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Wiener LehrerInnen in der Ersten Republik bei einer Fortbildungsveranstaltung. Wiener LehrerInnen in der Ersten Republik bei einer Fortbildungsveranstaltung.

Arbeit mit Zwangszölibat

Historie

Noch vor 80 Jahren gab es auch in Österreich einige Berufe ohne Chance auf PartnerInnenschaft.

Heute ist es unvorstellbar. Doch in ein paar österreichischen Bundesländern galt für einige berufstätige Frauen der Zwang zur Ehelosigkeit noch vor 80 Jahren. Die ersten staatlichen Heiratsbeschränkungen wurden durch die Kaiserdiktatur 1820 erlassen und nach der gescheiterten Revolution von 1848 verschärft. Als Dienstbote/-botin, Geselle, TaglöhnerIn, im Haushalt bei DienstherrInnen lebende »InwohnerInnen« und ohne gesichertes Einkommen durfte man nur mit Erlaubnis der Gemeinde heiraten. Das galt bis 1921, in Vorarlberg bis 1923. Die Folgen: uneheliche Kinder ohne Chancen, schwangere Dienstmädchen, die hinausgeworfen und zu Prostituierten wurden. Der Zwang zum »Inwohnen« konnte durch Kollektivver­träge und Gesetze abgeschafft werden, und die demokratische Republik demokratisierte das Eherecht. Aber die Abhängigkeit der Dienstboten/-innen am Land änderte sich kaum. So wurden noch 1930 im Pinzgau über 90 Prozent der Kinder von Dienstmägden unehelich geboren.

Für alle Frauen und einige Männer im öffentlichen Dienst galt bis 1918 ebenfalls: Sie hatten zölibatär zu leben. Die Republik änderte auch das: Das »Fräulein von der Post« musste kein unverheiratetes »Fräulein« mehr sein. Aber es gab Ausnahmen, darunter Unteroffiziere und Lehrerinnen. Die Ausführungsgesetze für die Anstellung von PflichtschullehrerInnen blieben Landessache. Vor dem Ersten Weltkrieg konnten verheiratete Frauen diesen Beruf nur in Wien und Dalmatien ohne Einschränkung ausüben. In Niederösterreich fiel das Heiratsverbot in der Ersten Republik, im neuen Bundesland Burgenland wurde es gar nicht erst eingeführt. In Vorarlberg, Tirol und Salzburg galt der strikte Zölibat weiter, in Oberösterreich, in der Steiermark und in Kärnten ein teilweiser. In Kärnten wurde das Eheverbot noch vor der Weltwirtschaftskrise ­wieder eingeführt. Proteste der Gewerkschaften fruchteten nichts.

Nach dem »Doppelverdienergesetz« von Ende 1933 führten Heirat und ebenso PartnerInnenschaft ohne Heirat für Frauen im öffentlichen Dienst automatisch zum Verlust der Arbeit. Es handelte sich um eine der angeblich notwendigen Sparmaßnahmen der autoritären Regierung Dollfuß, um die Folgen der großen Wirtschaftskrise zu beseitigen. Unter dem NS-Regime waren die Bestimmungen etwas lockerer, und im Krieg brauchte man natürlich jede Frau an der »Heimatfront«.

Zu Beginn der Zweiten Republik versuchten einige Bundesländer, das Eheverbot für Pflichtschullehrerinnen wieder einzuführen. In einer Stellungnahme der Vorarlberger Landesregierung hieß es: Entweder ist die Frau Mutter, … ist sie aber in erster Linie Lehrerin, dann muss sie ihre Kinder fremden Personen zur Betreuung und Erziehung überlassen, während sie fremde Kinder erzieht. Beides gleichzeitig geht nicht. Beim Naturinstinkt des Weibes als Mutter wird sie aber in den meisten Fällen die Schule vernachlässigen und sich mehr ihrer Familie widmen. Doch das Rad konnte nicht mehr zurückgedreht werden, ab 1949 gab es auch in Vorarlberg keinen Zwangszölibat mehr.

Dr. Brigitte Pellar
brigitte.pellar@aon.at

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