topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Das Kreuz mit dem Kreuz

Das Kreuz mit dem Kreuz

Schwerpunkt

Erkrankungen von Muskeln und Wirbelsäule sind im Steigen. Falsches Heben und Bewegen von Lasten ist eine der Ursachen.

Wenn die Wirtschaft die Summe der Rückgrate ihrer Beschäftigten wäre, so ginge es ihr ziemlich schlecht. Fast 24 Prozent der ArbeitnehmerInnen in der EU leiden unter Rückenschmerzen, 22 Prozent haben Probleme mit den Muskeln. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von der ungünstigen Arbeitshaltung über falsches Heben von Lasten bis hin zum falschen Sitzen.

20 Prozent der Krankenstandstage

Rund 20 Prozent der Krankenstandstage, so verzeichnet die Statistik, entfallen auf Beschwerden des Bewegungs- und Stützapparates. Probleme mit Muskeln, Nerven und Knochen nehmen zu und sind auch häufigste Ursache für Berufsun­fähigkeits- und Invaliditätspensionen. ­Etwa acht Prozent der Muskel- und ­Skeletterkrankungen (MSE) sind arbeitsbedingt.
Die direkten betriebswirtschaftlichen Kosten für Entgeltfort- und Krankengeldzahlungen werden auf rund 200 Mio. Euro geschätzt. (Nähere Daten zu den gesamtwirtschaftlichen Kosten mit Schwerpunkt auf die psychischen Belas­tungen sind der Studie »arbeitsbedingte Erkrankungen 2008« zu entnehmen, die von der AK-Wien und dem Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO durchgeführt wurde.)
Als wissenschaftlich bewiesen gilt, dass schlechte Arbeitsbedingungen und arbeitsbedingte Fehlbelastungen den Bewegungs- und Stützapparat stark beanspruchen - wie sehr, ist im Arbeitsalltag meist gar nicht bewusst. Oft fehlt auch das Wissen, welche konkrete Belastung Beschwerden verursacht. Muskel- und Skeletterkrankungen sind meist mit Symptomen, wie Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verbunden, weiß der Facharzt für Orthopädie Martin Pinsger. Sitzende Tätigkeit, manuelle Handhabung von Las­ten, wie Heben oder Ziehen, Zwangshaltungen, Vibrationen, Stress und Zeitdruck sind die häufigsten Ursachen.
Die zunehmenden Beschwerden bei Wirbelsäule und Muskeln sind weniger auf »individuelle Risikofaktoren« wie Alter oder Geschlecht zurückzuführen. Vielmehr, so die ArbeitsmedizinerInnen, ist die jahrelange berufliche Fehlbeanspruchung einer der Hauptgründe. Maßnahmen dagegen, so weiß die Medizin heute, müssen immer von der »Belastung des Körpers insgesamt« ausgehen.

Pack’s leichter an

An die sieben Mio. Frauen im Gesundheitssektor heben und bewegen täglich Geräte und PatientInnen mit nicht unerheblichem Gewicht. Zwei Drittel der Beschäftigten, so ergibt eine aktuelle europäische Umfrage, leiden an Rückenschmerzen. Im Handel sind es vier bis fünf Mio. Frauen, die täglich schwere ­Lasten handhaben.
»Viele ArbeitnehmerInnen bewegen in Summe mehr als zehn Tonnen pro Tag«, berichtet die Ärztin Susanne Pinsger vom Arbeitsinspektionsärztlichen Dienst für Wien, Niederösterreich und Burgenland.
Seit dem Jahr 2000 werden von der Arbeitsinspektion Kampagnen zu Muskel- und Skeletterkrankungen, mit Schwerpunkt manuelle Lasthandhabung durchgeführt. Die erste Kampagne 2000 galt der Beurteilung manueller Lasthandhabung, sprich: jede Beförderung oder Abstützen einer Last, die durch ihre Merkmale oder ungünstige ergonomische Bedingungen die ArbeitnehmerInnen gefährden können. Seither wurden spezifische Methoden entwickelt, um die Beanspruchung, insbesondere des Stützapparates, zu quantifizieren. Aufgrund der erzielten Ergebnisse wurden unter dem Motto »Pack’s leichter an« umfassende Kampagnen zum »richtigen Heben und Tragen« durchgeführt. (Siehe Link zum Arbeitsinspektorat).

Good Practice

Im Verlauf von Kampagnen der Arbeitsinspektion und der Verkehrsarbeitsins­pektion zur »manuellen Handhabung von Lasten« wurden zahlreiche »Good Practice«-Beispiele zur Minimierung von Belastungen in den unterschiedlichsten Branchen erfasst und dokumentiert.
»Betriebe mit möglichst systematischer Berücksichtigung von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit können neben Arbeitsunfällen auch arbeitsbedingte Erkrankungen - und somit Krankenstände - erheblich senken«, kommentiert Zentral-Arbeitsinspektor Josef Kerschhagl.  So wurde etwa in einem Spital die schwere Arbeitssituation allein durch organisatorische Maßnahmen verbessert. Die Bestandsaufnahme bei Evaluierung des Arbeitsumfeldes: Die MitarbeiterInnen hatten Operationsinstrumente zu reinigen und in Instrumentenkisten zu verpacken. Nach der Sterilisation wurden die zwischen 18 bis 24 kg schweren Instrumentenkisten über den Kopf in die Lagerregale einsortiert.
Fazit der ArbeitsinspektorInnen: Die Last wird nicht körpernahe manipuliert. Nach der Reorganisation des Lagers entfallen nunmehr die »Überkopfarbeiten«. Die Instrumente werden nun auf mehrere Kisten aufgeteilt, das Gewicht somit auf cirka 10 bis 15 kg reduziert.

Tipps

Beim Heben mit gebeugtem Rücken werden die Bandscheiben ungleichmäßig und höher belastet. Dies begünstigt Rückenleiden. Beachten Sie: Je stärker der Oberkörper nach vorne geneigt wird, umso größer ist die Belastung der Rückenmuskeln und der Bandscheiben. Um Rückenprobleme zu vermeiden, sollten Sie beim Heben und Tragen von Lasten stets auf eine gerade Haltung achten. Die Bandscheiben werden nicht verformt und gleichmäßig und somit geringer belastet.
Wichtig ist z. B. die Stärkung der ­Rückenmuskulatur durch häufiges Schwimmen und anderen Ausgleichssport, eine bewusst aufrechte Körperhaltung und das Vermeiden von Übergewicht. Wer schon an Rückenschmerzen leidet, sollte sich über gezielte Übungen von seinem Arzt beraten lassen. Empfehlenswert ist auch der Besuch einer Rückenschule. Am schonendsten für die Gesundheit transportieren sie Lasten unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln. Treppensteiger oder Scherentische entlasten ihren Rücken enorm.
Werden schwere und sperrige Waren transportiert, bewegen Sie sich oft ruckartig. Ruckartige Bewegungen belasten ihre Wirbelsäule sehr. Daher gilt: Wenn es irgendwie geht, holen sie sich Hilfe!

Fassen und Heben der Last:

  • mit geradem Rücken,
  • mit möglichst steil aufgerichtetem Oberkörper,
  • mit gebeugten Knien,
  • möglichst nah am Körper.

Die Last niemals ruckartig anheben, sondern den Körper gleichmäßig und langsam aufrichten.
Die Last möglichst körpernah tragen, den Rücken dabei gerade halten.
Tragen sie Lasten möglichst körpernah, denn dadurch wird die Belastungshöhe etwas reduziert. Falls möglich: Verteilen sie die Last auf beide Arme. Halten sie ihren Rücken möglichst gerade.
Denken sie beim Lastentransport daran: Verdrehungen des Oberkörpers und ruckartige Bewegungen erhöhen die Belastung der Wirbelsäule massiv. Wie können sie für Abhilfe sorgen? Indem sie ­ihre Bewegungsrichtung immer über ein Drehen des ganzen Körpers mit den Füßen ändern (erst die Last heben, dann den ganzen Körper durch Schritte in die Bewegungsrichtung drehen, und dann die Last mit gebeugten Knien und geradem Rücken absetzen).
Neben der Hebe- und Trageweise ist auch die Größe des Gewichtes für die körperliche Belastung von entscheidender Bedeutung. Allerdings bereitet das Festlegen bzw. Beurteilen von Gewichtsgrenzwerten Schwierigkeiten, da viele Einflussgrößen zu berücksichtigen sind, etwa: Alter, Geschlecht, körperliche Statur, körperliche Verfassung der Person, Hubhöhe, Transportweg, Haltezeit, Häufigkeit des Hebens und Tragens.
Wer ständig Büroarbeit leistet und außerdem körperlich untrainiert ist, kann durchaus mit einer Last überfordert sein, die ein an körperliche Arbeit gewohnter Gleichaltriger mit Leichtigkeit handhabt.
Rückenschmerzen und Probleme mit der Wirbelsäule sind kein Sachzwang. Grundvoraussetzung für Maßnahmen ist eine Evaluierung des Arbeitsplatzes, bei der nicht nur die Belastung der Arbeitsumgebung, sondern auch die individuelle Arbeitsfähigkeit berücksichtigt wird, meint Arbeitsmedizinerin Susanne Pinsger.

Weblink
Mehr Infos unter:
tinyurl.com/3yw68m

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
gabriele.mueller@utanet.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum