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Grau ist Trumpf? Ähnlich verhält es sich auch auf dem Arbeitsmarkt: Nur langsam spricht sich herum, dass ältere ArbeitnehmerInnen erstens oft nicht dem Klischee "demotiviert, langsam, innovationsfeindlich" entsprechen, und zweitens Lebenserfahrung auch ihren Wert hat.

Grau ist Trumpf?

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2010 lebten in der gesamten EU erstmals weniger 15- bis 20-Jährige als 60- bis 65-Jährige - und die Nachwuchslücke wird sich in Zukunft vergrößern.

Vierzig ist das neue Zwanzig - der coole Spruch mag vielleicht für Hollywood gelten und das Resultat von hohem Lebensstandard plus Errungenschaften moderner Medizin inklusive Schönheitschirurgie auf den Punkt bringen. Für den durchschnittlichen 45-Jährigen auf Jobsuche klingt er nach blankem Hohn. Ältere Arbeitssuchende (= 45plus) gelten derzeit noch als Zielgruppe mit besonderem Betreuungsbedarf. Das AMS bietet spezielle Broschüren an, laut Europäischem Sozialfonds (ESF) gelten Personen ab 45 Jahren als ältere Arbeitskräfte. Und tatsächlich lässt es sich nicht leugnen, dass etwa Abnützungserscheinungen in diesem Alter bei so gut wie allen Berufsgruppen häufiger werden. Branchenunabhängig bedeutet älter werden auch gewisse Einschränkungen. Körperliche Alterungsprozesse beginnen sogar meist schon um das Alter von 30 Jahren und können durch entsprechenden Lebensstil zwar etwas hinausgezögert, aber letztendlich nicht verhindert werden.

Opa und seine Maschin‘

Daran ändert auch die Tatsache nicht viel, dass die Generation 50plus in kein Schema mehr passt und von der Werbung als hippe, finanzkräftige und stetig wachsende Zielgruppe entdeckt wurde. Abseits von Treppenliften, Vitaminpillen & Co. leistet sich Opa vielleicht eine Harley, oder Oma wird mit 60 Model für "Golden Agers". Alte Denkmuster können sich verändern, Ältere Menschen haben schließlich nicht nur Defizite, sondern auch noch jede Menge Chancen und Potenzial.
Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: Wer nicht mit Spaß dabei ist, sondern hauptsächlich unter dem Druck steht, unter allen Umständen mit den Jüngeren mithalten zu müssen, der riskiert vielleicht seine Gesundheit. Ähnlich verhält es sich auch auf dem Arbeitsmarkt: Nur langsam spricht sich herum, dass ältere ArbeitnehmerInnen erstens oft nicht dem Klischee "demotiviert, langsam, innovationsfeindlich" entsprechen, und zweitens Lebenserfahrung auch ihren Wert hat. So gesehen ist der Jugendkult noch längst nicht vorbei.
Doch die grauen Panther sind auf dem Vormarsch, auch in Österreich hat die Alterspyramide schon längst ihre Form verloren. 2030 wird vermutlich jeder/jede dritte ÖsterreicherIn über 60 Jahre alt sein.
In Kombination mit der Anhebung des Pensionsantrittsalters ab 2014 wird der Anteil älterer Arbeitskräfte in Zukunft steigen. Angesichts dieser Zahlen und dem Ziel des ESF, 75 Prozent der 20- bis 64-jährigen ArbeitnehmerInnen in Beschäftigung zu halten, ist zu erwarten, dass der Anteil der älteren ArbeitnehmerInnen steigen wird.

Älter macht besser

2009 lag Österreich mit einer Beschäftigungsquote von 41 Prozent bei den 55- bis 64-Jährigen deutlich unter dem
EU-Durchschnitt (Schweden: 70 Prozent). In Zukunft werden mehr alternsgerechte Arbeitsplätze nötig sein, die es den Menschen ermöglichen, bis zum Pensionsantritt gesund und leistungsfähig zu bleiben.
Über den ESF fördert die EU gezielt Qualifizierungsmaßnahmen für ältere Arbeitskräfte, für österreichische Projekte wurden 472 Mio. Euro für den Zeitraum 2007 bis 2013 zur Verfügung gestellt. Unter dem Motto "Älter macht besser" wurde dieser Betrag von Österreich um weitere 600 Mio. Euro ergänzt.
Nachweislich profitieren auch die Unternehmen von der Unterschiedlichkeit ihrer MitarbeiterInnen, das gilt auch für die Altersstruktur. Entsprechende Veränderungen im Betrieb sollten vorausschauend und langfristig angesetzt werden. Dabei gibt es drei wichtige Schwerpunkte bzw. Handlungsfelder:

  • Gesundheits- und Arbeitsbedingungen: ArbeitnehmerInnenschutz, Gesundheitsförderung, vorausschauende Vermeidung von Gesundheitsrisiken, korrektive Arbeitsgestaltung,
  • Individuelle Fähigkeiten und Ressourcen: Rücksicht auf die Zunahme individueller Leistungsunterschiede im Laufe der Erwerbstätigkeit; mangelnde Weiterbildung bzw. Einbindung in Reformprozesse führen nicht nur dazu, dass die Kenntnisse der Älteren einseitig werden, sondern auch dazu, dass diese das Lernen verlernen.
  • Persönliche Einstellung und Unternehmenskultur: Wie verhält sich der junge Chef gegenüber älteren MitarbeiterInnen? Werden die Vorschläge und Ideen älterer ArbeitskollegInnen ernst genommen?

Lebenslang lernfähig

Beim Jahressymposium 2010 der Österreichischen Plattform für interdisziplinäre Alternsfragen (ÖPIA) erklärte Univ.-Prof. Dr. Gerald Hüther, Leiter der Zentralstelle für Neurobiologische Präventionsforschung der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen und des Public Health Instituts der Universität Mannheim/Heidelberg: "Das Gehirn ist wesentlich plastischer und veränderbarer als bisher angenommen. Bis ins hohe Alter können neue Vernetzungen und Verknüpfungen aufgebaut werden. Allerdings müssen dabei auch die emotionalen Zentren im Gehirn aktiviert werden."
Als eines der ersten Unternehmen in Österreich hat die voestalpine schon vor mehreren Jahren mit dem Projekt LIFE ein umfassendes Programm zur bestmöglichen Entwicklung sämtlicher ArbeitnehmerInnen aller Altersgruppen begonnen. In Zusammenhang damit befragte Simone Reischl 2006 für ihre Diplomarbeit1 zum Thema ältere Arbeitskräfte 130 männliche Voest-Mitarbeiter zwischen 30 und 60, die zum Teil auch Schichtarbeit leisteten. Sie zeigte, dass es etwa punkto Motivation keine großen Unterschiede gibt: Quer durch alle Altersgruppen meinten 90 Prozent der Befragten, dass Selbstständigkeit eine sehr hohe Bedeutung für sie hat, gefolgt von einem guten Arbeitsergebnis und dem Verhältnis zu Kollegen. Deutlich wurde aber auch, dass bei Älteren die Angst um den Arbeitsplatz deutlich größer ist und teilweise enormen Stress auslöst.
Schon die innerbetriebliche Thematisierung der Notwendigkeit alternsgerechter Arbeitsplätze kann für die Problematik entsprechendes Bewusstsein schaffen und erste Veränderungsprozesse in Gang setzen. Die Sozialpartner betonen in ihrem gemeinsamen Positionspapier "Arbeit und Alter", dass etwa "die positive Einstellung der Führungskraft gegenüber älteren Arbeitskräften einen doppelt so starken Einfluss auf deren Arbeitsfähigkeit hat wie gesundes Freizeitverhalten."

Nestor in Gold

Im Februar 2010 wurde erstmals das Gütesiegel "Nestor Gold" an Unternehmen verliehen, die die Potenziale und Bedürfnisse ihrer älteren MitarbeiterInnen sowie den Dialog zwischen den Generationen fördern und sich einem speziellen Zertifizierungsprozess unterzogen haben. Das Siegel wurde vom Bundesministerium  für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, den Sozialpartnern und dem AMS entwickelt. Preisträger waren das Geriatriezentrum Favoriten des Wiener Krankenanstaltenverbundes, das Busunternehmen Sabtours und die Sonnentor Kräuterhandels GmbH:
Das Projekt "Generationenbalance" wurde Ende 2008 im Sozialmedizinischen Zentrum Süd mit Info-Workshops für die MitarbeiterInnen gestartet. Die anschließende Befragung ergab, dass fast alle MitarbeiterInnen die psychischen Belastungen stärker empfinden als die körperlichen. Hier wird in Zukunft mehr Unterstützung angeboten. Außerdem wurde ein Mentoring-System eingeführt, bei dem ältere Arbeitskräfte die jüngeren unterstützen.
Bei Sabtours zeigte die Altersstrukturanalyse, dass mehr als 40 Prozent der BusfahrerInnen über 50 sind. Das Programm "Busfahren - ein Lebensberuf" bestand dann aus mehreren Bausteinen: einer Steuerungsgruppe mit VertreterInnen aus Geschäftsleitung, Krankenkasse, Belegschaftsvertretung etc., Bestandsaufnahme durch eine anonyme MitarbeiterInnenbefragung und Krankenstandsanalyse, wertschätzender Erfahrungsaustausch mit gesunden und gesundeten MitarbeiterInnen usw. Ergebnis waren mehr als 50 Arbeitsverbesserungsmaßnahmen, wie etwa eine alterssensible Dienstplangestaltung.
Sonnentor bietet seinen Angestellten unter anderem individuelle Arbeitszeitmodelle, eine Adaptierung der Arbeitsplätze nach alternsgerechten Kriterien sowie regelmäßige MitarbeiterInnengespräche und Befragungen. Die nächste Verleihung des Gütesiegels findet 2012 statt.

Mehr Infos unter:
www.arbeitundalter.at
www.nestor.at
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aw@oegb.at

1 Simone Reischl: Herausforderung 50plus, Altersbedingte Veränderungen der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft im Wirtschaftsbetrieb aus der Perspektive der Personalwirtschaft; Diplomarbeit FH Steyr.

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