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Wir können das besser Während der kulturellen Integration werden Normen verinnerlicht, und eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben wird möglich.

Wir können das besser

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Reizwort Integration: Jeder verwendet es und fast jeder hat eine eigene Vorstellung, was damit gemeint ist. Doch was heißt Integration, und wie funktioniert sie?

Der einzige Konsens, den es in Sachen Integration (auch erfolgreicher) gibt, ist die Tatsache, dass es keinen gibt. Das meint zumindest der Integrationsexperte Kenan Güngör: »Integration ist ein Non-Normativer Begriff. Er sagt nichts darüber aus WIE das stattfindet. Also ob es sich um totale Assimilation oder um Multikulti handelt zum Beispiel.«

Integration auf mehreren Stufen

Um zu verstehen, was in Sachen Integration gut und was schief läuft, sollte man sich die verschiedenen Stufen der Integration vor Augen halten. Soziologen haben diese Stufen benannt: Bei der strukturellen Integration erhalten MigrantInnen und ihre Kinder Zugang zu gesellschaftlichen Positionen. Dazu müssen sie sprachliche Fähigkeiten erwerben und die kulturellen Regeln des Zuwanderungslandes kennen.
Während der kulturellen Integration werden Normen verinnerlicht, und eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben wird möglich.
Danach erfolgt die soziale Integration. In diesem Stadium akzeptiert die Aufnahmegesellschaft die Einwanderer auch im privaten Bereich. Die vierte Phase ist die »identifikatorische Integration«. In dieser Phase entwickeln die MigrantInnen und ihre Kinder ein neues persönliches Zugehörigkeitsgefühl zur Aufnahmegesellschaft.
Was hier so theoretisch klingt, spielt sich im Leben jedes/r Zugezogenen in jedem Land der Welt ab. Der Unterschied liegt in den Rahmenbedingungen, die die Aufnahmegesellschaft bietet und den Möglichkeiten der Zugezogenen. »In Österreich«, so Kenan Güngör, »funktioniert die ›Integrationsmaschine‹ alles andere als schlecht. Wir leiden auf hohem Niveau«. Das Problem mit der Integration in Österreich ist die Tatsache, dass die Anerkennung für die MigrantInnen fehlt, meint Güngör: »Genau die braucht es aber, wenn Integration glücken soll. Wir sollten sagen: Liebe Leute, ihr seid willkommen und ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft. Wir investieren in euch und eure Lebensumstände. Und wir erwarten dafür auch etwas.« Zum Beispiel das Erlernen der Sprache. Und dafür muss es auch gute und ausreichende Angebote geben.
Um nicht nur »auf hohem Niveau« zu jammern, ist es hilfreich, sich andere Modelle anzuschauen und der Frage nachzugehen, was Integration für alle Beteiligten erfolgreich machen kann. Seit einigen Jahren bemüht sich die Stadt Basel um ein geglücktes Miteinander zwischen alteingesessenen BaselerInnen und neu zugezogenen Menschen. Die Baseler Integrationspolitik baut auf drei Leitideen auf: Das vorhandene Potenzial der Eigenschaften und Fähigkeiten aller Beteiligter wird als Chance gesehen und genutzt. Die gesamte Bevölkerung ist in den Prozess der Integration einzubeziehen. Und jeder Mensch wird als Individuum gesehen. Das führt dazu, dass neben einem Schwerpunkt auf Spracherwerb auch Abschlüsse, die Menschen im Ausland gemacht haben, anerkannt werden. Eine Praxis, die den MigrantInnen ebenso nützt wie den BaselerInnen. Basel dient mittlerweile als Vorbild für die Integrationsmodelle anderer Städte.

Das Niederländische Modell

Das vielgerühmte »Niederländische Modell« galt jahrelang als Vorbild, muss sich aber zunehmend Kritik gefallen lassen: Die hoch gehaltene Toleranz gegenüber der anderen Lebensweise von ethnischen Minderheiten hatte letztendlich dazu geführt, dass die niederländische Öffentlichkeit die schlechte sozioökonomische Situation einer Vielzahl der in den Niederlanden lebenden MigrantInnen nicht wahrgenommen hat. Konflikte wurden toleriert, aber nicht ausgetragen. Heute fordern zunehmend mehr ExpertInnen und PolitikerInnen einen »ehrlicheren Umgang« mit den durch das Zusammenleben von MigrantInnen entstehenden Problemen: Seit 1998 gibt es in den Niederlanden ein obligatorisches Integrationsprogramm für Neuzuwanderer bei denen Aussicht auf dauerhaften Verbleib besteht.
Schweden hat die Sache von Beginn weg ganz anders angepackt: Es hatte einfach im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Zuwanderungsländern nie eine »Gastarbeiterpolitik«. Schweden ist immer davon ausgegangen, dass die Menschen bleiben werden und hat sich entsprechend verhalten. Eine vergleichsweise offene Zuwanderungspolitik und eine auf Eingliederung ausgerichtete Integrationspolitik gilt trotz einiger Defizite und Probleme als international vorbildlich. SpitzenpolitikerInnen mit Migrationshintergrund sind in Schweden keine Seltenheit. In Schwedens Schulen lernen Kinder von MigrantInnen nicht nur Schwedisch, sondern haben auch das Recht, regelmäßig Unterricht in ihrer Muttersprache zu erhalten - eine Grundvoraussetzung dafür, die Fremdsprache Schwedisch schnell und leicht zu lernen.

Schweden setzt auf Zuzug

Schweden empfängt MigrantInnen unter bestimmten Voraussetzungen mit offenen Armen: Wer in Folge des Familienzuzugs ins Land kommt, darf vom ers­ten Tag an einer Arbeit nachgehen. Wessen Asylantrag abgelehnt wurde, der kann innerhalb einer bestimmten Frist Arbeit suchen. Findet er eine, kann er Antrag auf Zulassung als Arbeitsmigrant stellen. Die schwedische Regierung geht davon aus, dass Schweden Zuzug braucht, will es keine Probleme mit einer überalterten Gesellschaft bekommen. Heute gibt es Kurse »Schwedisch für Einwanderer/-innen«, die obligatorisch von allen besucht werden müssen, die sich in Schweden niederlassen wollen. Der Kurs wird von der Allgemeinheit bezahlt. Neben der Sprache werden auch Kenntnisse über die schwedische Tradition und Gesellschaftsordnung vermittelt.
Die USA sind, trotz der Diskussion über die ungeregelte Einwanderung aus dem Süden, immer noch stolz, ein Einwanderungsland zu sein. Es wird zwar zunehmend eine strengere Anwendung der Gesetze gefordert, aber der Großteil der Bevölkerung befürwortet ungebrochen den Zugang zu legalem Aufenthaltsstatus für all jene, die sich schon in den USA aufhalten. Neben Familienzusammenführung und arbeitsmarktorientierter Einwanderung finden Zuwan­derer/-innen auch in der Diversity Lottery eine Möglichkeit, eines der begehrten US-Visa zu bekommen. Diese Lotterie lost jährlich 55.000 Visa an Personen aus, aus deren Heimatländern in den vergangenen fünf Jahren nicht mehr als 50.000 Menschen eingewandert sind. So sorgen die USA für eine starke Durchmischung der Einwanderer/-innen.
Einen großen Unterschied machen die verschiedenen Staatsbürgerschaftsrechte aus: Während in Europa das Erlangen der Staatsbürgerschaft oft ein langwieriger Prozess ist und selbst Kinder aus gemischten Ehen nicht automatisch ÖsterreicherInnen werden, erhalten alle Menschen, die in den USA geboren werden, automatisch die US-Staatsbürgerschaft.

Wie Integration glücken kann

Welches ist also nun das beste Modell? Unter welchen Umständen kann Integration glücken?
Andrea Eraslan-Weninger, Geschäftsführerin des Integrationshauses in Wien, legt ihr Augenmerk auf die Sprache: »Österreich ist ein monolinguales Land, das Ziel sollte Mehrsprachigkeit sein. Dann kann jeder seinen gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft finden.« Und in einem Punkt sind sich Kenan Güngör und Andrea Eraslan-Weninger einig: »Das Problem ist vielmehr ein soziales, als ein ethnisches.« Eraslan-Weninger: »Jede/r braucht einen Job, von dem man gut leben kann.« Güngör: »Wir ethnisieren sehr viele Probleme. Das ist aber der falsche Weg.« Auf der anderen Seite darf man Menschen aus der Mehrheitsbevölkerung ihre (manchmal auch schlechten) Erfahrungen nicht »wegnehmen«, indem sie kleingeredet oder negiert werden. Viel wird, so Güngör, durch die Art wie hauptsächlich PolitikerInnen und JournalistInnen über das Thema sprechen, kaputt gemacht.

Mehr Eigenverantwortung

Wenn die Anerkennung fehlt, kann Integration nicht glücken. »Diese Missliebigkeit wirft uns gut dreißig Jahre zurück.« Wir müssen den Menschen die Möglichkeit geben, ein Leben in größtmöglicher Eigenverantwortung zu führen, und ihr Leben souverän zu gestalten. Und: »Wir dürfen die Opfermentalität der MigrantInnen nicht verstärken.«

Weblink
Kenan Güngörs Büro [difference:]
www.think-difference.org

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