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Aktuelle Ergebnisse zu den Arbeitsbedingungnen in der EU-15, 2010
Aktuelle Ergebnisse zu den Arbeitsbedingungnen in Österreich, 2010

Arbeitszeit im EU-Vergleich

Schwerpunkt

Die "Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen" ("Eurofound") hat Ende 2010 eine Erhebung zum Thema Arbeitszeit veröffentlicht.

Die "Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen" (engl. "Eurofound") mit dem Sitz in Dublin, ist eine Einrichtung der EU, die bereits 1975 gegründet wurde. Eine der Aufgaben des Eurofound besteht darin, durch Grundlagenarbeit wie z. B. europaweite Erhebungen und Befragungen einen fachlichen Beitrag für die Politikberatung bzw. die konkrete Gestaltung besserer Lebens- und Arbeitsbedingungen in Europa zu leisten.
Seit 1990 werden deshalb in regelmäßigen Abständen (cirka alle fünf Jahre) Befragungen der ArbeitnehmerInnen in Europa (nicht nur in EU-Mitgliedsstaaten) durchgeführt. Die vorläufigen Ergebnisse der aktuellsten Erhebung, bei der im 1. Halbjahr 2010 europaweit rund 44.000 ArbeitnehmerInnen interviewt wurden, sind Ende des Jahres 2010 erstmals vorgestellt worden. Im Folgenden werden einige vergleichbare Ergebnisse zum Thema "Arbeitszeit" - als ein wichtiges Merkmal für die Arbeitsbedingungen und Lebensqualität - präsentiert. In der Erhebung 2010 wurden insgesamt elf Fragen zum Thema "Arbeitszeit" gestellt.

"Arbeitszeit" - EU-weite Trends

  • Sinkende Wochenarbeitszeit:
    Betrug die durchschnittliche Wochenarbeitszeit 1991 in den EU-12 noch 40,5 Std., so ist sie 2010 auf 37,5 (EU-27) bzw. 36,4 Std. (EU-12) gesunken. Auch der Anteil der Beschäftigten, der mehr als 48 Std./Woche arbeitet, ist seit dem Jahr 2000 von 15 Prozent auf 12 Prozent (2010) gesunken. Für den Rückgang der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit werden u. a. zwei Gründe angeführt: eine Zunahme der Teilzeitbeschäftigung (v. a. von Frauen), aber auch "krisenbedingte" Kurzarbeitsmodelle.
  • 40-Stunden-Woche als Standard:
    Auch wenn der Anteil der Personen in Europa, die zw. 39 und 41 Std. pro Woche arbeiten, seit Beginn der 1990er-Jahre leicht abnimmt, so arbeiten dennoch rund 30 Prozent der ArbeitnehmerInnen (EU-12) - vereinfacht dargestellt - in einem 40-Stunden-Arbeitsverhältnis/Woche. Mehr als die Hälfte der ArbeitnehmerInnen arbeiten zwischen 35 und 41 Std, pro Woche!
  • "Planbarkeit" der Arbeit sinkt:
    In den vergangenen zehn Jahren sind strukturelle Veränderungen hinsichtlich der "Planbarkeit" der Arbeit feststellbar. Auf die Frage, ob die Arbeitszeiten der befragten Personen hinsichtlich Beginn und Ende eines Arbeitstages "fest" sind, können nur noch 61 Prozent (2000: 65 Prozent) der Befragten mit "Ja" antworten. Dies belegt eindeutig, dass die Anforderungen an das individuelle Zeitmanagement - auch im Kontext von Betreuungspflichten im familiären Umfeld - gestiegen sind. 
  •  Nacht-, Schicht- und Wochenendarbeit nehmen ab:
    2010 arbeitete rund ein Viertel der europäischen ArbeitnehmerInnen (2010: 26 Prozent; 1995: 30 Prozent), zumindest an einem Sonntag im Monat, 18 Prozent, und damit weniger Personen als in den vorangegangenen Erhebungen, in der Nacht und 17 Prozent in einem Schichtmodell (2000: 20 Prozent).
  • Genderunterschiede:
    Im Durchschnitt arbeiten Männer nach wie vor rund sieben bezahlte (!) Arbeitsstunden mehr als Frauen. Männer in den EU-15 arbeiten dabei im Durchschnitt beinahe 40, Frauen etwas mehr als 32 Std. Frauen arbeiten generell u. a. mehr Teilzeit, weniger (bezahlt!) in der Nacht und an Samstagen als Männer. Die ungleiche - und damit oft "unfaire" - Verteilung der Haushalts- und Betreuungsarbeit zwischen Frauen und Männern schlägt sich oft in den konkreten Arbeitszeit-Arrangements nieder - v. a. in höherer Teilzeitbeschäftigung der Frauen bzw. in einem überwiegend konstanten bzw. "vorhersehbaren" Arbeitszeitmuster der Frauen.

Arbeitssituation in Österreich

Die durchschnittliche Arbeitszeit in Österreich, die sich aus den Befragungen im Zuge der aktuellen Erhebung zu den Arbeitsbedingungen in der EU (1. Halbjahr 2010) ergibt, beträgt bei Männern 40,5 und bei Frauen 30,2 Std. pro Woche. Diese Werte basieren auf repräsentativen Interviews von etwa 1.000 ArbeitnehmerInnen in Österreich.

  • Meistens "durchschnittlich":
    Beim Vergleich der Ergebnisse für Österreich mit den anderen EU-Ländern fällt bei den einzelnen Antworten zu den Fragen auf, dass Österreich meistens bei der Gesamtbetrachtung nahe am europäischen Durchschnitt (EU-15) liegt. Die Abweichungen bei sechs von elf Fragen liegen innerhalb von fünf Prozentpunkten. Dies betrifft u. a. die Bereiche der Wochenarbeitszeit, Nacht-, Abend- und Schichtarbeit.
  • Flexibler als andere und anders:
    Auffällig bei der Analyse der Arbeitsbedingungen der ArbeitnehmerInnen in Österreich ist, dass den ArbeitnehmerInnen eine sehr hohe "Flexibilität" abverlangt wird. Dies lässt sich u. a. damit veranschaulichen, dass der Anteil der Beschäftigten, die im selben Stundenausmaß - pro Woche oder pro Tag - arbeiten, deutlich niedriger liegt als im europäischen Durchschnitt. Auch die "festen" Beginn- und Endzeiten der Arbeit sind in Österreich "unüblicher" als in den europäischen Vergleichsländern der EU-15. Auch der Gender-Unterschied im Bereich der überlangen Arbeitszeiten sticht ins Auge. (siehe Grafiken)
  • Wunsch Arbeitszeitverkürzung:
    Ein weiterer interessanter Befund ist die Tatsache, dass rund 30 Prozent der Männer und knapp 24 Prozent der Frauen lieber weniger arbeiten würden, aber auch, dass fast 2/3 der ArbeitnehmerInnen in Österreich - sofern sie frei wählen könnten - ihren Arbeitsumfang gleich hoch halten würden. Diese Aussagen sind in mehrfacher Hinsicht interessant: Ers­tens ist diese hohe Übereinstimmung der "Wunscharbeitszeit" mit der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit der zweithöchste Wert in den EU-27, zweitens bringt dieser Wert aber auch zum Ausdruck, dass das restliche Drittel der ArbeitnehmerInnen andere Präferenzen hinsichtlich des Arbeitsumfangs hätte.

Bei der Interpretation der hohen "Zufriedenheit" mit der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit ist Vorsicht geboten. In vielen Fällen (insbesondere bei Frauen mit familiären Betreuungspflichten) dürfte sich die Zufriedenheit eher auf die "persönliche Anpassungsfähigkeit" als auf die (strukturellen) Gegebenheiten beziehen. Diese Relativierung ist angesichts der bestehenden Defizite in Österreich sehr naheliegend: ungleiche Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit, fehlende flächendeckende Versorgung mit einem qualitativ hohen (Ganztages-)Angebot an sozialen Dienstleistungen wie Kinderbetreuung, Schule oder Pflege - wesentliche Voraussetzungen für die (faire) Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Resümee

Auch 2010 haben die ArbeitnehmerInnen ihre Anpassungs- und Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich bestätigt. Forderungen nach einer weiteren Flexibilisierung im Sinne der ArbeitgeberInnen-Interessen sind demnach abzulehnen. Der aktuelle Abstand zu den anderen EU-Ländern würde sich noch zusätzlich vergrößern. Eine Konvergenz der Arbeitszeiten zwischen Männern und Frauen scheint für die Menschen ebenfalls wünschenswert zu sein, in der Form: kürzere Arbeitszeiten für Männer, längere Arbeitszeiten für Frauen! Wäre nicht eine "kurze Vollzeit"-Beschäftigung für beide Gruppen ein eleganter Ausweg? Auch der Blick über die Landesgrenzen hinsichtlich innovativer Lebensarbeitszeitmodelle erscheint lohnend!

Mehr Info unter:
tinyurl.com/5sx2duz
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