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Alle die schon in Afrika, Asien oder Lateinamerika gereist sind, werden sie gesehen haben, die offenen Kanäle, die bei jedem Regen überquellen und in denen nicht nur Moskitos gedeihen, sondern auch andere Krankheitsherde vor sich hinköcheln. Alle die schon in Afrika, Asien oder Lateinamerika gereist sind, werden sie gesehen haben, die offenen Kanäle, die bei jedem Regen überquellen und in denen nicht nur Moskitos gedeihen, sondern auch andere Krankheitsherde vor sich hinköcheln.

Es fehlt an fast allem

Schwerpunkt

Gesundheit oder Gesundheitswahn? Nichtraucherschutz oder Raucherschikane? Seit einigen Jahren schlagen schon die Wellen zwischen den Seiten hoch.

Jedes Jahr sterben zahllose Menschen in der Dritten Welt an Krankheiten, die entweder gut heilbar wären, da es Medikamente für die Behandlung gibt, oder an Krankheiten, die gar nicht auftreten müssten, würden die Menschen unter geeigneten hygienischen Bedingungen leben. Zum Beispiel gehören die diversen Durchfallerkrankungen zu den großen Killern, die jedes Jahr in Form von Cholera, Ruhr, Typhus etc. Menschen, vor allem Kinder, Säuglinge, Alte und Schwache tötet. Für diese Krankheiten verantwortlich sind vor allem schlechte Ernährung, katastrophale sanitäre Bedingungen und kaum oder kein Zugang zu sauberem Trinkwasser, kritisiert die WHO. 3,5 Mio. Menschen rafft der Durchfall jedes Jahr dahin, 80 Prozent davon sind Kinder unter fünf Jahren.

Fehlendes Gesundheitssystem

In den Ländern des Südens mangelt es an ÄrztInnen und Krankenhäusern. Dort wo sie allerdings vorhanden sind, sind sie nicht für jederman zugänglich. Gerade dieser Tage ereilte mich ein Hilferuf eines ghanaischen Freundes: Leo lag im Krankenhaus in Accra/Ghana mit Typhus. Da er jedoch die Rechnung nicht zahlen konnte, weigerten sich die Ärzte/-innen ihn zu behandeln. Als selbstständiger Schneider ist Leo in keiner Form offiziell registriert, ist nicht in den Arbeitsmarkt eingebunden und hat, wie fast alle Menschen in Ghana, keine Versicherung und auch kein fixes Einkommen. Er besitzt keine eigene Toilette und seine kleine Wellblechhütte hat keinen Fließwasseranschluss. Er kauft das Wasser in Kanistern beim Nachbarn, dessen Wasserhahn er zweimal täglich benutzt, um dort Wasser zu holen. Leo lebt aber nicht irgendwo im "Busch" von Afrika. Er ist ein moderner, urbaner Bürger der Großstadt Accra.

Sanitäre Anlagen fehlen

Sanitäre Anlagen fehlen nicht nur in Ghana, sondern auch in den meisten anderen Ländern des Südens. Alle die schon in Afrika, Asien oder Lateinamerika gereist sind, werden sie gesehen haben, die offenen Kanäle - Kloaken, die bei jedem Regen überquellen, sich über die Straßen ergießen und in denen nicht nur Moskitos blühen und gedeihen, sondern auch andere Krankheitsherde munter vor sich hinköcheln.
Und was passiert, wenn es keine Toiletten gibt? Irgendwo muss man das Geschäft ja doch erledigen. Getan wird das dann meist im nächsten Gebüsch, wo auch schon viele andere ihre Geschäfte erledigt haben. Wie unhygienisch das auch ist, den Menschen bleibt keine Wahl. Dabei scheitert es nicht nur am Wasser - es gibt seit den Achtzigerjahren alternative Konzepte für Toiletten, auch durchaus hygienische und finanzierbare "Trockentoiletten". Mit ein wenig gutem Willen der Regierungen, könnte Gesundheit und Komfort der Menschen in den Slums deutlich verbessert werden. Sehr wichtig wäre für die Menschen des Südens der Zugang zu erschwinglichen Medikamenten. Patente sichern Pharmafirmen eine Monopolstellung am Weltmarkt. Die Preise sind und bleiben schwindelerregend hoch und unleistbar für die Armen dieser Welt. Gäbe es mehr Wettbewerb bei den Medikamenten, so würden sie billiger und somit den Ländern, in denen sie gebraucht werden, billiger zur Verfügung stehen. Doch die Pharmakonzerne pochen auf ihre Rechte und auf den Patentschutz. Generika würden die Preise senken und das kommt nicht in Frage. Bis 2005 gab es in Indien und einigen anderen Ländern keinen Patentschutz auf Medikamente - daher war Indien der wichtigste Lieferant für HIV/Aids-Medikamente nach Afrika. Doch 2005 führte Indien aufgrund des TRIPS-Abkommens mit der WTO ebenfalls ein Patentrecht ein. Somit wird es nicht mehr weiter Generika erzeugen können.
Menschen in europäischen Ländern sowie USA, Kanada und Australien haben heute eine sehr hohe Lebenserwartung. Nur Rauchen, Übergewicht und mangelnde Bewegung können uns einen Strich durch die Rechnung machen. In den Entwicklungsländern sind es Defizite bei medizinischer Versorgung, Hygiene, Wasser aber auch Krankheiten wie Aids tragen ihren Teil bei. Aids finden wir vor allem im Afrika südlich der Sahara. Hier leben 22 Mio. Menschen mit der Immunschwächekrankheit (2007). Klarerweise hat dies demografisch dramatische Folgen: In manchen Ländern sank die Lebenserwartung um mehr als zehn Prozent. Swaziland und Botswana führen mit 39 bzw. 38 Prozent Infizierten die Liste der am schlimmsten von Aids betroffenen Länder an.
Die zehn Länder mit der insgesamt niedrigsten Lebenserwartung liegen allesamt in Afrika. Auf den drei schlechtesten Plätzen rangieren Swaziland, Angola und Zambia, gefolgt von Lesotho, Mozambique und Sierra Leone.

"Vernachlässigte Krankheiten"

Die sogenannten "vernachlässigten Krankheiten" sind tropische Krankheiten, die im starken Kontrast zu "Killern" wie Aids, Tuberkulose und Malaria stehen, denn zu letzteren wird emsig Forschung betrieben. Es leiden vor allem Menschen an den "vernachlässigten Krankheiten", die wenig zahlungskräftig sind. Aus diesem Grund besteht wenig Veranlassung für die Pharmaindustrie, in diesen Bereichen zu forschen. Es fragt sich klarerweise, ob es überhaupt vertretbar ist, die Arzneimittelproduktion von marktwirtschaftlichen Mechanismen leiten zu lassen, die "vernachlässigten Krankheiten" verursachen eine halbe bis eine Mio. Todesfälle pro Jahr.
Häufig werden diese Krankheiten durch Einzeller und Würmer ausgelöst, die es in Europa aufgrund von besseren Hygienebedingungen nicht gibt. Außerdem fehlen die Mücken und Fliegen, die Krankheiten übertragen könnten Gott sei Dank weitgehend. In den Tropen finden sie allerdings ideale Bedingungen vor.
Eine der bekannteren "unbekannten" Krankheiten ist Chagas, die amerikanische Schlafkrankheit.
In lateinamerikanischen Slums ist Chagas ein großes Problem, und wer nicht daran stirbt, leidet dennoch an Symptomen wie chronischer Herzvergrößerung mit Herzrasen, Leistungsschwäche, Luftnot bis hin zu Darmdurchbruch
und Bauchfellentzündung. Als typische Krankheit der armen Leute - verursacht durch Bisse von Bettwanzen - gibt es keine Behandlungsmöglichkeit, die vorhandenen Medikamente sind extrem teuer und haben schwere Nebenwirkungen. Doch, wie Ärzte ohne Grenzen kritisiert, forscht die Pharmaindustrie lieber dort, wo Geld zu machen ist: zum Beispiel bei Diät unterstützenden Mitteln und Schönheitsprodukten.

Der Tod ist nicht alles

Vernachlässigte Krankheiten sind keine Killer in der Größenordnung wie Aids und Malaria, aber sie machen arm. Menschen leben viele Jahre mit ihnen, werden vielleicht nie wieder gesund. Dadurch sorgen sie zwar bei weitem nicht für so viele Todesfälle wie andere Krankheiten, jedoch gemessen in DALYs (Disability-Adjusted Life-Years) also Lebensjahre, in denen nicht oder nur wenig gearbeitet werden kann, übertreffen die vernachlässigten Krankheiten auch die Malaria. Malaria tötet zwar 1,3 Mio. jedes Jahr, vernichtet aber mit 47 produktiven Lebensjahren sogar weniger als die "vernachlässigten Krankheiten" - die nämlich zerstören 60 produktive Lebensjahre.

Weblinks
Mehr zu den Krankheiten:
www.who.int/en/
de.wikipedia.org/wiki/HIV/AIDS_in_Afrika
de.wikipedia.org/wiki/Vernachlässigte_Krankheiten
Mehr zu Toiletten:
www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/klo-ist-keine-selbstverstaendlichkeit

Fazit
Nicht nur High-Tech-Krankenhäuser fehlen in den Ländern des Südens - es gibt sie teilweise schon. Manche Schwellenländer wie Thailand haben sogar bereits das Geschäft mit Medizin-TouristInnen gewittert und bieten ärztliche Eingriffe um relativ günstiges Geld an. Was dagegen wirklich gebraucht wird, ist Zugang zu sicherem Trinkwasser, zu Toiletten und natürlich Medikamenten - manchmal könnte ein einfaches Durchfallmittel schon Leben retten. Und schließlich: Würde man endlich gegen die "vernachlässigten Krankheiten" vorgehen, dann würde man auch Armut reduzierend wirken.

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