen ist ein "Muss", nicht nur für intellektuelle Eliten. Es ist eine Herausforderung, all das zeitlich unterzubringen. Und die Medien locken auch mit trivialen Unterhaltungsangeboten, die mit Wissen wenig zu tun haben, aber den Alltag vergessen lassen. Dieses gigantische Angebot nimmt viel Zeit in Anspruch.

Massentaugliche Banalitäten

Wissen ist für den Menschen wichtig, es symbolisiert Freiheit, Wohlstand und Aufklärung. Die heutige sogenannte Wissensgesellschaft moderner Staaten ist relativ jung: Das Sammeln und Verbreiten von Wissen war historisch betrachtet meist nicht gerne gesehen. Erst mit der Aufklärung und Schritt für Schritt mit technischen Errungenschaften (Buch, Radio, TV, Web etc.) wurden Erkenntnisse und Wissen massentauglich aufbereitet. Das Problem: eine nicht zu bewältigende Menge an Wissen und die kurze Zeit. Daraus ergibt sich, dass oft nur Banalitäten Verbreitung finden, die zwar leicht erklärbar sind und auf den ersten Blick einleuchten - aber genauer betrachtet ein äußerst unvollständiges Bild zeigen.
Objektivität menschlicher Erkenntnis ist ohnehin relativ, da sie immer an einen historischen Kontext gebunden ist. Obwohl dies von verschiedenen Intellektuellen immer wieder in unterschiedlichen Worten zum Ausdruck gebracht wurde, ist unsere Gesellschaft dennoch scheinbar süchtig nach einer Objektivität, die nur illusorisch sein kann. Dieses Streben, nach Abbildungen korrekter Realität, kann nur als Annäherung an die Wirklichkeit verstanden werden. Abgesehen von historisch-philosophischen Ansätzen gibt es auch aus biologischer Sicht Argumente, die mit Objektivität ein Problem haben: In der Hirnforschung wird z. B. die Relativität von Erkenntnissen deutlich - Erfahrungen und Erkenntnisse werden konstruiert.

Verstand und Vorurteil

Diese kritischen Ansätze sind nicht als Kritik an einer Wissensgesellschaft zu verstehen, sondern vielmehr als Plädoyer für einen Blick auf das unausweichliche Zusammenwirken von Zeit und Wissen: Es gibt offensichtlich einen natürlichen Reflex, der veranlasst, dass neue Erkenntnisse als absolutes Wissen gehandelt werden. Trotz dem Erfahrungswert, dass sich alles irgendwann überholt. Le Rond d‘Alembert hat dazu etwas Interessantes gesagt: "Der Verstand hat seine Vorurteile, der Sinn seine Unzuverlässigkeit, das Gedächtnis seine Grenzen, die Einbildung ihr Zwielicht, das Werkzeug seine Unvollkommenheit. Die Erscheinungen sind unendlich, die Ursachen, die Formen vielleicht vergänglich. Gegenüber so vielen Hindernissen, die wir in uns selbst finden, die uns die Natur aber auch von außen her entgegensetzt, besitzen wir nur eine eingeschränkte Reflexion und langsame Erfahrung. Dies sind die Hebel, mit denen die Philosophie die Welt aus den Angeln heben will."

Aufklärung und Wissen

Gemeinsam mit Denis Diderot hat Le Rond D‘Alembert die "Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers" im 18. Jahrhundert herausgegeben. Der ursprüngliche Auftrag seitens des Verlegers war, die englische Cyclopedia zu übersetzen und die Vision weiterzuverfolgen, Wissen durch Querverweise eine neue Qualität zu geben. Die von etwa 140 Autoren (Enzyklopädisten) verfassten, etwa 60.000 Artikel waren in sich abgeschlossen und sollten durch ein Verweissystem das gesammelte Wissen in einen systematischen Zusammenhang bringen. Außerdem waren die 35 Bände mit detaillierten Illustrationen reich ausgestattet. Der Hintergrund war wohl, Themen zu vertiefen und Zensur zu hintergehen. Der Mensch wurde als gesellschaftliches Wesen anerkannt, das seine Erkenntnis in einem historischen Kontext generiert: So gehen Errungenschaften nicht von Einzelnen aus, da diese nur aufgrund der vorgefundenen, bestehenden Arbeitsmittel möglich waren - Erkenntnis wird demnach von einem kollektiven Bewusstsein geprägt. Die Enzyklopädisten wählten also einen weit gefassten, wissenschaftstheoretischen
Zugang.
Erkenntnisse, die nicht (schriftlich) festgehalten sind, vergehen in unserer Zeit sehr schnell. Schon vor Jahrtausenden gab es das menschliche Bedürfnis, Inhalte weiterzugeben. Das Überliefern funktionierte durchaus schon damals effizient - jedoch anders: So wurde beispielsweise der Buddhismus über viele Jahrhunderte ausschließlich mündlich weitergegeben. Für uns heute unfassbar, dass eine umfangreiche Philosophie auf diesem Wege die Jahrhunderte überstanden hat.

Wikipedia

Heute geht alles sehr viel schneller: Das wohl berühmteste Beispiel für Wissenssammlung und -distribution ist Wikipedia. Die weltweit umfangreichste Enzyklopädie umfasst in der deutschen Fassung heute über 1,170.100 Artikel. Wikipedia hat die größte traditionelle Enzyklopädie Brockhaus mit seinen über 300.000 Artikeln bereits im Jahr 2006 überholt. Das 2001 ins Leben gerufene Online-Lexikon, das von UserInnen mit Information gefüttert wird, erfreut sich großer Beliebtheit: Es rangiert auf Platz sieben der weltweit meist angesteuerten Webseiten. Die Einflusskraft ist also trotz der häufig geäußerten Kritik, dass die Qualität von Wikipedia aufgrund der Artikelentstehungsmodalitäten nicht gesichert sei, nicht abstreitbar. Wikipedia ist in der Realität ein selbstverständliches Rechercheinstrument zur alltäglichen Wissensgewinnung geworden.
Tatsächlich ist immer noch vielen RezipientInnen nicht bewusst, wie diese Artikel tatsächlich entstehen, und dass der Entstehungsmodus ein bestimmtes Potenzial an Manipulationsmöglichkeiten und Fehlerquellen birgt. Dennoch: Das System, dass jeder, der möchte, Beiträge in Wikipedia schreiben kann, funktioniert erstaunlich gut: In Vergleichsstudien mit traditionellen Enzyklopädien wurde eine geringfügig höhere Fehlerquote festgestellt, es konnte jedoch gleichzeitig festgestellt werden, dass das gute System von Querverweisen die Qualität von Wikipedia stark erhöht.

Wigbit

Dem Beispiel von Wikipedia folgend, gibt es seit 2010 auch ein umfangreiches Wiki für gewerkschaftliche Bildungsarbeit. In diesem umfangreichen Online-Nachschlagewerk stehen derzeit 527 Artikel frei zur Verfügung:

  • Recht und Wirtschaft
  • Soziale Kompetenz
  • Öffentlichkeitsarbeit
  • Spezielle Zielgruppen
  • Politik und Internationales

Die Vision zum Wigbit ist, eine Plattform für Wissenssolidarität zu kreieren: Hier sollen künftig InteressentInnen nicht nur gewerkschaftliche Bildungsinhalte abrufen können, sondern auch ihre - für die gewerkschaftliche Bildung interessanten - Inhalte zur Verfügung stellen können. Nachdem die Wigbit-Community derzeit für eine Selbstregulierung (wie bei Wikipedia) zu klein ist, müssen sich potenzielle Wigbit-AutorInnen registrieren bzw. anmelden, um Beiträge schreiben zu können.

Wikileaks

Wissensdistribution im Wandel der Zeit ist stark an ideologische Mechanismen gekoppelt - und die zentrale Frage dazu ist: Wie wird mit Verbreitung und Veröffentlichung umgegangen? In den vergangenen Monaten ist Wikileaks ein berühmt gewordenes Beispiel hierfür: Die Online-Plattform veröffentlicht - mehr oder weniger geheime - Dokumente. Die Idee der Betreiber ist, durch das Durchbrechen von geheimen Informationsflüssen die (verschwörerische) Arbeit bestimmter Regierungen oder Firmen zu behindern. Wikileaks bietet schon seit fünf Jahren die Möglichkeit, Unterlagen anonym an Wikileaks einzusenden und zu veröffentlichen. Wenn man beobachtet, wie stark das Thema Wikileaks die gesellschaftliche Meinung spaltet und emotionalisiert, ist klar: Auch heute
noch gibt es zutiefst ideologische Be­weggründe, wie mit Distribution von Informationen oder Wissen umgegangen wird. Auch in sogenannten Wissensgesellschaften.

Mehr Infos unter:
wigbit.voegb.at
Schreiben Sie Ihre Meinung
an die Autorin
elke.radhuber@oegb.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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