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Was gemessen wird … Die überwiegende Mehrheit der österreichischen Kapitalgesellschaften kommt dem gesetzlichen Auftrag, nichtfinanzielle Leistungsindikatoren in ihren Bericht aufzunehmen - zumindest was ArbeitnehmerInnenbelange betrifft - nicht nach.

Was gemessen wird …

Aus AK und Gewerkschaften

Die Sozialberichterstattung österreichischer Kapitalgesellschaften lässt zu wünschen übrig.

What’s not measured isn’t done« oder wie es Managementguru Peter Drucker einmal formulierte: »What gets measured gets done« - Nur was gemessen wird, wird tatsächlich in Angriff genommen, und nur dann lassen sich die Auswirkungen bestimmter Maßnahmen evaluieren.

Exzessives Kennzahlensystem

Erfahrene BetriebsrätInnen können ein Lied davon singen: Nirgendwo sonst wurde ein derartig exzessives Kennzahlensys­tem aufgebaut wie im Shareholder Value-Kapitalismus. Ob es die einlangenden Telefonanrufe sind, die Dauer für deren Bearbeitung, ob es die Zeilen des Programmierers sind, ob es die Anzahl der Kunden/-innen pro KassiererIn ist - alles kann heute gemessen werden. Mit dem Ziel, den Ertragserwartungen der InvestorInnen gerecht zu werden und die kleinste Unternehmenszelle darauf hinzutrimmen. Dabei gilt mehr denn je: Das Kapital ist ein scheues Reh. Die Rendite muss für Inves­torInnen mindestens so hoch sein wie die Rendite, die sie erzielen könnten, wenn sie woanders eine entsprechende Veranlagung vornehmen würden. Und alle tanzen - kennzahlengesteuert - nach diesem Takt.
Sobald es allerdings um die gesellschaftspolitische Verantwortung von Unternehmen geht, verblasst dieses Bedürfnis nach einem Erfolgsnachweis durch valide Kennzahlen. Trotz oder vielleicht gerade wegen der grafisch und publizistisch meist recht aufwendig gestalteten Nachhaltigkeitsberichte.
Wer erinnert sich noch an den Vertrag von Lissabon? Die EU sollte zum »wettbewerbsfähigsten und dynamischsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt gemacht werden - einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen«. Weniger bekannt ist, dass nach Meinung der EU die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR) zur Verwirklichung dieses strategischen Zieles erheblich beitragen kann: Zwar bestehe die primäre Auf­-gabe von Kapitalgesellschaften darin, ­Gewinne zu erzielen, gleichzeitig sollten Unternehmen jedoch soziale und ­ökologische Ziele verfolgen, indem sie soziale Verantwortung in Unternehmensstrategie, Managementinstrumente und  Unternehmens­aktivitäten einbeziehen. Schon im EU-Grünbuch 2001 wird die CSR der Unternehmen als eine »im wesentlichen« (?) freiwillige Verpflichtung der Unternehmen definiert.
»What’s not measured isn’t done« - sollte es sich bei der sozialen Verantwortung von Unternehmen tatsächlich um einen Managementansatz handeln, so wäre dazu konsequenterweise auch ein entsprechendes Kennzahlen- und Reportingsystem zu entwickeln. Tatsächlich geht die EU in ihrer sogenannten »Modernisierungsrichtlinie« einen Schritt in diese Richtung, indem festgelegt wird, dass die Informationen im Lagebericht (Geschäftsbericht) künftig nicht auf finanzielle Aspekte zu beschränken sind, sondern auch jene ökologischen und sozialen Aspekte einzubeziehen sind, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses oder der Lage des Unternehmens erforderlich sind. Nach der Übernahme dieser Richtlinie in das österreichische Recht sind seit 1. Jänner 2005 ca. 850 große Kapitalgesellschaften und offenlegungspflichtige Konzerne verpflichtet, u. a. auch Informationen über Umwelt- und ArbeitnehmerInnenbelange in den Lagebericht aufzunehmen.

Sozialberichterstattung im Argen

Was liegt also näher, als die praktische Umsetzung dieser Vorgaben zu überprüfen? Eine von der Arbeiterkammer in Auftrag gegebene Studie sollte deshalb die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Österreich evaluieren. Der Einfachheit halber beschränkte sich die Analyse auf »ArbeitnehmerInnenbelange« gemäß der GRI-Dimension »Arbeitspraktiken und menschenwürdige Beschäftigung«. Die dort aufgelisteten Kriterien wurden in ein eigenes Bewertungsschema übersetzt, das dann auf eine Stichprobe von 108 der umsatzstärksten Unternehmen Öster­reichs nach dem Magazin »trend top 500« angewendet wurde.
Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Sozialberichterstattung österreichi­scher Kapitalgesellschaften im Argen liegt. Am ehesten wird noch über die Beschäftigungsentwicklung berichtet und - mit einigem Abstand - allgemein über Aus- und Weiterbildung. Detaillierte Einblicke in das Human Capital Management bleiben verwehrt. Auch wird kaum über die Einbeziehung der ArbeitnehmerInneninteressenvertretungen und die Förderung benachteiligter Gruppen am innerbetrieblichen und/oder überbetrieblichen Arbeitsmarkt (Diversität) berichtet.

Beispiele OMV und ÖBB

Wie eine Berichtslegung zu den zuletzt genannten zwei Aspekten aussehen könnte, zeigen folgende Beispiele: Im Nachhaltigkeitsbericht 2008 der OMV AG wird sowohl die Reichweite der Interessenvertretung durch Gewerkschaften, BetriebsrätInnen bzw. der KV-Vereinbarungen sowie der kollektivvertraglichen oder gesetzlichen Regelungen über den Mindestlohn erwähnt. Ebenso wird jener Prozentsatz der Beschäftigten angeführt, der für Mindestankündigungsfristen bei größeren betrieblichen Änderungen oder Umstrukturierungen gilt. Weiters wird über ein Projekt zur Sensibilisierung der Beschäftigten bezüglich ihrer Rechte berichtet. Der Nachhaltigkeitsbericht erwähnt auch die Betriebsvereinbarung der OMV über die Errichtung eines Europäischen Betriebsrates.
Die ÖBB Holding AG führt bereits im Nachhaltigkeitsbericht 2006 an, dass mit Hilfe von Diversity Management auf die vielfältigen Bedürfnisse der unterschiedlichen Beschäftigtengruppen wie etwa Frauen eingegangen werden soll. Der Bericht erwähnt u. a. eine Seminarreihe und Vernetzungstreffen für Frauen als erste Schritte. Weiters wird darüber berichtet, dass schwerpunktmäßig weibliche Lehrlinge gesucht werden, um das Ziel der Hebung des Frauenanteils auf zehn Prozent bis 2010 verwirklichen zu können, dies kann bereits im heurigen Geschäftsbericht evaluiert werden.
Ein Ranking der Top-10-Unternehmen in Bezug auf die Sozialberichterstattung zeigt, dass kein Unternehmen nur annährend die zu vergebende Höchstpunktezahl erreicht: Angeführt wird die Reihung von der OMV, die immerhin zwei Drittel der Maximalpunkte erzielt, gefolgt von den ÖBB, dem Flughafen Wien und den Österreichischen Lotterien. Lediglich diese vier Unternehmen konnten mehr als die Hälfte der Gesamtpunkte erzielen. Das macht deutlich, dass es großen Aufholbedarf in Bezug auf die Berichterstattung zu den relevanten Indikatoren gibt und es zudem oft an der notwendigen Transparenz für eine Evaluierung fehlt. Das ernüchternde Ergebnis der Studie: Die überwiegende Mehrheit der österreichischen Kapitalgesellschaften kommt dem gesetzlichen Auftrag, nichtfinanzielle Leistungsindikatoren in ihren Bericht aufzunehmen - zumindest was ArbeitnehmerInnenbelange betrifft - nicht nach. Ganz zu schweigen von einer adäquaten Parametrisierung in Form eines Kennzahlensystems.
»What’s not measured isn’t done« - so gesehen fehlt es also an einer gesellschaftspolitisch verantwortlichen Unternehmensführung in Österreich. Deshalb sollten folgende Maßnahmen in Angriff genommen werden:

  1. Die geltenden Vorschriften im Unternehmensgesetzbuch (UGB) müssen vom Gesetzgeber präzisiert werden: Eine umfassende Berichterstattung sollte außer finanziellen Leistungsindikatoren gleich gewichtete Informationen zu ökologischen und sozialen Leistungsindikatoren beinhalten.
  2. In Anlehnung an die seit 1. Jänner 2005 für alle an europäischen Börsen notierenden Unternehmen geltenden IFRS (internationale Rechnungslegungs- und Bilanzierungsstandards), sollte die Erstellung von integrierten Nachhaltigkeitsberichten nach international vergleichbaren Standards verpflichtend werden.
  3. Angaben im Bericht sollten durch externe, zertifizierte PrüferInnen testiert werden.

Weblink
Mehr Infos unter:
wien.arbeiterkammer.at/online/page.php?P=68&IP=55414&AD=0&REFP=2990

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