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Ein Nein ist ein Nein? Kavaliere starren nicht und grapschen nicht. Sie erzählen keine zotigen Witze und machen keine Anspielungen auf das Sexualleben der Umstehenden. Und vielleicht das Wichtigste: Kavaliere verstehen das Wort Nein.
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Ein Nein ist ein Nein?

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Fast jede Frau ist im Laufe ihres Arbeitslebens schon einmal sexuell belästigt worden. Die meist männlichen Täter wollen die Grenzen oft nicht erkennen.

So gut wie jeder Frau ist es schon einmal passiert: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, und doch rangieren diese Übergriffe in den Hirnen vieler Männer immer noch als Kavaliersdelikte. Doch Kavaliere benehmen sich anders. Kavaliere starren nicht und grapschen nicht. Sie erzählen keine zotigen Witze und machen keine Anspielungen auf das Sexualleben der Umstehenden. Und vielleicht das Wichtigste: Kavaliere verstehen das Wort Nein. Ohne Widerrede. Einfach so wie es gemeint ist: Nein.
Die Zeit der Kavaliere ist wohl schon lang vorbei, und vor dem Gesetz steht sexuelle Gewalt - oder wie es auch verharmlosend heißt - sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz - unter Strafe.

Grenzen achten
Was ist eigentlich sexuelle Gewalt oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz? Silvia Ledwinka, ÖGB-Frauensekretärin, bringt es auf den Punkt: »Das Besondere ist das individuelle Empfinden. Es mag sein, dass es in einem Betrieb 15 Frauen gibt, die sich durch Schmähs nicht belästigt fühlen. Aber wenn es eine nicht erträgt und es abgestellt haben will, dann zählt das und ist zu respektieren. Diese Grenze ist einfach zu achten, und die liegt bei jedem Menschen woanders.« Auch die Gleichbehandlungsanwältin, Mag. Cornelia Amon-Konrath meint: »Es kommt auf die Betroffene an und nicht auf die Absicht, die dahinter steckt.« Wem das zu heftig klingt, dem rät die Anwältin zur Lektüre eines OGH-Urteils samt Begründung, in dem es heißt: »Sexualität wird vom Belästiger vielfach eingesetzt, um Macht zu demonstrieren und auszuüben. So vermittelt es offenbar Männern das Gefühl von Dominanz, wenn sie verbale Urteile über körperliche Merkmale von Frauen abgeben.«

Klare Kommunikation
Nachdem sowohl einschlägige Untersuchungen als auch nicht wissenschaftliche Umfragen im Bekanntenkreis übereinstimmend ergeben, dass fast jede Frau schon zumindest einmal sexuell belästigt wurde, stellt sich die Frage, wie man sich im Arbeitsleben vor diesen erniedrigenden Erlebnissen schützen kann. Erste Regel ist klare Kommunikation: Stopp sagen, ist nicht nur für Betroffene selbst wichtig, es ist unabdingbar notwendig, um später zu seinem Recht zu kommen. Es ist sinnvoll, sich an den Betriebsrat oder an Vorgesetzte zu wenden. Nur so kann der Arbeitgeber im Falle eines Gerichtsverfahrens auch zur Verantwortung gezogen werden. Mag. Cornelia Amon-Konrath: »Betroffene sollten möglichst bald nach einem Vorfall ein genaues Gedächtnisprotokoll anfertigen und ausdrucken. Ein Teil der Vorfälle wird mit der Zeit verdrängt und es kann sein, dass nach Meldung eines solchen Vorfalles, Mailaccount und Zugang zum Computer gesperrt werden. Dann ist es gut, einen Ausdruck zu haben. Das gilt auch für schriftliche Belästigungen, die via Mail ins Postfach eintrudeln.« Diese sollte man auch an einen anderen eigenen Account weitersenden.
Silvia Ledwinka ergänzt: »Schon beim Einstieg ins Berufsleben sollten junge Menschen wissen, dass ihnen so etwas passieren kann, an wen sie sich wenden können, und was ihre Rechte sind.«

Konsequenzen für die Täter
Ebenfalls hilfreich ist eine Betriebsvereinbarung, in der klar kommuniziert wird: Sexuelle Belästigung hat in unserem Unternehmen nichts verloren und hat für den Täter Konsequenzen. Das ist leider immer noch nicht selbstverständlich, denn ein Großteil der Frauen, die versuchen sich gegen ihren Peiniger zur Wehr zu setzen, verlassen am Ende das Unternehmen und das meist nicht freiwillig. In Unternehmen, die ernsthaft gegen sexuelle Belästigung vorgehen, geht der Belästiger (wenn gelindere Mittel nicht greifen). Ilse Fetik, Betriebsrätin der Erste Bank: »Für die Betroffenen ist es immer sehr schwer, so etwas öffentlich zu machen, und ich glaube, es ist für viele leichter zu einer Frau zu gehen, um sich auszusprechen. Man muss diskret damit umgehen und darf auf gar keinen Fall werten, denn was für mich gerade noch erträglich ist, kann für eine andere schon eine echte Belästigung sein.« Ilse Fetik hütet sich vor »allgemeingültigen Rezepten«: »Man muss zur jeweiligen Person angepasst reagieren.« Es sei wichtig, zuzuhören, sich in die betroffene Person versetzen können, nächste Schritte verbindlich zu vereinbaren und gegebenenfalls Hilfe dazu zu holen. Denn auch die beste Vertrauensperson oder der engagierteste Betriebsrat ist kein Therapeut und kein ausgebildeter Psychologe.

Den meisten betroffenen Frauen geht es übrigens nicht um Rache, nicht um Strafe, sondern darum, einfach in Ruhe weiterarbeiten zu können. Sowohl Silvia Ledwinka als auch Cornelia Amon-Konrath bestätigen aus ihrer langjährigen Erfahrung: »Die Frauen sind auf den Job angewiesen.« Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz schadet, wenn sie nicht schnellstmöglich abgeschaltet wird, nicht nur den Opfern, sondern auch dem Betrieb. Und daher ist es für jedes Unternehmen - denn anders als Mobbing kommt sexuelle Belästigung nahezu in jedem Unternehmen einmal vor - wichtig, präventiv etwas gegen dieses Phänomen zu unternehmen.

Nicht verharmlosen
Wichtig für Unternehmen ist, das Thema nicht zu verharmlosen, meint auch Ilse Fetik: »Wenn das Thema aus dem Tabu rausgeholt wird und man Rahmenbedingungen schafft, in denen man darüber reden kann, ändert sich das Klima.« Betriebsvereinbarungen, wie z.B. der ÖGB oder auch die Erste Bank eine haben, können zu einem Betriebsklima beitragen, in dem klar ist: Die Vorgesetzten dulden so ein Verhalten auf gar keinen Fall. Schulungen sind ein weiterer Baustein an einer Mauer gegen sexuelle Belästigung.

Obwohl Österreich, nicht zuletzt auch wegen der Initiative der EU ein relativ gutes Gesetzeswerk hat, das sowohl im Gleichbehandlungsgesetz als auch im Strafrecht brauchbare Regelungen gegen sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz bereithält, gibt es doch auch Kritik: »Die Strafsätze sind viel zu niedrig. Da wird nicht kommuniziert, dass das einen pönalen Charakter hat«, erklärt die Arbeitsrechtsexpertin Dr. Sieglinde Gahleitner: »Wir haben leider keine Rechtstradition für immateriellen Schaden - eine effektive Rechtsdurchsetzung wird aber von der EU in dieser Angelegenheit verlangt. Und an den niedrigen Schadenersatzhöhen kann man halt sehen, wie wichtig das der Rechtsordnung ist.« Die engagierte Anwältin wünscht sich gravierende Schadenersatzzahlungen: »Wenn dem Geschäftsführer einmal Grapschen 30.000 Euro kostet, wird der Unwert dieser Handlung wirklich klar.« Silvia Ledwinka stößt ins gleiche Horn: »Sexuelle Gewalt am Arbeitsplatz muss gesellschaftlich geächtet werden.«

Weblink
Mehr Infos unter:
www.tatortarbeitsplatz.at
Dort finden sich Studientexte, aber auch eine Musterbetriebsvereinbarung

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