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Was Arbeit mindestens wert ist Bei Diskussionen um den Wert der Arbeit wird als Antwort meist ein Euro-Betrag erwartet, eine Tatsache, die jeden klassischen Ökonomen verwundert hätte und bei genauer Betrachtung auch unsinnig ist.

Was Arbeit mindestens wert ist

Schwerpunkt

Derzeit werden 1.300 Euro Mindestlohn diskutiert - ein wichtiger Beitrag zur Vermeidung von Armut trotz Arbeit und Bekämpfung von Lohndiskriminierung.

Bei Diskussionen um den Wert der Arbeit wird als Antwort meist ein Euro-Betrag erwartet, eine Tatsache, die jeden klassischen Ökonomen verwundert hätte und bei genauer Betrachtung auch unsinnig ist. Wenn, dann sollte man fragen, was denn ein Euro wert ist, wenn man ihn dazu verwendet, jemand anderen für sich arbeiten zu lassen. Denn Geld stellt nur insoweit einen Wert dar, als man dafür die Leistungen anderer - sei es in Form von Produkten oder von Dienstleistungen - bekommt, während Arbeit die Grundlage oder besser Quelle jeder Form von Wohlstand ist. Doch verlassen wir die tiefen Wasser der Frage nach den Werten in der Gesellschaft, und begeben wir uns in die pragmatische, aber keineswegs irrelevante Welt der Mindestlohnfestsetzung. In öffentlichen Debatten wird unter dem Mindestlohn eine für alle gültige Lohnuntergrenze verstanden. Nicht zuletzt unter dem Einfluss von Debatten in Deutschland, den USA oder Großbritannien wird dann gefragt, wie hoch denn »der Mindestlohn« in Österreich sei.
Beantworten kann man diese Frage nur mit einer Gegenfrage, nämlich: welcher Mindestlohn? In Österreich gibt es nicht einen, sondern viele Mindestlöhne, die je nach Branche, Qualifikation und Berufserfahrung nicht unterschritten werden dürfen.
So beträgt beispielsweise der niedrigste Mindestlohn für Angestellte im Handel ohne kaufmännische1 oder gleichwertige Ausbildung (seit 1.1.2010) 1.184 Euro pro Monat 14-mal im Jahr. Nach drei Jahren Berufserfahrung sind Angestellte im Handel entsprechend ihrer tatsächlichen Tätigkeit einzustufen. Für Beschäftigte mit kaufmännischer oder gleichwertiger Ausbildung oder eben drei Jahren Berufserfahrung im Betrieb, die einfache Tätigkeiten ausführen, beträgt der Mindestlohn im ersten Jahr dann 1.263 Euro. In der Folge steigt dieser Mindestlohn mit der Berufserfahrung und den Anforderungen des Berufes.

Wichtige Lohnregelungen

Diese kompliziert klingenden Lohnregelungen sind absolut wichtig. Erstens sichert diese Regelung, dass auch Personen die über eine Ausbildung oder längere Berufserfahrung verfügen, gegen einen Unterbietungswettlauf beim Einkommen geschützt sind. Zweitens sichert dieses System, dass alle Beschäftigten, auch jene in den unteren Verwendungsgruppen, gemäß ihrer Berufserfahrung und ihrer Tätigkeit entlohnt werden. Und drittens bindet dieses System die niedrigsten Mindestlöhne in das System der jährlich verhandelten Lohnerhöhungen ein. Sie sind somit Teil der solidarischen Bemühungen um höhere Löhne und nicht nur die unterste Randgruppe.
Wie wichtig dies ist, kann am Beispiel des Einzelhandels gezeigt werden, dort erreichte im Jänner 2004 der niedrigste Mindestlohn 1.000 Euro, inzwischen durch die jährlichen KV-Verhandlungen auf 1.104 Euro gestiegen. Ziel jeder Mindestlohnkampagne ist es, die gering entlohnten Gruppen in jährliche Lohnerhöhungen, die gemeinsam für alle Beschäftigten verhandelt werden, auf Dauer einzubeziehen. So gilt für Beschäftigte, die 2004 mit 1.000 Euro pro Monat begonnen haben, aufgrund der kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen und der Regelungen zur Einstufung im Jahr 2010 ein kollektivvertraglicher Mindestlohn von 1.266 Euro. Selbst wenn der Mindestlohn jährlich an die Inflation angepasst worden wäre, hätten sie jetzt um mehr als eineinhalb Monatsgehälter weniger im Jahr.
Über 95 Prozent (eher 98 Prozent) der Beschäftigten in Österreich werden in Kollektivverträgen erfasst. Die Sicherstellung einer unteren Lohngrenze funktioniert in diesem System also sehr gut.
Viele Beschäftigte, JournalistInnen aber auch PolitikerInnen glauben daher fälschlicherweise, es gebe eine gesetzliche Lohnregulierung. Das ist einerseits Zeichen einer erfolgreichen Kollektivvertragspolitik, andererseits aber auch ein ständiges Problem, wenn es darum geht ArbeitnehmerInnen zu motivieren, sich in der Gewerkschaft für ihre Interessen zu organisieren.

Gesetzlicher Mindestlohn

In Ländern, die tatsächlich auf den gesetzlichen Mindestlöhn setzten (USA, GB) zeigt sich dagegen immer wieder die Problematik gesetzlicher Regelungen im Vergleich zu direkten Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und ArbeitgeberInnen-Organisationen. So wurde der amerikanische Mindestlohn zwischen 1997 und 2007 nie erhöht.
Dennoch könnten durch eine Vereinfachung von Satzungen, die den Geltungsbereich von Kollektivverträgen ausdehnen, Niedriglöhne eher verhindert werden. Die Möglichkeiten, Mindestlöhne auch für arbeitnehmerähnliche Verträge, etwa jene für sogenannte »freie« Dienstnehmer,Innen festzulegen, ist ebenfalls notwendig, nicht nur zum Schutz der Beschäftigten, sondern auch zum Schutz all jener Unternehmen die sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten.

Mindestlohnziel nicht unterschreiten

Der »Mindestlohn« wie er in Österreich diskutiert wird, ist eine Zielvorgabe, auf die sich der ÖGB und seine Gewerkschaften verständigen. Er stellt jene Grenze dar, die von keinem kollektivvertraglichen Mindestlohn unterschritten werden soll, die aber gleichzeitig in allen KV überschritten wird. Trotz oder gerade wegen dieses breiten und anpassungsfähigen Systems der Lohnregelung erfüllt die gemeinsame Zielvorgabe, die sich der ÖGB für die unterste Lohngrenze in Form der Mindestlohnbeschlüsse gesetzt hat, eine wichtige Funktion.
Das Mindestlohnziel ermöglicht es, in gewerkschaftlich schwer zu organisierenden Bereichen eine akzeptable Mindestsicherung zu erreichen, wie dies der GPA-djp im Zuge der »Zitronen«-Kampagne bei den Ärzten und Rechtsanwälten gelungen ist. Diese Kampagnen geben den Beschäftigten in diesen Bereichen die Chance, in ein dauerhaftes System von Kollektivvertragserhöhungen einzusteigen. Außerdem wird durch die Auseinandersetzung um die Mindestlohnziele die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die zentrale Frage, was die Arbeit eines Menschen mindestens wert ist gelenkt.
Diese Form der expliziten Zielsetzung für einen Mindestlohn in allen Kollektivverträgen begann mit dem 12. Bundeskongress im Jahr 1987, der eine Mindestlohngrenze von 10.000 ATS (726,72 EUR) beschloss. Derzeit wird ein Mindestlohnziel von 1.300 Euro diskutiert bzw. wurde auch bereits von einigen Gewerkschaften beschlossen.
Die Statistik Austria hat heuer eine Auswertung zu Niedriglohnbeschäftigung veröffentlicht, in der auf Basis von Daten aus dem Jahr 2006 von einer Niedriglohngrenze von 1.325 Euro pro Monat (14-mal) bei Vollzeitbeschäftigung, ausgegangen wird. Rechnet man diese Grenze auf heutige Verhältnisse hoch, so entspräche dies etwa 1.460 Euro und liegt deutlich über den derzeit diskutierten 1.300 Euro. 2006 verdienten etwa neun Prozent der Beschäftigten im Bereich der Sachgütererzeugung und der privaten Dienstleistungen weniger als 1.325 Euro auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung. Da Beschäftigte in Unternehmen mit weniger als zehn ArbeitnehmerInnen in dieser Statistik nicht enthalten waren, dürfte der Wert für alle ArbeitnehmerInnen etwas höher sein. Da Löhne und Gehälter inzwischen um zirka zehn Prozent gestiegen sind, kann andererseits von einem geringeren Anteil der Beschäftigten mit unter 1.300 Euro auf Vollzeitbasis ausgegangen werden. Ein Ziel von 1.300 Euro ist realistisch erreichbar. Zum Zeitpunkt der Festlegung des 1.000-EuroMindestlohnziels ging man ebenfalls von ca. acht bis neun Prozent Betroffenheit bei den Unselbstständigen aus.

Mindestlohn im KV einbinden

Die Forderung nach 1.300 Euro Mindestlohn ist ein wichtiger Beitrag zur Vermeidung von Armut trotz Arbeit und zur Bekämpfung von Lohndiskriminierung. Angesichts von zunehmenden atypischen Arbeitsverhältnissen ist es aber umso wichtiger, dass der Mindestlohn in umfassende Regeln zur Gestaltung der Arbeitsverhältnisse in Form von Kollektivverträgen eingebunden ist. Denn ein Mindestlohn kann nur wirksam werden, wenn er gemeinsam mit Regeln zu Arbeitszeiten, Sonderzahlungen, Abrechnungsformen und vielem andern solidarisch von den ArbeitnehmerInnen durchgesetzt wird.

1 Für FerialpraktikantInnen, die nicht länger als drei Monate im Betrieb beschäftigt sind, gilt ein Mindestlohn von 1.104 Euro.

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