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Die Invasion der Brötchen

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Sie kommen nicht mehr nur als Touristen, sondern auch als Arbeitskräfte. Und glauben, dass wir in Österreich und Deutschland dieselbe Sprache sprechen.

Die Sache mit der Sprache ist gemein: Auf den ersten Blick könnte man ja wirklich annehmen, dass wir ein und dieselbe sprechen. Tun wir aber nicht. Tun wir gar nicht. Und es ist auch nicht so, dass das österreichische nur ein lustiger Akzent des düsseldorferischen wäre. Es ist eine eigene Sprache. Und das macht der mittlerweile größten MigrantInnengruppe, den Deutschen, manchmal schwer zu schaffen. Doch nicht nur sprachliche Feinheiten machen den ArbeitsmigrantInnen aus dem Norden zu schaffen, auch die österreichische Mentalität abseits der Gemütlichkeit treibt Deutsche manchmal in die Verzweiflung.

Als Deutscher wundert man sich ...

Roger Baumeister, Architekt aus Konstanz kam zu einem Praktikum nach Wien und wusste bald: Ich gehe wieder! Der passionierte Radfahrer hatte mehr als ein unliebsames Zusammentreffen mit dem Wiener Berufsverkehr und bekam bald mit, dass das Mietrecht in Wien eine ganz besondere Wissenschaft ist: Er wohnte in (unerlaubter - wie sich später herausstellte) Untermiete in einer Gemeindewohnung. »Als Deutscher wundert man sich schon oft über österreichische Besonderheiten, zum Beispiel das komplizierte Mietrecht. Ich glaube auch, dass gesellschaftliche Reformen nicht angegangen werden«, meint Baumeister. Ihn ärgert, dass er zwar Steuern zahlen darf, aber nicht wählen, und dass der Standard als irgendwie linke Zeitung so »piefkefeindlich« ist.
Ingo S. kommt aus Berlin und hat seine Übersiedlung nach Österreich noch keine Sekunde bereut: Er arbeitet bei einem Diskonter und ist mittlerweile Filialleiterstellvertreter. Auf die  Frage, ob der denn alles verstehe, was ihm bei der Kasse so zu Ohren kommt: »Ich habe eine Zeit bei einer Freundin im 22. Bezirk gewohnt, und da sind wir auch weggegangen - da hab ich eine harte Schule gehabt, wenn die alten Männer dort so richtig losgelegt haben.« Österreich hat er sich bewusst ausgesucht: »Die Lebensqualität ist in fast allen Belangen besser als in Deutschland und der Sozialstaat funktioniert besser.« Nachsatz: »Noch.« Abgehen tut ihm kaum etwas, von einigen Freunden, die er in Berlin zurückgelassen hat, einmal abgesehen: Berliner Jubiläumspilsen, Zuckerrübensirup und Zitronenteegranulat fehlen ein wenig, ansonsten identifiziert Ingo sich mit seiner neuen Heimat voll: »Klar will ich später die Staatsbürgerschaft.« Anders als andere Deutsche Zuwanderer kennt er den Unterschied zwischen Weckerl und Semmerl ganz genau und lächelt nur noch über die sprachlichen Hürden, die am Beginn zu nehmen waren.
Kamen am Anfang klassische »Schlüsselarbeitskräfte« und später die Ossis in schlecht bezahlte Jobs im Tourismus, so zieht es heute Deutsche aus allen Teilen des Landes nach Österreich: Auf der Homepage www.justlanded.com kann man lesen: »Für deutsche Arbeiter und Angestellte stehen die Chancen gar nicht mal so schlecht, einen Arbeitsplatz in Österreich zu finden ...«
Doch es ist immer noch nicht ganz leicht für Deutsche hier Fuß zu fassen, Baumeis­ter: »In Berlin kann man an einem Abend beim Ausgehen leicht Kontakt bekommen, hier ist das kaum möglich.« Das mag auch daran liegen, dass Deutsche (hier besonders TouristInnen) nach wie vor der Österreicher liebste Hassobjekte sind: Sie lieben unseren Schmäh und die angebliche Gemütlichkeit, und wir verachten sie dafür.

Mit großem Ego ist man netter

Doch nach und nach ändert sich das: Denn wenn das »Fräulein« oder der »Ober« im Stammlokal mit deutscher Zunge spricht, dann ist des Österreichers Ego plötzlich wieder ganz groß: Und mit großem Ego kann man auch ein bisschen leichter nett sein. Und so schaffen die freundlichen deutschen GastarbeiterInnen im Tourismus, in der Pflege oder im Handel, was Millionen TouristInnen nicht geschafft haben: Schön langsam können wir die Deutschen leiden.

Weblink
Einwandern, aber richtig:
www.justlanded.com

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