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Mitten auf dem Bau Seinen Schutzhelm trägt Kremsner wie eine gelbe Krone, steht hoch­gewachsen und stolz ­zwischen Gerüsten, riesenhaften Lüftungsrohren, Maschinen und ­Material. Aus der Porr-Baustelle am Wiener Praterstern wächst ein bombastischer Komplex.

Mitten auf dem Bau

Schwerpunkt

Abgenutzte Bandscheiben und hohe Hautkrebsraten quälen die Bauarbeiter. Die Schutz- und Präventions-Maßnahmen müssen weiter gesteigert werden.

Ein Leben gegen die Bandscheiben. Schon 45 Jahre schuftet Rudolf Kremsner am Bau - mit 14 Jahren Gewerkschaftsmitglied, bereits 31 Jahre bei der Baufirma Porr tätig und seit 28 Jahren Betriebsrat. Der 59-jährige Burgenländer ist gelernter Maurer, pendelt wochenweise zwischen Lockenhaus und Wien. Montag »hinauf«, Freitag zurück zur Familie ins Burgenland. Hart hat Kremsner sein Leben lang gearbeitet, »alles gemacht - von mauern bis verputzen und die Sicherheit überwachen«. Seinen Schutzhelm trägt der Betriebsrat wie eine gelbe Krone, steht hochgewachsen und durchaus stolz zwischen Gerüsten, riesigen Lüftungsrohren und Maschinen.

Arbeiten im Freien

Laut dröhnen die Geräte, Baustaub wirbelt auf, aus der Porr-Baustelle am Wiener Praterstern wächst ein bombastischer Komplex - das neue Bürogebäude der ÖBB. Stahl, Glas, über den weiten Hof wölbt sich ein zehn Zentimeter dickes mit Luft gefülltes Plastikdach. Im Frühjahr 2011 sollen die Arbeiten beendet sein. Viele Container rundum, wie überall nahe der Großbaustelle. Die weißen und blauen Quader, kleine Büros und Aufenthaltsräume, prägen Kremsners Leben im Freien in jeder Jahreszeit, bei jedem Wetter. Saisonal bedingte Pausen gibt es hier keine. Vor zehn Jahren begannen massive körperlichen Probleme, Bandscheibenvorfall, Kur in Köflach. Eine Operation hat der Maurer abgelehnt: »Die Chance, dass ich im Rollstuhl ende lag bei 50 Prozent. Ich will es nicht riskieren.« Moorpackungen, jede Woche Physiotherapie, traditionelle chinesische Medizin - zwei blaue Gesundheitspflaster kleben an seiner Halswirbelsäule. Mit all seinen Schmerzen wäre Rudolf Kremsner gerne am 1. Jänner endlich in Pension gegangen, doch »pro Monat hätte ich 380 Euro verloren«. Erst 2011 wird er in den verdienten Ruhestand wechseln. Derweil tritt er kürzer, versucht, die schwersten Arbeiten zu meiden.
Rudolf Kremsners 37-jähriger Sohn ist Starkstrom-Monteur. Wie sein Vater hat auch er schon als Jugendlicher zu arbeiten begonnen, die Schule verlassen, um gutes Geld zu verdienen. Die Tochter, 27, ist Chef-Rezeptionistin in Lutzmannsburg - ein fordernder, aber sicherer Job. Denn das Leben am Bau und das Klettern auf Starkstrom-Masten und Sender geht täglich Hand in Hand mit der Gefahr. »Sicher ist es gefährlich, aber mein Sohn reist viel, war sogar in Chile tätig.«
Der Lohn hat auch Rudolf Kremsner in die Baubranche gezogen: »Als ich in den 1970er-Jahren anfing, war es ein Superverdienst, so lange bis der Euro kam - das hat alles verändert.« Doch er ist keiner, der seinen Job schlecht macht, bloß ein Kämpfer für gute Arbeitsbedingungen und die Sicherheit: »Ich setze mich sehr für die Leute ein, aber man braucht einen dicken Schädel, der was aushält. 15 bis 16 Stunden Arbeit pro Tag geht heute nimmer.«  Geändert hat sich vieles am Bau, hart ist der Beruf der Maurer, Poliere, Bauschlosser, Zimmermänner und aller anderen auf den Baustellen immer noch. »Heute wird alles mechanisch hinauf­gehoben, früher haben wir das Material händisch geschleppt. Richtiges Heben haben wir damals nicht gekannt.«

Besserer ArbeitnehmerInnenschutz

Karl Hold, 58, Sekretär der Gewerkschaft Bau-Holz, ist seit 40 Jahren in der Branche, arbeitete 22 Jahre in der Bauindus­trie: etwa auf den Baustellen der UNO-City, Reichsbrücke, Fernwärme und acht verschiedenen U-Bahn-Baustellen. 
Was sich beim ArbeitnehmerInnenschutz am Bau gebessert hat, weiß Karl Hold nur zu gut. Bessere Arbeitskleidung, festeres Schuhwerk, geringeres Verpackungsgewicht beim Baumaterial und mehr maschinelle Hilfe bieten eine große Entlastung. »Eine zusätzliche Verbesserung der Situation bringt die Einführung von Sicherheitsingenieuren, die permanent auf Gefahren auf den Baustellen hinweisen, sie dokumentieren und bei Betriebsversammlungen erläutern.« Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz bei den Lehrlingen sind der Gewerkschaft ein besonderes Anliegen: »Lehrlinge sind der Gefahr durch Unerfahrenheit und Risikofreudigkeit weit mehr ausgesetzt, als erfahrene Facharbeiter.«
Im Berufsschulunterricht wird längst vermehrt auf Sicherheitsvorkehrungen am Bau hingewiesen. Unterstützt durch Filmmaterial und praktische Übungen am Bauhof, informieren Gewerkschaftssekretäre, Lehrkörper und AUVA-Beauftragte die Lehrlinge über Gesundheit und Sicherheit: »Maurer und Schalungsbauer nehmen sogar in ihrem dritten Lehrjahr an einer ­Sicherheitsolympiade teil.« Doch Karl Holds Körper nutzt dieser Fortschritt nichts mehr: Seit 19 Jahren leidet er an Wirbelsäulenproblemen, hatte zwei Bandscheibenvorfälle. Der gelernte Bäcker hat »wegen des Geldes den Beruf gewechselt«. Heute kennt er die Risiken der Baubranche, doch den Bäckern ergeht es nicht ­anders.

Wenn der Beruf krank macht

Sehr viele ArbeitnehmerInnen erkranken durch ihren Beruf: »Großteils BäckerInnen und FriseurInnen.« Der Rest sind Arbeitsunfälle. Mehlstaub und Hitze sorgen bei BäckerInnen für Allergien und Asthma, Chemikalien schädigen FriseurInnen. Die Folge: teure Umschulungen, plötzlicher Branchenwechsel und Jobsuche. »Schnupperlehren in den Polytechnischen Lehranstalten sind gut, aber man müsste auch Allergietests in den Hauptschulen machen«, fordert Hold. Er denkt auch an tägliche 15 Minuten Lockerungsübungen auf der Baustelle: »Das nützt dem Stützapparat und der Firma, aber es muss bezahlt werden.« Rudolf Kremsner könnte sich für das Turnen begeistern, ist aber schon froh, dass seine Firma sportliche Aktivitäten der Mitarbeiter unterstützt: u. a. Kegeln oder Fußball.
Ein Leben ohne Schmerzen ist zumindest noch den Jungen vergönnt. »Die Lehrlinge kommen heute zu uns und wissen genau, worauf sie körperlich aufpassen müssen. Sie haben mehr Rechte als wir damals, dafür habe ich auch gekämpft«, erklärt Rudolf Kremsner doch zufrieden. Gewerkschaftssekretär Karl Hold: »Sicherheit auf den Baustellen ist vorrangig. Wir sind eng mit der AUVA verbunden, sorgen für Prävention.« Besonderes Augenmerk gilt heute auch dem Sonnenschutz am Bau. In Wien hat die Gewerkschaft mit der AUVA 15 Baustellen besucht, informiert, Sonnencreme Faktor 25 verteilt und Hauttests gemacht. Nach sechs Wochen wurden die Arbeiter wieder vom Hautarzt untersucht. »Die Sonne ist sehr gefährlich, wir arbeiten ständig im Freien und da wollen die Politiker, dass wir bis 65 arbeiten«, ärgert sich Kremsner. Sein größter Wunsch: Bauarbeiter sollen endlich in die Schwerarbeiter-Regelung aufgenommen werden. Denn 72 Prozent aller Bauarbeiter müssen wegen gesundheitlicher Probleme in Invaliditätspension gehen. Nicht nur durch Heben und Tragen werden sie schwer belastet. Bei vielen Bauverfahren werden sie Chemikalien ausgesetzt: Biozide etwa, die in Wandfarben und Dichtungsmassen als Anti-Schimmelmittel-Zusatz Verwendung finden, können langfristig zu allergischen Reaktionen, in drastischen Fällen sogar bis zur Schädigung des Nervensystems führen. Hautleiden gehören zu den häufigsten Berufskrankheiten: Als Reaktion darauf gibt es in der EU seit 2005 nur noch chromat­armen Zement. Damit wurde eine effektive Maßnahme gegen eine der Hauptursachen für die häufige allergische Hauterkrankung Chromatdermatitis - im Volksmund »Maurerkrätze« oder »Zementekzem« - gesetzt.
Die Gewerkschaft Bau-Holz setzt sich intensiv für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein. Gemeinsam mit der Neuen Heimat/GEWOG wurde ein Chemikalienmanagement entwickelt. Etwa 90 Prozent der Lösungsmittel können dadurch am Bau eingespart werden. Bei einem Wohnbauprojekt in der Wiener Roschégasse wurde so der Einsatz von rund 1.000 Kilogramm Lösungsmitteln, die häufig in Klebstoffen, Lacken, Farben, Voranstrichen zugesetzt sind, vermieden. Dies entspricht etwa 31 Tonnen CO2, dem Äquivalent von 230.000 gefahrenen Kfz-Kilometern - etwa sechs Autorunden um den Äquator.

Es bleibt viel zu tun

Gewerkschafter Hold ist oft mit Pensionsanträgen beschäftigt, mit Hilfestellungen für Erkrankte und allen Fragen zur medizinischen Behandlung. So viel sich auch im ArbeitnehmerInnenschutz verändert und verbessert hat, Leidensgenossen wie Kremsner und Hold wissen: Es bleibt noch viel zu tun für Bauarbeiter, BäckerInnen, Lkw-Fahrer, FriseurInnen und zahlreiche Berufsgruppen, deren Jobs schlicht krank machen.

Weblink
Mehr Infos unter:
www.gbh.at

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