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Leiharbeit boomt »Gerade im letzten Quartal des Jahres, in der kalten Zeit also, steigt die Arbeits­losigkeit rapide an und erreicht Höchstwerte von 20 Prozent und mehr.«
Beschäftigungsanteil überlassene Arbeitskräfte 2009

Leiharbeit boomt

Wirtschaft&Arbeitsmarkt

Allzu oft zahlen die ArbeitnehmerInnen beim Geschäft mit der Zeitarbeit drauf. Die AK-Studie »Leiharbeit in der Krise?« zeigt die Fakten auf.

Huse V. ist vor sieben Jahren aus Bosnien nach Österreich gekommen. Seit er hier ist verdient der gelernte Maurer als Leiharbeiter sein Geld, um daheim seine Frau und zwei Kinder zu versorgen. Abgesehen davon, dass er ständig von einem Arbeitsplatz zum anderen wechselte, hat er auch alle Varianten des Zeitarbeitsgeschäftes kennen­gelernt. Nicht immer ein Vergnügen, von regelmäßiger Bezahlung konnte er lange nur träumen. So hat er für Firmen geschuftet, die von einem Tag auf den anderen »verschwunden« sind, ohne den restlichen Lohn zu bezahlen.

Nicht alle sind fair

Nicht alle bieten, was sie eigentlich sollten, nämlich gute, gesetzlich geregelte Bedingungen. »Viele Firmen halten sich nicht an die gesetzlichen Bestimmungen und viele LeiharbeiterInnen haben gerade in der Krise Angst um ihren Arbeitsplatz und nehmen dafür einiges, wie etwa täglichen Arbeitsplatzwechsel oder unrichtige Bezahlung, in Kauf«, weiß Gabi Berger, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der Firma APS (Austrian Personalservice GmbH & Co KG). »Nur so etwa 20 haben einen Betriebsrat. Dabei sollte doch grundsätzlich jeder, der bei einer Zeitarbeitsfirma arbeitet, schauen können, ob die Stundenlöhne stimmen.« Leiharbeit ist gerade in Zeiten sanfter wirtschaftlicher Erholung ein von Unternehmen gerne genütztes Mittel, um kurzfristigen Arbeitskräftebedarf zu decken. In Deutschland wird bald jeder fünfte Arbeitsplatz ein Leiharbeitsplatz sein. Eine ähnliche Entwicklung ist auch für Österreich zu erwarten. Seit 1997 ist die Branche kontinuierlich angewachsen. 2008 hat die Zahl den Höchststand von 80.000 bis 90.000 Beschäftigten erreicht. Mit der Krise schrumpfte der Bereich der Arbeitskräfteüberlassung signifikant. Gerade in der Sparte Industrie - bis 2008 waren dort die meisten LeiharbeitnehmerInnen beschäftigt - war der Einbruch dramatisch. Mehr als ein Drittel wurde nicht weiterbeschäftigt, besonders betroffen ZeitarbeiterInnen in der Metallindustrie, 2009 war mehr als die Hälfte der rund 7.000 Beschäftigten dieser Branche arbeitslos. Demnach ist nicht verwunderlich, dass 90 Prozent der befragten Zeitarbeitskräfte in der Industrie das Risiko arbeitslos zu werden, als sehr hoch einschätzen. Die AK hat deshalb in einer Studie durchleuchtet, wie es um die derzeit etwa 60.000 LeiharbeiterInnen in Österreich steht. Rund 65 Prozent aller LeiharbeiterInnen möchten gar nicht sein, was sie sind, sondern einen festen Arbeitsplatz. Und zur Überbrückung vorerst in einem Leiharbeitsverhältnis zu arbeiten, um später eine feste Anstellung zu bekommen, spielt es nicht oft: Nur jede/r Fünfte hat es zwischen 1997 und 2008 geschafft, am Ende einen festen Arbeitsplatz zu haben. Usus ist vielmehr, dass LeiharbeitnehmerInnen großen saisonalen Einflüssen ausgesetzt sind. Gerade im letzten Quartal des Jahres, in der kalten Zeit also, steigt die Arbeitslosigkeit rapide an und erreicht Höchstwerte von 20 Prozent und mehr. Generell sind ein Drittel aller Arbeitsverhältnisse in der Leiharbeitsbranche nach einem Monat zu Ende, nur 55 Prozent werden bis zu drei Monaten »gehalten«. Auf zwölf Monate und mehr bringen es nur 22 Prozent der ArbeitnehmerInnen.

Schlampige Verhältnisse

Fast 40 Prozent der LeiharbeiterInnen werden vom gleichen Arbeitgeber immer wieder eingestellt und auch wieder entlassen, wenn es keine Arbeit gibt. Häufig kommt es dann zwischen der Leiharbeitsfirma und den ArbeitnehmerInnen zu einer »einvernehmlichen« Kündigung, nicht selten unter Druck. Ein Facharbeiter verliert dabei gut und gerne bis zu 1.200 Euro pro Kündigung und das oft mehrmals im Jahr. Eine »Unart« - aber bei Überlasser-Betrieben immer beliebter, wie in der Studie festgestellt wird. So kommt es, dass mehr als die Hälfte aller Beschäftigungsverhältnisse einvernehmlich gelöst werden. Auch wenn man die »druckfreien Einvernehmlichen« abzieht, bleibt ein Anteil von 39 Prozent. Die Beliebtheit dieses Instruments liegt schlicht darin, dass damit die Einhaltung der Kündigungsbestimmungen, die Bezahlung von Stehzeiten oder Krankenständen einfach umgangen werden kann. Um die Unterschrift zu bekommen, tendieren manche Zeitarbeitsfirmen dazu, die ArbeitnehmerInnen unter Druck zu setzen. Im Falle eines Krankenstandes wird jeder/m Zehnten, vor allem jenen mit geringem Qualifikations- bzw. Tätigkeitsniveau, eine einvernehmliche Auflösung »angeboten«. Mehr als zwei Drittel stimmten der Auf­lösung zu.

Zweitbelegschaft im Betrieb

Jeder/jede Vierte der befragten LeiharbeiterInnen ist mit der Bezahlung unzufrieden. Erst recht, wenn der »Leihlohn« mit dem der Stammbelegschaft verglichen wird, sieht knapp die Hälfte der Befragten eine Ungleichbehandlung. Innerhalb eines Betriebes entstehen so regelrechte Zweitbelegschaften. Dass es auch hier zu einer Benachteiligung von Frauen kommt, ist fast so sicher wie das Amen im Gebet: 2007 verdienten 48 Prozent der Männer mehr als 2.000 Euro aber nur 24 Prozent der Frauen. Dabei schlägt durch, dass Leiharbeit vor allem im Bereich von Hilfsarbeiten und angelernten, mittleren Tätigkeiten angesiedelt ist und somit zum niedrigen Lohnniveau beiträgt. Dem zu entkommen, die Qualifikation durch berufliche Weiterbildung im Rahmen ihrer Beschäftigung zu heben, ist für zwei Drittel der LeiharbeiterInnen nicht möglich. Nur etwas mehr als zehn Prozent haben 2008 an einer beruflichen Weiterbildung teilgenommen. Dabei wäre das Interesse groß: Mehr als 40 Prozent der Nicht-TeilnehmerInnen zeigen Interesse daran. Die Leiharbeit wird zum strategischen Management-Instrument, um flexibel zu bleiben und zugleich die Kosten möglichst niedrig zu halten. Spätestens wenn die Unternehmen nach der Krise wieder Personal brauchen, werden sie sich an die Vorzüge der Leiharbeit erinnern und noch stärker darauf zurückgreifen. Ursprünglich sollte sie Unternehmen die Möglichkeit eröffnen, in Boomzeiten und im Fall kurzfristigen Personalausfalls vorübergehend neue Mitarbeiter einzustellen. Inzwischen gehen immer mehr Betriebe dazu über, Leiharbeit als Instrument einer kurzfristigen Absicherung der Kapitalrendite einzusetzen. Absatz- und Kapitalrisiko der Unternehmen wird ausgelagert und den Leiharbeitern »umgehängt«. Benachteiligungen, die nach Regelungen verlangen, weil ihre Beschäftigung so unsicher ist: So wie etwa in Frankreich, wo LeiharbeiterInnen tatsächlich gleichen Lohn und zusätzlich eine »Prekaritätsprämie« in ­Höhe von zehn Prozent der Bruttolohnsumme erhalten.

Weblink
Mehr Infos unter:
www.leiharbeiter.at

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