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Gleiches Recht für alle? Es ist eine Frage der Lebenswirklichkeit, dass Kinder auch in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und in eingetragenen Partnerschaften zur Welt kommen.

Gleiches Recht für alle?

Schwerpunkt

Im Arbeitsrecht sind nicht alle Familienformen gleich. Am Beispiel Pflegefreistellung zeigt sich, dass Stiefkinder vom Gesetzgeber stiefmütterlich behandelt werden.

Ist von »Familie« die Rede, denken die meisten Menschen zuerst an die klassische Kernfamilie: ein verheiratetes Paar mit gemeinsamen Kindern. Diese Form des Zusammenlebens spielt in Österreich nach wie vor die Hauptrolle. Die Anzahl der Ehen und Lebensgemeinschaften, in denen Kinder unter 18 Jahren aus einer vorherigen Beziehung leben ist jedoch im Steigen begriffen. Etwa 75.900 Kinder leben laut Statistik Austria (Mikrozensus 2007) in Lebensgemeinschaften. Außerdem muss auf 151.000 Alleinerziehende mit Kindern unter 18 Jahren ebenfalls Bedacht genommen werden. Seit 1. Jänner 2010 wurde außerdem das neue Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft (für gleichgeschlechtliche Paare) geschaffen. Kinder wachsen in all diesen unterschiedlichen Partnerschaften auf. Will man diese gleich behandeln, müssen die Familienformen gleichgestellt werden.

Klassisches Familienbild
Die österreichische Rechtsordnung hat aber in vieler Hinsicht immer noch das klassische Familienbild von verheirateten Eltern und ihren leiblichen Kindern vor Augen. Daraus ergeben sich strukturelle Benachteiligungen für andere Familienformen, insbesondere für Kinder, die in »Patchworkfamilien« leben und deren Bedürfnisse in der Rechtsordnung nicht ausreichend abgebildet sind. So werden bei der Pflegefreistellung, die im Urlaubsgesetz geregelt ist, Stiefkinder in Ehen und in Lebensgemeinschaften gegenüber Kindern, die mit beiden leiblichen Elternteilen in einer Ehe oder in einer Lebensgemeinschaft leben, dadurch benachteiligt, als nur der leibliche Elternteil, der mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, den Anspruch auf Pflegefreistellung hat. Der Personenkreis, der Pflegefreistellung in Anspruch nehmen kann, ist im Urlaubsgesetz taxativ angeführt und beschränkt auf nahe Angehörige, Ehegatten, eingetragene Partner, ­Lebensgefährten, Eltern, Großeltern, Urgroßeltern, Kinder, Enkel, Urenkel, Adoptiv- und Pflegekinder, sofern sie im gemeinsamen Haushalt wohnen.
Stiefkinder fehlen, weil sie rechtlich kein Verwandtschaftsverhältnis zum Stiefelternteil haben. Sie gelten daher nicht als nahe Angehörige, auch wenn sie sich nahe stehen.

Weil nur der leibliche Elternteil im gemeinsamen Haushalt den Anspruch hat, ergeben sich meist für die Mutter höhere Arbeitsplatzrisiken oder berufliche Nachteile. Sie muss die Pflegefreistellung öfter in Anspruch nehmen, als dies bei einem Miteinander der Eltern der Fall ist. Für das Stiefkind gibt es nur halb so viel »Anspruch« auf Pflegefreistellung durch einen Elternteil. Darin besteht die Diskriminierung gegenüber Kindern, die mit beiden leiblichen Eltern im Haushalt wohnen.
Angestellte können sich im Einzelfall auf eine weitergehende Regelung im Angestelltengesetz (§ 8 Abs. 3) berufen. Sieht der Kollektivvertrag bei ArbeiterInnen bei Erkrankung der Stiefkinder keine Dienstfreistellung vor, besteht auch der Anspruch nicht.

Es steht außerdem eine notwendige Gesetzesänderung aus, die es auch leiblichen Elternteilen ermöglicht, die nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind leben, den obsorgeberechtigten Elternteil bei der Betreuung eines erkrankten Kindes zu unterstützen. Auch diese Elternteile sollten die Pflegefreistellung in Anspruch nehmen können, wenn darüber Einvernehmlichkeit mit dem obsorgeberechtigten Elternteil besteht.

Familienrechtsänderungsgesetz 2009
Durch das FAMRÄG 2009 sollte eine Anknüpfung mit definierten Verantwortlichkeiten für den Stiefelternteil geschaffen werden, die ein Nachziehen in anderen Gesetzesmaterien wie z. B. bei der Pflegefreistellung (UrlG) ermöglicht.
Seit 1. Jänner 2010 sind verheiratete Stiefelternteile verpflichtet, die obsorgeberechtigten Ehegatten/-innen bei deren elterlichen Aufgaben zu unterstützen und in Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens zu vertreten, so weit es die Umstände erfordern.

Gemeint sind damit Aufsichtspflichten wie die Begleitung des Kindes in den Kindergarten oder Schule, die Begleitung zum Hausarzt, Aufsicht, Beistand in Krisenzeiten oder die Pflege bei Krankheit. Konkurrenzverhältnisse zum anderen Elternteil sollten dabei aber vermieden werden. Auch im Hinblick auf Lebensgemeinschaften wurde im FAMRÄG 2010 ein Recht des Kindes auf Beistand durch den/die Lebensgefährten/-in des Elternteils ­geschaffen. Eine mit einem Elternteil und dessen minderjährigem Kind nicht nur vorübergehend im gemeinsamen Haushalt lebende volljährige Person, die in einem familiären Verhältnis zum Elternteil steht, hat alles den Umständen nach Zumutbare zu tun, um das Kindeswohl zu schützen. Damit wurden Voraussetzungen geschaffen, das Urlaubsgesetz anzupassen und Lebensgefährten/-innen gegenüber ihren Stiefkindern die Pflegefreistellung in einem nächsten Schritt zu ermöglichen.

Eingetragene Partnerschaften (EP)
Am 1. Jänner 2010 ist das Gesetz über die eingetragene Partnerschaft (EPG) in Kraft getreten. Das neue Rechtsinstitut kann nur von gleichgeschlechtlichen ­Paaren eingegangen werden, ist aber der Ehe weitgehend nachgebildet. Das EPG schließt jedoch eingetragene PartnerInnen ausdrücklich von der Stiefkind­adoption und der gemeinsamen Fremdkindadoption aus. Die medizinisch unterstützte Fortpflanzung wird sowohl vom Fortpflanzungsmedizingesetz als auch im EPG ausdrücklich ausgeschlossen. Trotzdem leben Stiefkinder in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und in eingetragenen Partnerschaften. Es ist eine Frage der Lebenswirklichkeit, dass Kinder auch in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und in eingetragenen Partnerschaften zur Welt kommen.

Auch diese Kinder werden krank und benötigen die Anwesenheit eines Elternteils. In der EP gilt, dass die Pflegefreistellung nur dem leiblichen Elternteil zusteht, nicht aber dem Stiefelternteil. Anders sieht es bei Pflegeeltern aus. Die Jugendwohlfahrtsträger einiger Bundesländer (z. B. Wien) vergeben Kinder auch gemeinsam an eingetragene Partner in Pflege. Weil dadurch beide PartnerInnen gegenüber dem Kind gleiche Pflichten übernehmen und gleichermaßen durch die Jugendwohlfahrtsbehörde legitimiert sind, haben beide Pflegeelternteile Anspruch auf Pflegefreistellung wie leibliche Eltern.
Die Existenz von Kindern in EP zu ignorieren, scheint jedenfalls in einem erheblichen Spannungsfeld zur europäischen Rechtsprechung zu stehen.
Dass die Forderung, alle Familienformen gleichzustellen und mit Rechten auszustatten, die es zulassen, Familie und Beruf auch mit Stiefkindern zu bewältigen, legitim und die Umsetzung möglich ist beweist, dass im Rechtsbestand des öffentlichen Dienstes (Beamtendienstrecht und Vertragsbedienstetenrecht) ­diese Ansprüche bereits Realität sind. Einige Landesregierungen, insbesondere Wien, haben auch schon Gesetzesentwürfe vorgelegt, die eingetragene Partnerschaften auch im Hinblick auf Kinder in ihren Bereichen (Beamtendienstrecht und Vertragsbedienstetenrecht) gleichstellen sollen, insoweit dies in Landes­gesetzen möglich ist.

Ein gutes Beispiel wie man die Pflegefreistellung besser regeln könnte, wird durch die Ausgestaltung der Familienhospizkarenz veranschaulicht. Der Personenkreis, für den die Freistellung bzw. die Reduktion der Arbeitszeit in Anspruch genommen werden kann, ist durch die Berücksichtigung aller Familienformen um einiges zeitgemäßer ausgestaltet.
Sowohl Sterbebegleitung als auch die Begleitung schwerst erkrankter Kinder kann für Wahl(Adoptiv-)- und Pflegekinder sowie für die leiblichen Kinder des anderen Ehegatten, des eingetragenen Partners oder des Lebensgefährten in Anspruch genommen werden, wenn diese im gemeinsamen Haushalt leben. Der Anspruch für Kinder des eingetragenen Partners besteht dann, wenn die Begleitung aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen von keinem leiblichen Elternteil übernommen werden kann.

Win-win-Situation
Könnte die Pflegefreistellung auch von Stiefeltern in Anspruch genommen werden, fiele die Belastung für den einzelnen Betrieb, z. B. der Mutter, geringer aus. Das Argument der UnternehmerInnen, dass eine solche Gesetzesänderung der Wirtschaft zu viele Kosten verursacht, stimmt daher nicht. Im Gegenteil, dies wäre eine Win-win-Situation für ArbeitnehmerInnen und Betriebe.

Weblink
Broschüre zur EP:
www.arbeiterkammer.at/bilder/d125/EingetragenePartnerschaft.pdf

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helga.hess@akwien.at
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aw@oegb.at

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