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Politik ins Klassenzimmer Die soziale Dimension von Demokratie sichtbar machen: Speziell für die Gewerkschaftsbewegung ist es wichtig, die soziale Dimension von Demokratie als zentralen Bestandteil von politischer Bildung in der Schule zu verankern.
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Politik ins Klassenzimmer

Gesellschaftspolitik

Ist von politischer Bildung die Rede, entsteht oft Angst vor Instrumentalisierung, es geht aber darum, bei Jugendlichen Interesse für die Demokratie zu wecken.

Aus Angst, dass parteipolitisch gefärbte Lehrkräfte ihre Macht im Klassenzimmer missbrauchen und Schülerinnen und Schüler instrumentalisieren könnten, hat sich die österreichische Schulpolitik darauf zurückgezogen, fast vollständig auf politische Bildung zu verzichten. Als kleinste gemeinsame Nenner blieben ein zahnloses Unterrichtsprinzip und die »unpolitische« Institutionenlehre, oft trocken und schwer verdaulich, im Lehrplan verankert.

Beispiel Deutschland

Dass es anders geht, zeigt das Beispiel Deutschland. In den Siebzigerjahren entschieden sich dort die politischen BildnerInnen für einen anderen Weg, um Parteilichkeit und Indoktrination in der politischen Bildung zu vermeiden, und einigte sich im Rahmen des sogenannten »Beutelsbacher Konsenses« auf drei Grundprinzipien des Politikunterrichts.
Das »Überwältigungsverbot« bzw. »Indoktrinationsverbot« soll verhindern, dass SchülerInnen die Anschauungen der Lehrkräfte aufgezwungen werden. SchülerInnen sollen vielmehr in die ­Lage versetzt werden, sich selbst eine Meinung zu bilden. Das »Kontroversitätsgebot« fordert von Lehrenden, die unterschiedlichen Standpunkte zu einer politischen Fragestellung offenzulegen und kontroversielle Ansichten zuzu­lassen. Das Prinzip der »SchülerInnenorientierung« fordert LehrerInnen auf, den SchülerInnen eine inhaltliche Rutsche zu legen und politische Themen aus Sicht der SchülerInnen aufzube­reiten.

Neue Wege

Aber auch in Österreich hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Politische Bildung wurde Schritt für Schritt, zumindest in Kombination mit anderen Gegenständen, eingeführt. Ausgehend von der Wahlaltersenkung starteten außerdem zahlreiche Initiativen und Projekte für eine moderne politische Bildung in der Schule. Diese richtet den Fokus nicht auf Staatskunde, sondern rückt den/die SchülerIn ins Zentrum. Die zentrale Frage lautet dabei: Was braucht ein junger Mensch, um ein reflektiertes und (selbst-)reflexives Politikbewusstsein zu entwickeln und aktiv an einer Demokratie teilzunehmen?
Das neue Kompetenzmodell für politische Bildung in den Hauptschulen und der AHS-Unterstufe macht diesen Anspruch an vier Kernkompetenzen fest: Urteilskompetenz, Methodenkompetenz, Handlungskompetenz und politische Sachkompetenz. Kompetenz wird dabei als Fähigkeit verstanden, bestimmte Handlungskonzepte in unterschiedlichen Situationen anwenden zu können. Das reine Sachwissen dient nur als Werkzeug und steht nicht als Teststoff im Vordergrund.
Viele Ansätze, die fortschrittliche ­politische Bildung vorantreiben wollen, scheitern an der Struktur unseres Schulsystems, dessen Eckpfeiler sich im vergangenen Jahrhundert kaum verändert haben.
Das Stakkato der 50-Minuten-Einheiten, beengte Klassenzimmer und ­Notenfixierung erleichtern ebenso wenig den offenen, themenbezogenen und fächerübergreifenden Projektunterricht, wie die autoritäre Rolle der Lehrenden. LehrerInnen, die beurteilen und in der Gelehrten-Rolle den SchülerInnen ­Wissen vermitteln, werden es schwer haben, einen kontroversiellen, diskursiven Ansatz zur politischen Bildung zu finden.
Den Lehrkräften ist das nicht vor­zuwerfen, da man schwer von ihnen erwarten kann, nebenbei einen Gegenstand zu unterrichten, für den sie nie ausgebildet wurden. Es gibt kein Lehramt »Politische Bildung« oder ein Grundmodul in der LehrerInnenausbildung im Sinne des Unterrichtsprinzips. Auch GeschichtslehrerInnen, die jetzt politische Bildung unterrichten, mussten keine ­Zusatzqualifikation erwerben. Umso mehr Anerkennung gilt jenen Lehrkräften, die es trotzdem schaffen, ihren SchülerInnen anregende politische Bildung zu bieten.

Die gute Nachricht: Interesse ist da

Die Ergebnisse der internationalen Vergleichsstudie »International Civics and Citizenship Education Study - ICCS« stimmen optimistisch. Zwar liegt das ­politische und staatsbürgerliche Wissen im internationalen Mittelfeld, aber eine zentrale Grundlage für den Kompetenzerwerb ist gegeben: Nur in Italien ha­-ben SchülerInnen im europäischen Vergleich mehr Interesse an Politik als in Österreich.
Um das Interesse junger Menschen an politischer Bildung abzudecken, sind Erwachsene in Politik und Schulverwaltung gefordert. Der Schwung aus der Wahlaltersenkung darf nicht verloren ­gehen, und viele weitere Schritte sind ­nötig:

  • Professionalisierung: Langfristig ist die Einrichtung eines Lehramts »Politische Bildung« oder zumindest einer standardisierten Ausbildung zur »politischen BildnerIn« unumgänglich. Gleichzeitig muss den LehrerInnen in den Schulklassen eine Aus- und Weiterbildung schmackhaft gemacht werden.
  • Projekte fördern und Qualität sichern: Viele innovative Initiativen und Angebote decken Lücken der schulischen politischen Bildung ab und bieten Schulklassen spannende und aktivierende Workshops und Projekte abseits des schulischen Alltags. Solche außerschulischen Angebote können durchaus zu einem integralen Bestandteil der politischen Bildung werden. Dazu bedarf es aber einer guter Qualitätssicherung und einer entsprechenden Finanzierung.
  • Unterrichtsprinzipien überdenken: Das Unterrichtsprinzip »Politische Bildung« ist ebenso zahnlos wie die anderen zwölf Unterrichtsprinzipien. Eine Durchforstung und Zusammenlegung diver­ser politischer Prinzipien wie »Umweltpolitisches Prinzip« oder »Frauenpolitisches Prinzip« zu einem umfassenden und schlagkräftigen Unterrichtsprinzip »Politische Bildung« im Kanon mit wenigen anderen Prinzipien wäre erstrebenswert.
  • Die soziale Dimension von Demokratie sichtbar machen: Speziell für die Gewerkschaftsbewegung ist es wichtig, die soziale Dimension von Demokratie als zentralen Bestandteil von politischer Bildung in der Schule zu verankern. Dabei muss vor allem die Demokratie und Mitbestimmung im Wirtschaftsleben in den Vordergrund gerückt werden. Mögliche Ansätze dazu finden sich im Projekt »Demokratie und Rechte in der Arbeitswelt« auf polipedia.at.

Vielleicht gelingt es uns mit diesen Maßnahmen und vielen weiteren Schritten, jungen Menschen jene Fähigkeiten mitzugeben, die sie benötigen, um auf demokratischen und solidarischen Wegen unsere Gesellschaft und Zukunft mitzugestalten.

Weblinks
Kooperationsprojekt der Arbeiterkammer Wien und des ÖGB
www.arbeitsweltundschule.at
Multimediale Wikiplattform zur politischen Bildung
www.polipedia.at
Interessengemeinschaft Politische Bildung
www.igpb.at
Angebote und Informationen zur politischen Bildung
www.politik-lernen.at

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Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
andreas.kastner@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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