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Die Großen fressen die Kleinen Daneben lässt sich Landwirtschaft in Österreich beinahe steuerfrei betreiben. 97 Prozent der Bauern zahlen keine Einkommensteuer.

Die Großen fressen die Kleinen

Schwerpunkt

Immer mehr kleine Bauern geben auf und die Großen werden immer größer. Daran ist auch das ungerechte Agrar-Fördersystem schuld.

Hart und beschwerlich ist des Bauern Arbeit. Vor Sonnenaufgang quält er sich aus den Federn, melkt Kühe, müht sich den ganzen Tag mit der Arbeit am Felde und im Stall. Doch seine mit Schweiß erarbeitete Ernte lohnt heute kaum. Trotzdem hegt und pflegt er unsere Heimat. Urlaub kennt er nur vom Hörensagen. So ist es nur gerecht, dass dieser Berufsstand gefördert wird. Zu gerne argumentieren Agrarfunktionäre mit dem Bild der kleinen Bauern, wenn darüber diskutiert wird. Das »Schwarzbuch Landwirtschaft« weist dagegen nach, dass die Agrarförderungen nicht bei den zur Schau gestellten Kleinbauern, sondern bei Großbauern, der Industrie und Agrarfunktionären landen.

Schwarzbuch Landwirtschaft

Autor Hans Weiss hat akribisch im Agrarsektor recherchiert. Seit den Achtzigerjahren, als Weiss gemeinsam mit anderen den Bestseller »Bittere Pillen« verfasste, ist er es gewohnt, Pfründe zu hinterfragen, im aktuellen Buch die Heilige Kuh Agrarförderung.
»Unter den zehn reichsten ÖsterreicherInnen sind sechs Bauern«, ortet Weiss. Freilich, die hoch Begüterten sind nicht ausschließlich Bauern, sie schmücken bloß gerne ihr Besitzportfolio mit einer oder mehreren Landwirtschaften. In der österreichischen Transparenzdatenbank fanden sich daher eine Reihe illustrer Namen - vom Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz bis zum ehemaligen Magna-Vorstand Siegfried Wolf, von Ex-VW-Vorstand Bernd Pischetsrieder bis zu Hans Michael Piëch und Wolfgang Porsche (Nachfahren des Autobauers Ferdinand Porsche). Nicht zu vergessen Lebemann Julius Meinl V. und Waffenlobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly. Weiters gehören der Papierindustrielle Alfred Heinzel, die Privatstiftungen der Familien von Liechtenstein und Flick dazu. Sie alle bekommen öffentliche Agrarförderungen!

Stabiles Einkommen für die Dichands

Wie diese Förderpolitik funktioniert, zeigt sich etwa am Csardahof im burgenländischen Pama. 2009 wurde er mit 130.695 Euro gefördert. Belohnt wird er dabei etwa für Begrünung der Ackerfläche, für vorbeugenden Boden- und Gewässerschutz oder biologische Wirtschaftsweise. Stolze 27.739,53 Euro von diesen 130.695 Euro werden als sogenannte Direktzahlung ausgewiesen. Diese Zahlungen werden laut Transparenzdatenbank überwiesen, um »ein stabiles Einkommen für die Landwirte zu gewährleisten«. Der Csardahof wird über eine GesmbH, hinter der die Familie Dichand steht, betrieben.Hans Dichand gründete die Kronen Zeitung, eine der profitabelsten Zeitungen der Welt, seine Erben haben nach menschlichem Ermessen für den Rest ihres Lebens finanziell ausgesorgt - der Förderungen bedürfen sie wohl nicht aus finanzieller Not.
Die Agrarwelt ist widersprüchlich und ungerecht. Etwa 2,3 Mrd. Euro werden pro Jahr in Österreich an Agrarförderungen vergeben. Trotzdem müssen im Schnitt zwölf Landwirte oder -wirtinnen pro Tag ihren Hof aufgeben. In der EU ist die Zahl der Bauern und Bäuerinnen in den letzten 25 Jahren um die Hälfte zurückgegangen. Gleichzeitig arbeiten in Europa geschätzte vier Mio. SaisonarbeiterInnen. Häufig unter höchst prekären, oft menschenunwürdigen Bedingungen; auch in Österreich. So werden SpargelstecherInnen im Marchfeld mit nur 2,20 Euro/Stunde entlohnt oder ErntehelferInnen im Burgenland mit erbärmlichen 3,30 Euro. Früher kamen die ausgebeuteten Hilfskräfte aus dem angrenzenden Ausland, heute werden HelferInnen aus Rumänien oder der Ukraine beschäftigt.
Das aktuelle System fördert die großen Betriebe und benachteiligt die kleinen: Im Durchschnitt erhalten zwei Prozent der Betriebe je 75.741 Euro im Jahr, das sind zehn Prozent der gesamten Fördermittel. 37 Prozent der Landwirte erhalten im Durchschnitt bloß 2.112 Euro im Jahr. Für die kleinsten 37 Prozent werden damit gerade einmal 100 Mio. Euro von den gesamten 2,3 Mrd. Euro verwendet. »Kleine Bauern bekommen pro Hektar 448 Euro, große 544 Euro Förderung«, erklärt Buchautor und Ex-Journalist Weiss. Diese Fakten sprechen deutlich gegen Behauptungen der Agrarfunktionäre und Politiker, dass Förderungen in erster Linie den kleinen Bauern zugute kämen und die kleinteilige Landwirtschaft aufrecht erhalten werden soll.

540 Mio. Euro Umweltförderung/Jahr

Jährlich werden rund 540 Mio. Euro für Umweltförderungen aufgewendet. Trotzdem ist das Grundwasser gerade in Ackergebieten mit Nitraten und Pestiziden verseucht. Evaluierungen, die gezielt die jeweilige Umweltfördermaßnahme für künftige Verbesserungen bewerten, gibt es nicht. Dadurch können Maßnahmen auch nicht optimiert werden - das Gießkannenprinzip bleibt aufrecht. Positiv ist, dass mittlerweile 18,5 Prozent der Agrarflächen biologisch bewirtschaftet werden - ein Erfolg der intensiven Förderungen.
Ein Drittel der gesamten Agrarförderung bezahlt die EU, bei einem weiteren Drittel übernimmt sie die Co-Finanzierung, der Rest kommt von Bund und Ländern. Was gefördert wird, wird zumeist von Österreich bestimmt. Die Förderungsrichtlinien sind unübersichtlich. Auffallend ist, dass viele KammerfunktionärInnen zu den Bauern gehören, die in ihrem Bundesland die meiste Förderung erhalten. So etwa der bekannte FPK-Politiker Uwe Scheuch in Kärnten. Gemeinsam mit seinem Bruder Kurt bewirtschaftet er einen 120 Hektar großen Bergbauernhof. 32.566,49 Euro kassierte er 2009 und gemeinsam mit seinem Bruder Kurt noch einmal 44.570 Euro.

Landwirtschaft beinahe steuerfrei

Daneben lässt sich Landwirtschaft in Österreich beinahe steuerfrei betreiben. 97 Prozent der Bauern zahlen keine Einkommensteuer, egal wie viel sie verdienen. Denn sie werden steuerlich nicht nach ihrem Einkommen bemessen, sondern nach einem Wert, der sich am Einheitswert orientiert. Dieser wurde das letzte Mal 1988 festgelegt. Er wird auch für die Bemessung der Grundsteuer herangezogen. Im Durchschnitt sind das pro Bauer etwa 150 Euro im Jahr. Weil der Einheitswert auch die Basis zur Berechnung aller weiteren Abgaben ist, müssen viele Bauern und Bäuerinnen in die Krankenkasse und Pensionsversicherung nur minimale Beiträge einzahlen. »In der Regel sind das insgesamt etwa 4.000 Euro im Jahr. Weil dadurch wenig in die Pensionsversicherung eingezahlt wird, muss der Staat jährlich noch einmal 1,7 Mrd. Euro für die Bauern-Pensionen zuschießen«, moniert Hans Weiss.
Für Bauern zahlt sich auch eine Heirat aus. Nicht nur aus Liebe, auch aus praktischeren Gründen. Denn nach der Bauernhochzeit kann das, aus dem Einheitswert errechnete, Einkommen zwischen Mann und Frau geteilt werden. Die Steuer wird erst nach dem »Splitting« berechnet.
Derzeit gibt es wenig Interesse das zu ändern, weil die EntscheidungsträgerInnen ordentlich profitieren. »Man sollte alle regelmäßigen Förderungen nach oben begrenzen«, sagt Hans Weiss - 25.000 Euro/Jahr könnte er sich als Grenzwert vorstellen. Privatstiftungen sollten überhaupt keine Förderungen erhalten.
Die höchste Agrarförderung in Österreich erhält tatsächlich ein Industriebetrieb. Der Fruchtsafthersteller Rauch erhielt vergangenes Jahr 7,2 Mio. Euro an Unterstützung - als Ausgleich dafür, dass die Firma den teuren europäischen Zucker zur Fruchtsaft-Produktion verwendet. Wer also beim nächsten Formel-1-Rennen das Rauch-Logo am führenden Red-Bull-Rennwagen entdeckt, kann stolz sein: Mit seinen Steuern hat er auch dieses Auto ein bisschen mitfinanziert.
Lasst die kleinen Bauern leben, fördert nachhaltige Bewirtschaftung und unterstützt den guten Weg in eine ethische Produktion. Fair für alle, nicht nur die Kleinbauern würden es danken. Auch die KonsumentInnen profitieren von artgerechter Tierhaltung, von Produkten mit Geschichte. Von Qualität statt Masse.

Info&News
Die Offenlegung personenbezogener Daten sei nicht rechtens, entschied der EuGH am 9. November 2010. Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) ließ die Agrarsubventions-Datenbank
www.transparenzdatenbank.at  sperren.
Eine europaweite Datenbank gibts unter www.farmsubsidy.org  
Zahlen und Fakten zur österreichischen Landwirtschaft: www.gruenerbericht.at  
Hans Weiss: »Schwarzbuch Landwirtschaft« Verlag Deuticke, ISBN 978-3-552-06145-3, 16,40 Euro.

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