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Die stillste Zeit im Jahr? Zusätzlich ist die Musikberieselung durch Weihnachtslieder penetrant, die Effekte können zu einer gewissen Abstumpfung führen, oder auch zu einer »Allergie« gegenüber der Weihnachtsmusik, die dann das private Weihnachtsfest überschatten kann.

Die stillste Zeit im Jahr?

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An Handelsangestellte stellt die Weihnachtszeit besondere Ansprüche. Sie müssen nicht nur mit hektischer Kundschaft, sondern auch mit Musikberieselung fertig werden.

Der Handel gehört zu den größten Arbeitgebern in Österreich. Die Branche ist oft der Einstieg in den Arbeitsmarkt, die Bedingungen werden allerdings immer härter. So wird Teilzeit und geringfügige Beschäftigung für immer mehr Beschäftigte, insbesondere für Frauen zum Normalzustand. Für viele Beschäftigte reicht das Einkommen kaum, um ohne zusätzliche Mittel ein Auskommen zu finden. Die Arbeitszeiten liegen vermehrt an den Wochenenden. Und die Unsicherheit, den Arbeitsplatz behalten zu können, ist in einer Branche, in der die Beschäftigten als schnell ersetzbar gelten, im Steigen begriffen.

Keine Krise im Handel

»Der Handel hatte keine Krise!« Diese provokante These stellt Manfred Wolf von der GPA-djp auf. Diese Aussage bezieht sich natürlich nur auf den Einzelhandel, der industrienahe Großhandel war sehr wohl betroffen, da kam es auch zu Kurzarbeit. »Aber an sich kann festgestellt werden, dass der Handel ein stabiler Arbeitgeber ist. Dies verdankt er nicht zuletzt der kontinuierlichen Arbeitsmarktpolitik, die AK und ÖGB betreiben zum Beispiel mit der Lohnsteuerreform. In hohem Ausmaß liegt die stabile Situation auch darin begründet, dass es trotz Krisengeredes keine Kaufzurückhaltung in der Bevölkerung gegeben hat, und dadurch die Umsätze auf hohem Niveau geblieben sind«, so Wolf.
Nun kommt auf die Handelsangestellten die vielleicht anstrengendste Zeit des Jahres zu, die Weihnachtszeit. Die Einkaufshektik in der Bevölkerung nimmt zu, vielfach kann schon von Kaufrausch gesprochen werden. Dadurch entsteht eine aggressive Grundstimmung, die die Entstehung von Konfliktsituationen im Verkauf fördern kann. Zusätzlich ist die Musikberieselung durch Weihnachtslieder penetrant, die Effekte können zu einer gewissen Abstumpfung führen, oder auch zu einer »Allergie« gegenüber der Weihnachtsmusik, die dann das private Weihnachtsfest überschatten kann und das Weihnachtserlebnis in der Familie trübt.
Im Jahr 2009 wurde, um auf diese Problematik österreichweit aufmerksam zu machen, von Linz09, ÖGB, GPA-djp und der Katholischen Kirche OÖ im Rahmen der Kampagne »Beschallungsfrei - Gegen Zwangsbeschallung« die Auszeichnung »Zwangsbeschaller 2009« an eine Modekette vergeben.
All die erwähnten Vorkommnisse können zu psychischen Problemen, wie zum Beispiel Burn-out und Schlafstörungen, führen. Obwohl diese im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz geregelt sind, ist es oft noch so, dass psychischer Stress sowohl von ArbeitgeberInnen als auch ArbeitnehmerInnen nicht richtig ernst genommen wird, im Gegensatz zu Schäden physischer Natur durch vermehrtes Heben und Tragen.
Ein weiterer Stressfaktor ist die subjektiv sehr stark wahrgenommene Arbeitsplatzunsicherheit. Laut einer Studie im Auftrag der AK ist die subjektive Arbeitsplatzsicherheit im Einzelhandel im vergangenen Jahrzehnt gefallen. Der Anteil derer, die sich ihres Arbeitsplatzes nicht sicher sind, ist von zwölf auf 20 Prozent gestiegen, während die vergleichbaren Anteile in den anderen Branchen stabil sind. Frauen und insbesondere Teilzeitbeschäftigte empfinden sich als wesentlich leichter ersetzbar. Von den Teilzeitbeschäftigten hält etwa ein Viertel die eigene Stelle für ziemlich unsicher. Auch Personen mit Migrationshintergrund haben in gleichem Ausmaß wie die Teilzeitbeschäftigten Angst, dass ihr Arbeitsplatz nicht sicher sein könnte. Einzelhandelsbeschäftigte mit Migrationshintergrund stoßen zusätzlich rascher an eine gläserne Decke, die ihnen einen weiteren Aufstieg verwehrt.

Angst vor Arbeitsplatzverlust

Die Einzelhandelsbeschäftigten schätzen ihre theoretischen Arbeitsmarktchancen in anderen Branchen und Berufen nur etwas niedriger ein als Beschäftigte anderer Branchen. Besonders geringe Chancen, wieder einen adäquaten Arbeitsplatz finden zu können, rechnen sich die weiblichen Beschäftigten und solche in Teilzeitbeschäftigung aus: von Letzteren meinen 59 Prozent, dass sie nur schwer eine annehmbare Stelle finden könnten.
Die Situation ist zwar noch nicht so extrem, wie man es aus den USA kennt, Stichwort »Hire & Fire«, doch das hindert Betroffene nicht daran, sich selbst als von Kündigung bedroht und zum Schweigen zu ungerechten Situationen verpflichtet wahrzunehmen. »Es ist ein großes Problem«, sagt Manfred Wolf, »dass man glaubt, dass es was nützt, wenn man schweigt. Ansprüche verfallen, wenn nix gemacht wird, und im Kollektivvertrag steht, dass die ArbeitgeberInnen auf die Lebensumstände der ArbeitnehmerInnen achtgeben müssen. Das bedeutet, dass man nicht jede Krot schlucken muss! So ist die Rechtsordnung in Österreich: Man muss auf seine Rechte pochen. Es gibt Betriebsräte, an die man sich wenden kann, und die Gewerkschaft und die AK unterstützen alle ArbeitnehmerInnen, die sich gegen Ungerechtigkeit auflehnen. Aber den ersten Schritt tun muss man selbst!«

Unterschrift ist 100 Euro wert

Das oberste Gebot ist, beweissichernd zu handeln, ein Arbeitstagebuch zu führen, die Gespräche mit den Vorgesetzten zumindest stichwortartig aufzuzeichnen und nichts zu unterschreiben, was nicht zu 100 Prozent stimmt. »Ich sage immer bei Beratungsgesprächen: Die eigene Unterschrift ist 100 Euro wert, also vorsichtig umgehen damit, und vor Entscheidungen bei der Gewerkschaft nachfragen«, schmunzelt Wolf. Weiters empfiehlt es sich, mit den KollegInnen zu reden, gemeinsam zu handeln und Solidarität am Arbeitsplatz zu leben.
Ein weiteres großes Problem besteht in der unterdurchschnittlichen Bezahlung im Handel. Handelsangestellte verdienen laut AK-Studie im Durchschnitt monatlich netto 980 Euro, Männer 1.330 Euro und Frauen lediglich 890 Euro, was auch mit deren hohen Teilzeitquote zusammenhängt. Teilzeitbeschäftigte Frauen verdienen im Durchschnitt nur 770 Euro. Damit gehört der Handel zu jenen Branchen mit niedrigen Löhnen in Österreich.
Während 64 Prozent der Beschäftigten in den anderen Branchen mit ihrem Einkommen ziemlich zufrieden sind, beträgt der entsprechende Anteil laut AK-Studie im Einzelhandel nur 51 Prozent, bei jenen in Teilzeit 45 und bei Einzelhandelsbeschäftigten mit Migrationshintergrund ebenfalls lediglich 51 Prozent.
Die geringeren Einkommen im Handel bedingen auch größere Sorgen der Handelsangestellten in Bezug auf ihre Altersversorgung und einen hohen Prozentsatz an Beschäftigten, die angeben, mit ihrem Erwerbseinkommen nicht auszukommen. Während knapp ein Viertel der ArbeitnehmerInnen in den sonstigen Branchen befürchtet, dass die aus der Berufstätigkeit resultierende Altersversorgung in Zukunft nicht reichen werde, beträgt der entsprechende Anteil bei den Einzelhandelsbeschäftigten mehr als ein Drittel - mit einem deutlichen Aufwärtstrend von plus neun Prozentpunkten.
Von den Frauen gehen 35 Prozent davon aus, mit der eigenen Alterspension nicht auskommen zu können, in den größeren Betrieben ab 100 Beschäftigten ist die Altersversorgung sogar für 39 Prozent äußerst prekär.
Während rund zwei Drittel der ArbeitnehmerInnen aus anderen Branchen mit ihrem Erwerbseinkommen das Auslangen finden, sind knapp die Hälfte (44 Prozent) der Einzelhandelsbeschäftigten auf regelmäßige finanzielle Unterstützungen, sei es durch EhepartnerInnen, Lebensgefährten/-innen oder durch Eltern, Verwandte oder öffentliche Transferleistungen angewiesen.

Handel vom Konzern bis zur Trafik

Wegen der heterogenen Situation im Handel, Stichwort »alles vom multinationalen Konzern bis zum Trafikanten«, ist es nicht einfach, die Kollektivvertragsverhandlungen zu führen, doch hat sich die Gewerkschaft entschlossen, die 1.300 Euro Mindestlohn im Handel durchzusetzen. »Wir haben eine große Umfrage gemacht, dabei kam heraus, dass die Leute das wollen. De facto handelt es sich um 37 Euro Erhöhung für die niedrigsten Löhne, das muss drinnen sein in einer Branche, der es wirklich gut geht. Es ist ja nicht so, dass dies unmäßige Forderungen wären«, sagt Manfred Wolf. Und er ergänzt: »Wir lassen uns nicht auf 2020 vertrösten, denn bis dahin könnte der Mindestlohn auch schon 1.500 Euro sein.«

Weblink
Mehr Infos unter:
tinyurl.com/39jb8fa

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