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Katharina Klee Katharina Klee, Chefredakteurin

Standpunkt | ... ist wohl die Heimat mein ...

Meinung

Als ich klein war, gab es noch keine MigrantInnen bei uns in Tirol, nur »Ausländer« und »Fremde«. Letztere brachten das Geld im Fremdenverkehr. Manche nannten sie Touristen oder noch besser Gäste.

Im Sprachgebrauch blieben sie Fremde: Holländer, Briten, Italiener und unsere Lieblingsnachbarn, denen Felix Mitterer einst in der Piefke-Saga ein Denkmal gesetzt hat. Die Fremden kamen - und wehe wenn nicht -, ließen Geld da und reisten wieder ab. Da waren viele Einheimische doch geneigt, sich auch mit dem Fremden auseinanderzusetzen, ja zu arrangieren. Gerne wurde das Schulenglisch eingesetzt, Schilehrer lernten Holländisch und auf den Speisekarten tauchten Eisbein und Sahne auf.

Bisch a Tiroler ...

AusländerInnen kannte ich wenige, als ich ein kleines Mädchen war. Lange Jahre ­haben kaum »Gastarbeiter« in der Röhrenwerksiedlung nebenan gewohnt. Die, die es gab, kamen aus Jugoslawien und der Türkei. Und dann gab es noch Flüchtlinge; damals sagte man noch nicht Asylanten, sondern auch im Wort war enthalten, dass diese Menschen auf der Flucht vor ­irgendetwas waren. Und irgendetwas bedeutete Verfolgung, Krieg oder Not, wie bei der netten Sikh-Familie oder den persischen Studenten auf der Flucht vor Khomeini.
An Fremdenfeindlichkeit kann ich mich nicht erinnern, wenn man davon absieht, dass mir schon damals viele Landsleute feindlich allem Fremden gegenüber eingestellt erschienen. »Bisch a Tiroler, bisch a Mensch« heißt es noch immer ­gerne mit stolz geschwellter Brust, und ­wofür man die NichttirolerInnen so hält, wissen die meistens selbst. In Tirol muss keiner aus dem Ausland kommen, um ­Integrationsprobleme zu haben, da reicht es oft schon, aus Vorarlberg, Salzburg oder gar Wien zu stammen.
»Mensch sein« allein reichte mir nicht, und so machte ich mich auf nach Wien, wo alle fremd zu sein schienen. Es dauerte Jahre bis ich auch »echte Wiener« kennenlernte. Zuvor hatte sich mein Freundes- und Bekanntenkreis um BewohnerInnen aller Bundesländer, Deutsche und sogar Türken erweitert. Damals war der Brunnenmarkt voll schillernder Exotik - für eine Tirolerin zumindest. Wien war Multikulti und das begeisterte mich.
Multikulti ist mehr geworden in den letzten 20 Jahren. In Wien und in ­Tirol. In der Röhrenwerksiedlung wohnen fast nur noch Menschen mit Migrationshintergrund. Auf den Almhütten bedienen deutsche GastarbeiterInnen russische Gäste. In Telfs steht seit Jahren eine Moschee.
Irgendwie kann ich auch verstehen, dass das Fremde manchen Menschen Angst macht. Es ist irritierend, wenn man im Straßenbahnwaggon kein Wort versteht. Auch ich frage mich, ob alle Mädchen diese Kopftücher gerne tragen. Immer wieder prallen die Kulturen aufeinander. Das ist heute schwieriger als damals. Was ich nicht verstehen kann, ist die Fremdenfeindlichkeit, die mir im Wiener Wahlkampf wieder einmal von den Plakaten entgegenschreit. Und nicht nur dann.

Melange der Kulturen

Immer noch begeistern mich der Brunnenmarkt und die »Melange der Kulturen«. Ich erfreue mich an internationalen Lokalen, am bunten Straßenbild und an den KollegInnen aus aller Welt, die mir seit ein paar Jahren häufiger in der ArbeitnehmerInnenvertretung begegnen. Da ist die türkischstämmige Rechtsberaterin, deren Vorname Liebling heißt, der in Ägypten geborene Betriebsrat, der seine KollegInnen in Eu­ropa vertritt, oder die Redakteurin, deren Eltern aus Bosnien fliehen mussten. Und da ist der hilfsbereite Nachbar in Tirol, der als Fünfjähriger aus Anatolien hergezogen ist oder das äthiopische Waisenkind, das mein Cousin adoptiert hat. Ohne alle diese »Fremden« kann und will ich mir meine Heimat Österreich nicht mehr vorstellen.

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