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Obamas Reform zielte darauf ab, die Anzahl der Nichtversicherten und gleichzeitig die hohen Kosten im Gesundheitssystem zu senken. An die Einführung einer allgemeinen Pflichtversicherung hatte Obama dabei zu keiner Zeit gedacht. Obamas Reform zielte darauf ab, die Anzahl der Nichtversicherten und gleichzeitig die hohen Kosten im Gesundheitssystem zu senken. An die Einführung einer allgemeinen Pflichtversicherung hatte Obama dabei zu keiner Zeit gedacht.

Obamas Reform

Schwerpunkt

Die US-Gesundheitsreform ist ein Sieg der Demokraten nach monatelangem Kleinkrieg. Sie soll Unversicherte mit einer Krankenversicherung schützen.

In einer Rede vor dem Kongress im September 2009 sagte Obama, er sei nicht der erste US-Präsident, der sich dem Problem der Reform der Krankenversicherung annehme, aber er sei entschlossen der Letzte zu sein. Schon im Wahlkampf war diese Reform ganz oben auf seiner Liste gestanden. Nach seiner Amtsübernahme blieb sie sein wichtigstes Prestigeprojekt und damit Gradmesser für seine Durchsetzungsfähigkeit. Mehr als einmal sah es bei den monatelangen Auseinandersetzungen mit den Republikanern und Teilen der Demokraten so aus, als würde er sich daran die Zähne ausbeißen.

Angst vor Sozialismus

Viele AmerikanerInnen sind sich einig in der Einschätzung, dass ihr Gesundheitssystem teuer und ineffizient ist. Obamas angeblich sozialistische Reform lehnen sie dennoch ab. Zu tief sitzt die Angst vieler AmerikanerInnen vor dem "Sozialismus", der die "amerikanische Freiheit" bedrohe. Ein Erfolg der monatelangen medialen Angstmache der Lobbys von Ärzten/-innen und Pharmaindustrie, die vor allem die Einführung einer allgemeinen staatlichen Krankenversicherung als Teufelszeug darstellten.
In einer Umfrage nach der letzten entscheidenden Abstimmung sprachen sich 59 Prozent der AmerikanerInnen klar gegen die Reform und nur 39 Prozent dafür aus. Mit "Kill the bill"- und "Obama = Persona non grata"-Tranparenten demonstrierten die ReformgegnerInnen bis zur letzten Minute vor dem Kongress.

45 Mio. Amis sind unversichert

17 Prozent der US-AmerikanerInnen bzw. mehr als 45 Mio. Menschen sind in den USA nicht krankenversichert. Zählt man auch jene dazu, die nur zeitweise versichert sind, kommt man bereits auf rund 30 Prozent ohne durchgängigen Krankenversicherungschutz. Entsprechend niedrig ist auch die Lebenserwartung. Im Ranking aller 30 OECD-Staaten kamen die USA 2006 nur noch auf den 24. Platz (Österreich Platz 13). Ganze zwei Jahre sterben die AmerikanerInnen im Schnitt vor den ÖsterreicherInnen. Vor allem in Gegenden mit mehrheitlich ärmerer, oft schwarzer Bevölkerung ist die Lebenserwartung teils niedriger als in vielen Regionen Lateinamerikas. Gleichzeitig ist das amerikanische Gesundheitssystem eines der teuersten der Welt. Die USA geben in Prozent des BIP um gut 50 Prozent mehr für das Gesundheitssystem aus als Österreich. Die USA verfügen über ein Netzwerk an ausgezeichneten Krankenhäusern und international anerkannten SpezialistInnen. Zugänglich sind diese allerdings nur einem kleinen Teil der Bevölkerung. Nämlich jenen, die sich eine gute Versicherung leisten können. Denn der Löwenanteil der Gesundheitsausgaben in den USA wird privat bezahlt. Wer nicht um die 1.000 US-Dollar im Monat für eine private Krankenversicherung aufbringen kann, muss hoffen, dass er sich über seinen Arbeitgeber günstiger versichern kann. Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten sind verpflichtet, ihren MitarbeiterInnen eine Versicherung anzubieten. Diese ist in der Regel umso besser, je höher der gewerkschaftliche Organisationsgrad und der damit einhergehende Druck in einem Unternehmen ist. Die Kosten für eine solche Versicherung sind allerdings in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 130 Prozent angestiegen. Kein Wunder also, dass fast zwei Drittel der Insolvenzen von Privathaushalten durch hohe Gesundheitskosten zustande kommen.

Kaum staatliche Versicherung

Selbst mit einer leistbaren Versicherung sind längst nicht alle Probleme gelöst. Wer arbeitslos wird, verliert oft auch den Versicherungsschutz. Die Versicherer andererseits haben die Möglichkeit, zu teure Versicherte einfach zu kündigen, selbst dann wenn sie schwer krank sind. Private Krankenversicherungen werden zudem immer teurer. Die Versicherungsgesellschaften geben nämlich bis zu 40 Prozent ihres Budgets für Verwaltung und Marketing aus. Nur ein kleiner Teil der AmerikanerInnen kommt in den Genuss einer steuerfinanzierten staatlichen Versicherung. Medicaid und Medicare sollten Bedürftigen und PensionistInnen einen öffentlichen Krankenversicherungsschutz bieten. Auch hier gibt es jedoch Einschränkungen und nicht jede/r, die/der arm ist, bekommt im Rahmen des Medicaid-Systems auch eine Krankenversicherung. Die Anspruchsvoraussetzungen variieren je nach Bundesstaat. In der Regel beschränkt sich der Schutz auf Familien mit Kindern, die ein Familieneinkommen an der Armutsgrenze haben.

Obamas Reform

Obamas Reform zielte darauf ab, die Anzahl der Nichtversicherten und gleichzeitig die hohen Kosten im Gesundheitssystem zu senken. An die Einführung einer allgemeinen Pflichtversicherung vergleichbar mit der in Österreich, hatte Obama dabei zu keiner Zeit gedacht. Er wollte die grundsätzliche Struktur des Systems nicht antasten, lediglich den Versicherungsmarkt strenger regulieren und als zusätzliche günstige Option - und um private Anbieter unter Druck zu setzen - eine staatliche Versicherung einführen.
Noch im Sommer 2009 wollte Obama sein Reformgesetz unterzeichnen. Das scheiterte wenig überraschend am Widerstand der Republikaner und der Gespaltenheit der Demokraten. Erst im November 2009 konnte nach einem Diskussionsprozess ein gemeinsamer Gesetzesentwurf im Repräsentantenhaus, der ersten Kammer des amerikanischen Parlaments, verabschiedet werden. Immerhin 39 Demokraten stimmten dabei gegen diesen Entwurf. Kernstück dieses Reformvorschlags war ein staatliches Versicherungsprogramm in einem neu geschaffenen regulierten Versicherungsmarkt.
Noch schwieriger verlief die Abstimmung in der zweiten Kammer des Kongresses, dem Senat. Vor allem um das geplante staatliche Versicherungsprogramm entsponnen sich heftige Debatten. Ein erster Entwurf, den die demokratischen Abgeordneten schließlich zumindest als Diskussionsgrundlage akzeptierten, unterschied sich in einigen wesentlichen Punkten von dem des Repräsentantenhauses. Zwar enthielt auch dieser Entwurf eine öffentliche Versicherung, allerdings wesentlich abgeschwächt durch eine Opt-out-Möglichkeit für einzelne Bundesstaaten. Doch selbst diese Schmalspurversion erwies sich im Senat als nicht mehrheitsfähig. Letztlich einigte sich der Senat auf einen gemeinsamen Entwurf gänzlich ohne staatliches Element.
Kommt es im Gesetzwerdungsprozess zu keiner Einigung zwischen den beiden Kammern, so müssen sie in einem Vermittlungsverfahren einen Kompromiss suchen. Mehr als drei Monate dauerten die höchst emotionalen Auseinandersetzungen um die Reform. Am 22. März wurde die Reform ohne eine einzige republikanische Stimme und gegen den Willen von 34 demokratischen AbweichlerInnen beschlossen. Die Idee der staatlichen Krankenversicherung hat diese Auseinandersetzungen allerdings nicht überdauert. Das Resultat dieses schwierigen Prozesses ist erfreulich und ernüchternd zugleich. Schätzungsweise 32 Mio. AmerikanerInnen werden ab 2014 zusätzlich versichert sein. Diesen werden jedoch auch weiterhin viele Millionen Unversicherte gegenüberstehen. Fundamentale Schwäche der Reform ist zudem, dass der kommerzielle Versicherungsmarkt unbehelligt bleibt. Private Versicherungsgesellschaften werden weiterhin vor allem daran interessiert sein, die eigenen Kosten niedrig und die Profite hoch zu halten. Die langen Übergangsfristen bis 2014 lassen die RepublikanerInnen überdies hoffen, sich bis dahin wieder die entscheidenden Mehrheiten sichern zu können, um die Reform noch vor der endgültigen Umsetzung wieder rückgängig zu machen.

Reform lässt zu wünschen übrig

Die Gesundheitsreform lässt einiges zu wünschen übrig. Sie ist dennoch Obamas bisher größter politischer Erfolg. Sie hat den Präsidenten jedoch auch weiter entzaubert. Nur zu deutlich hat sich gezeigt, dass Obama als Präsident weniger Visionär ist als ein Politiker, der nach dem Möglichen strebt, und dass es einfacher ist einen Politikwechsel anzukündigen als ihn umzusetzen. Den AmerikanerInnen ist zu wünschen, dass Obama nicht der letzte gewesen ist, der versucht das US-amerikanische Sozialsystem zu verbessern, denn dieses bleibt auch weiterhin eine große Baustelle.

Weblink
Details der Reform auf wikipedia:
de.wikipedia.org/wiki/Gesundheitsreform_2010

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