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Sag niemals nie! Betroffene, die in Therapie sind, wollen offen und ehrlich sein, meistens geht das aber nach hinten los. Sie werden gekündigt, finden keinen neuen Job, die Spirale bewegt sich nach unten.

Sag niemals nie!

Schwerpunkt

Anfangs schien der Kampf gegen HIV aussichtslos. Inzwischen kann der Ausbruch von Aids bei vielen PatientInnen über Jahrzehnte verhindert werden.

Horrordiagnose Aids - wen die trifft, der fühlt sich nach wie vor häufig isoliert und ausgegrenzt. Auch wenn eine HIV-Infektion in Österreich heute kein Todesurteil mehr darstellt, haben betroffene Frauen und Männer mit vielen Sorgen und Ängsten zu kämpfen. "Ein Leben mit der Infektion ist möglich, aber wie? Die Sorge um den Arbeitsplatz, die Angst, Familie und Freunde zu verlieren, sind ständige Begleiter", erzählt Andreas Hudecek. Der 44-Jährige ist Vorstandsmitglied einer Selbsthilfegruppe für Betroffene und kennt die Sorgen HIV-Infizierter und Aids-Kranker. Hudecek selbst lebt seit
25 Jahren mit der Krankheit. Er war 19 Jahre alt, als die Diagnose "HIV-positiv" gestellt wurde. Dreizehn Jahre später - ausgelöst durch eine Lungentuberkulose - brach die Krankheit Aids aus. "In den vergangenen 20 Jahren hat sich viel verändert, die Medizin hat sich weiterentwickelt. Heute gilt man nicht sofort als todkrank, nur weil man positiv ist", sagt Hudecek.

Einschätzung Österreich

Bisher haben sich laut UNAIDS weltweit mehr als 33 Mio. Menschen mit dem Immunschwächevirus HIV angesteckt. Allein in Österreich infizieren sich nach wie vor täglich ein bis zwei Menschen mit Aids, etwa zwei Drittel davon Männer, ein Drittel Frauen. Derzeit leben 1.255 Aids-PatientInnen bundesweit. Zu den meisten HIV-Infektionen kommt es in Österreich durch heterosexuellen Geschlechtsverkehr und Drogenkonsum. Aber nicht immer. "Niemand ist davor geschützt, man sollte niemals nie sagen", berichtet Wiltrut Stefanek, die seit 15 Jahren mit HIV lebt. Sie hat keine Drogenvergangenheit hinter sich, war zehn Jahre lang verheiratet. Noch während ihrer Ehe erfuhr die heute Vierzigjährige, dass sie HIV-positiv ist. Was sie damals auch zum ersten Mal hörte: Ihr Ehemann war bereits seit zehn bis 15 Jahren HIV-positiv. Ein Schock für Stefanek, denn sie hatte sich nur ein Jahr zuvor auf HIV testen lassen und war negativ.
HIV - Aids - Tod. Heute gilt das im Gegensatz zu früher, als es wenige Behandlungsmöglichkeiten gab und die PatientInnen kaum Hoffnung hatten, nicht mehr. Betroffene sterben nicht mehr an Infektionen, sie können noch Jahrzehnte leben und arbeiten. "Als ich mich infizierte gab es wenige Behandlungsmöglichkeiten, die Therapiechancen waren gering, die Monotherapie wirkte beschränkt, die Nebenwirkungen waren unerträglich. Durch neue Kombinationstherapien ist es heute möglich, mit nur ein, zwei Tabletten am Tag auszukommen", berichtet Hudecek.
Hudecek wurde im Alter von 25 Jahren aufgrund seiner Krankheit pensioniert. Zum Kampf mit dem Immunschwächevirus kamen weitere Krankheiten, die sein Immunsystem schwächten und ihn tagelang ans Bett fesselten. "Flexible Arbeitszeiten wären von Vorteil gewesen. Das morgendliche Unwohlsein war manchmal auch rasch vorbei und ich hätte arbeiten können - nur pünktlich um acht Uhr anfangen und vierzig Wochenstunden waren unmöglich", erzählt er heute. Um seinen Gesundheitszustand zu verbessern, testete er sogar als Versuchsperson neue Behandlungsformen.

Hoffnung dank Kombinationstherapie

Die Einführung der Kombinationstherapien vor fast 15 Jahren brachte wesentliche Veränderung für die Lebenssituation und -perspektive der Menschen mit HIV/Aids. Trotz besserer Lebensqualität leben sie mit Ausgrenzung und Diskriminierung: Ob bei der Wohnungssuche, beim Abschluss einer Lebensversicherung, bei zwischenmenschlichen Beziehungen und vor allem bei der Suche nach einem Arbeitsplatz. Viele Betroffene können und wollen arbeiten. Nicht selten scheitert es am Verständnis vieler Behörden und der ArbeitgeberInnen. "Das Thema wird noch immer tabuisiert, aber die Menschen brauchen eine Chance am Arbeitsmarkt. Mittlerweile sind sie nicht öfter im Krankenstand als ArbeitnehmerInnen, die HIV-negativ sind", so Hudecek.

Arbeiten mit HIV?

Als Wiltrut Stefanek positiv auf HIV getestet wurde, gab es bereits viele neue Therapien. Nach dem ersten Schock und etlichen Behördenwegen, begab sie sich auf die Suche nach einer neuen Beschäftigung. Ihr Vorteil war, dass ihre Eltern eine Trafik betreiben. Es kostete Stefanek viel Überredungskunst und Geduld, sie davon zu überzeugen, sie für 20 Stunden einzustellen. Nicht weil sie HIV-positiv ist und die Kunden/-innen ausbleiben würden, sondern weil ihr Umfeld besorgt war. Die Frage, ob Wiltrut die täglichen Anstrengungen meistern, ob ihr Körper den Druck aushalten wird, stand oft im Raum. Doch ihre Geduld zahlte sich letztendlich aus. Seit fünf Jahren bedient sie täglich ab sechs Uhr in der Früh in der Trafik die Kundschaften. Da sie sehr offen mit HIV lebt, wissen die meisten über ihre Krankheit Bescheid. Sie spüre keine Berührungsängste, sagt Stefanek.
"Wichtig ist, über Aids/HIV zu sprechen und damit die Stigmatisierung und Diskriminierung zu bekämpfen. Oft wird das Virus sehr spät erkannt, obwohl es bereits jahrelang im Blut ist. Es muss ein Gesundheitsbewusstsein, auch die sexuelle Gesundheit betreffend, geschaffen werden", sagt Sabine Oberhauser, Vizepräsidentin des ÖGB.
Nicht alle Menschen sind gleich. Stefanek und Hudecek haben auch viele negative Erfahrungen gesammelt. Angefangen von Mobbing am Arbeitsplatz bis zu Beschimpfungen auf der Straße. Sie haben daraus gelernt und sind vorsichtiger geworden. Stefanek, die genauso wie Hudecek eine Selbsthilfegruppe leitet, versucht, ihre Erfahrungen mit den Mitgliedern dort auszutauschen. Beide sind aufgrund ihrer Tätigkeit und ihren Gesprächen mit Betroffenen zu einem Schluss gekommen: "Auf keinen Fall sollen HIV-Positive ihren Arbeitgeber darüber in Kenntnis setzen." Zu viele Fälle von Mobbing, Ausgrenzung, Diskriminierung und Kündigungen sind ihnen bekannt. Viele Betroffene könnten ihrer Arbeit ohne Probleme nachgehen. Sobald KollegInnen und Vorgesetzte Bescheid wissen, fangen die Unannehmlichkeiten an - häufig aus Unwissenheit und Angst. "Betroffene, die in Therapie sind, wollen offen und ehrlich sein, meistens geht das aber nach hinten los. Sie werden gekündigt, finden keinen neuen Job, die Spirale bewegt sich nach unten", berichtet Hudecek. Die meisten Betroffenen haben finanzielle Probleme. Sie sind in Pension, leben von Notstands- oder Sozialhilfe und haben etwa 800 bis 1.000 Euro im Monat zur Verfügung. Unter 800 Euro zum Leben haben meistens betroffene Frauen. "Es ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, dem Arbeitgeber eine HIV-Infektion zu melden. Macht es jemand trotzdem oder erfahren es Vorgesetzte und KollegInnen auf anderen Wegen, dann sollte der Betriebsrat Informationen, Rat und Hilfe suchen und mit dem Betroffenen die weitere Vorgangsweise besprechen. Die Menschen sollen Unterstützung und nicht Ausgrenzung erfahren", rät Stefanek. Sie und Hudecek versuchen in den Selbsthilfegruppen, Betroffenen bei medizinischen, finanziellen und allen anderen Problemen zu helfen. "Oft hilft nur ein einfaches Gespräch", sagt Stefanek.

AIDS 2010

"Wir haben noch immer keinen Platz in der Gesellschaft, das muss sich ändern. Die Gesellschaft muss besser aufgeklärt werden, denn es kann jeden treffen", sagt Stefanek im Vorfeld des Internationalen Aids-Kongresses (AIDS 2010), der vom 18. Juli bis 23. Juli in Wien stattfindet. Eine große Zahl an Aktivitäten ist geplant. "Das ist ein wichtiges Ereignis, um das Thema Aids wieder in unser Bewusstsein zu rücken. Der ÖGB veranstaltet mit der Aidshilfe Wien auch einen internen Workshop, um MitarbeiterInnen über das Thema "HIV/Aids und Arbeitswelt" zu informieren", so Oberhauser.

Info&News
Mobbingberatung im ÖGB-Servicecenter:
Mobbing am Arbeitsplatz verursacht psychische und gesundheitliche Schäden. Was mit Sticheleien beginnt, endet oft mit Ausgrenzung und Verlust des Arbeitsplatzes. Deshalb ist es wichtig, bereits bei den ersten Anzeichen von Mobbing professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Terminvereinbarung unter 01/534 44-39100 oder servicecenter@oegb.at

Weblinks
Mehr Infos unter:
www.aids.at
www.positiverdialog.at
www.pulshiv.at
www.aidshilfe.de
www.aids2010.org

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an die Autorin
amela.muratovic@oegb.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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