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Ist Arbeit ein aussterbender Wert? RedakteurInnen, die heute noch mit einem Kameramann und Assistenten ausrücken sind in der Minderzahl: Gerade bei privaten Sendern rücken die jungen KollegInnen als One-Man-Show aus.

Ist Arbeit ein aussterbender Wert?

Schwerpunkt

Auf der einen Seite verschwinden immer mehr Berufe. Auf der anderen findet etwas statt, was sich neudeutsch »Jobenrichment« nennt.

Vor rund zwanzig Jahren gab es sie noch: die Drucker, Setzer und Metteure. Gar nicht zu reden von KorrektorInnen, diesen Menschen mit dem untrüglichen Sinn für Rechtschreibung und Interpunktion. Jeder für sich Experte mit einem gerüttelt Maß an Fachwissen und einer klar umrissenen Aufgabe. Um eine Zeitung zum Erscheinen zu bringen, waren auch noch GrafikerInnen, ArchivarInnen und oftmals ReprotechnikerInnen am Werk. Dann hielt der Computer Einzug in die Redaktionsstuben, und es dauerte nicht lange, da wurde den RedakteurInnen ein Aufgabengebiet nach dem anderen »angedient«. Das Fehlen der Metteure fiel den LeserInnen nicht auf, dass die KorrektorInnen wegrationalisiert wurden und durch mehr oder weniger gute Rechtschreibprogramme ersetzt, blieb nur wenigen verborgen, machten doch auch Qualitätszeitungen ab diesem Zeitpunkt manchmal mit haarsträubenden Rechtschreibfehlern auf Seite eins auf.

Ausrücken als One-Man-Show

Auch im Fernsehen hat sich eine ähnliche Entwicklung breit gemacht. Waren vor einigen Jahren bei Pressekonferenzen Tonleute, Kameraleute und Personal für Licht sowie AssistentInnen für diese Fachkräfte unterwegs, schrumpften die Teams teils durch Spardruck, teils durch die Miniaturisierung der Geräte drastisch. RedakteurInnen, die heute noch mit einem Kameramann und Assistenten ausrücken sind in der Minderzahl: Gerade bei privaten Sendern rücken die jungen KollegInnen als One-Man-Show aus. Der Einzug der Computer und die rasante Entwicklung der technischen Geräte hat im Medienbereich ganze Berufsgruppen zum Verschwinden gebracht und eine Reihe an Tätigkeiten an die RedakteurInnen weitergegeben.
Das ist jetzt in mancher Hinsicht ein Vorteil: Im Internet recherchieren zu können, die Artikel in den Computer zu tippen, anstatt mühsam auf mechanische Schreibmaschinen zu klopfen, ist ein Gewinn. Dass die qualifizierte Arbeit der ArchivarInnen und somit die Bildbeschaffung auch oftmals an die RedakteurInnen delegiert wurde, hebt die Qualität des verwendeten Bildmaterials nur in Einzelfällen. Und der Verzicht auf die KorrektorInnen, trieb schon in manchem Medium wahrhaft skurrile Blüten. Die Verantwortung wuchs, der Lohn blieb gleich.Wo früher Hunderte Menschen am Erscheinen einer Zeitung arbeiteten, werkelt jetzt oft eine kleine Truppe von PraktikantInnen mit einigen wenigen erfahrenen KollegInnen und produziert Titel quasi im Alleingang.

Nicht ohne CAD-Ausbildung

Aber auch in anderen Berufen hat sich in den letzten zehn Jahren Gewaltiges geändert. In der Metallbearbeitung geht kaum mehr etwas ohne CAD-Ausbildung, und die klassischen Berufe Bau- und Kunstschlosser gibt es in dieser Form nicht mehr. Dafür müssen angehende MetallbearbeiterInnen bis zu 150 verschiedene Legierungen kennen und mit ebenso vielen Schweißtechniken arbeiten können. Eine völlig neue Ausbildungsverordnung versucht, die veränderte Berufswelt abzubilden, so Roland Löffler, BA, Projektleiter des Österreichischen Instituts für Berufsbildungsforschung (ÖIBF): »Man geht jetzt dazu über, Berufsfelder zu definieren und anschließend Module anzubieten: Wo es früher eigene Ausbildungen für Fahrzeugbau, Blechtechnik, Schmiedetechnik und Spannungstechnik gab, werden jetzt Modulausbildungen angeboten. Eine Entwicklung macht sich breit: Ein gelernter Beruf allein reicht heute nicht mehr.« Der Vorteil sei, so Löffler, dass Lehrlinge die verschiedenen Berufe mit einer Prüfung abschließen können: »Früher musste man mehrere Lehrabschlussprüfungen machen.«
Wer heute im Textilbereich arbeiten will, der hat nicht mehr die Wahl zwischen mehr als zehn verschiedenen Berufen, es sei denn, er oder sie strebt eine Karriere im Theater an: Dort werden ModistInnen, WeißnäherInnen, MiedererzeugerInnen etc. heftig nachgefragt und beschäftigt. Im täglichen Leben und bei unserer Art des Konsums haben wir diese Tätigkeiten nach China und Bangladesh ausgelagert und vom Gewerbe in die Industrie verschoben. Ob das der Umwelt gut tut steht auf einem anderen Blatt, es führt aber zweifellos dazu, dass unzählige Arbeitsplätze bei uns verschwunden sind. In den technisch dominierten Berufen sowie in manchen Dienstleistungsberufen findet gewissermaßen eine Gegenbewegung statt: Jobenrichment. Klingt gut, ist es aber nur, wenn es von verschiedenen begleitenden Maßnahmen flankiert wird. Unterbleibt das, passiert es, dass unter dem großartigen Namen »Jobenrichment« einfach überbleibt: mehr Verantwortung, mehr Stress, mehr Arbeit bei gleich bleibendem Lohn.

Vom Handwerk zur Industrie

So mussten TischlerInnen früher vor allem handwerklich geschickt und genau sein. Heute hat sich die Tischlerei - von künstlerischer und restauratorischer abgesehen - stark in den Industriebereich verlagert. Dort werden neben den klassischen Fertigkeiten der Holzbearbeitung, vor allem Fähigkeiten im Bereich der industriellen Produktion - Produktionsplanung und Logistik - nachgefragt. Die Tischlerei hat sich in unseren Breiten stark vom handwerklichen Gewerbe weg, hin zur Industrie verändert, was auf der einen Seite ganzheitliches Arbeiten an einem Werkstück als anachronistischen Einzelfall erscheinen, und andererseits den Seriencharakter in der Industrie zum Regelfall werden lässt.
Vor dieser Entwicklung, die vor allem auf die Einführung des Computers zurückzuführen ist, sind aber schon Hunderte von hochspezialisierten Berufen »verschwunden« - teils weil die Produkte oder Dienstleistungen, die sie anboten, nicht mehr nachgefragt waren. So verschwanden Barettmacher, Fallmeister und Landkartenmaler -, oder weil ihre Berufe in anderen Berufsbildern aufgegangen waren bzw. zur Industrie abgewandert sind: Auch heute wird auch noch Glas gemacht, aber gelernte Glasmacher finden sich bestenfalls noch in Murano, und obwohl wir wahrscheinlich weit mehr Seife als unsere Vorfahren verwenden, kommt der Seifensieder als Lehrberuf hierzulande kaum mehr vor.
Die Berufswelt ist wie unsere gesamte Umwelt einem steten Wandel unterworfen. Viele Lehrberufe werden nur noch sehr selten ausgebildet und nachgefragt. Worauf es zu achten gilt, sind die Bedingungen unter denen Arbeit verrichtet wird.

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