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Im Falle der Diversitätsdimension "Gender" geht es um Gleichgewicht. Ein ungleiches Geschlechterverhältnis ist nicht per se negativ, kann aber negative Konsequenzen für Einzelne und die Organisation haben. Im Falle der Diversitätsdimension "Gender" geht es um Gleichgewicht. Ein ungleiches Geschlechterverhältnis ist nicht per se negativ, kann aber negative Konsequenzen für Einzelne und die Organisation haben.

Gesunde Mischung

Schwerpunkt

Vielfalt kann im Arbeitsumfeld zu Problemen führen. Zu viel vom Gleichen führt aber nirgendwohin. Eine Expertise.

Gegenläufige Bedürfnisse, Unverständnis, Streit und Diskriminierung: Im Alltag wird jede/r von uns mit Problemen konfrontiert, die sich aus der Verschiedenartigkeit von Menschen ergeben. Die gängige Lösung: "Der Klügere gibt nach" - um Eskalation zu verhindern, wird ein Standpunkt geopfert; das Leben kann harmonisch weiterlaufen. Allerdings wird so bloß kurzfristig ein Symptom behandelt. In langfristig konzipierten Systemen gestalten sich die Probleme der Vielfalt anders als im Alltag, andere Lösungsstrategien sind nötig. "Jede Organisation - Unternehmen, NPO oder öffentliche Verwaltung - hat einen spezifischen Zugang zu Diversität. Maßgeblich sind Belegschaft, Umfeld und Marktposition", weiß Mag. Dr. Roswitha Hofmann von der Abteilung für Gender und Diversitätsmanagement der WU Wien. Für einen nachhaltigen Umgang mit Vielfalt müssen die verschiedenen Dimensionen der Diversität und deren Konfliktpotenzial bekannt sein.

Optimierungspotenzial

Denn Konflikte bedeuten für Organisationen Leidensdruck. Oder ökonomisch betrachtet: Optimierungspotenzial. Diskriminierung und Konflikte verringern die Leistungsfähigkeit der Betroffenen. Auch können neue Probleme entstehen, wenn Maßnahmen und Ziele falsch kommuniziert werden: "Wenn Frauen gefördert werden, um das Geschlechterverhältnis auszugleichen, kann es Widerstand von Männern geben, die temporär benachteiligt sind", sagt Hofmann. "Es darf nicht nur die primäre Zielgruppe einer Maßnahme beachtet werden, sondern auch, wie sie bei den anderen ankommt."

Die Klassiker

Im Falle der Diversitätsdimension "Gender" geht es um Gleichgewicht. Ein ungleiches Geschlechterverhältnis ist nicht per se negativ, kann aber negative Konsequenzen für Einzelne und die Organisation haben. "Wenn in der Führung ausschließlich Männer sind, was häufig der Fall ist, rekrutieren die meist wieder aus der eigenen Genus-Gruppe", weiß Hofmann. "Auch werden Frauen oft im Voraus längere Absenzen unterstellt" - wegen Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen. Männer würden nach wie vor bevorzugt eingestellt, da man davon ausgehe, dass sie dafür nicht zuständig seien.
Unter den Begriff "Alter" fallen wir prinzipiell alle, dennoch wird es mit den Problemen älterer Menschen gleichgesetzt. Aus Sicht von Hofmann hegen ArbeitgeberInnen oft "die Befürchtung, dass ältere MitarbeiterInnen häufiger krank würden und nicht mehr leistungsfähig wären. In manchen Branchen wird man mit 45 abgeschrieben und hat keine Weiterbildungschancen mehr, was der Personalentwicklung von Unternehmen schadet." Die Jungen haben wieder andere Sorgen: prekäre Beschäftigung, befristete Verträge. Und wird eine Altersgruppe bevorzugt behandelt, kommt der Generationskonflikt hinzu.
Ethnische Vielfalt wiederum kann dazu führen, dass historisch bedingte Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz prolongiert werden. Auch gibt es von bestimmten Ethnizitäten stereotype Vorstellungen, teils in Verbindung mit Religion: "Speziell Muslime sind in den vergangenen Jahren häufig Opfer von Ausgrenzung und Anfeindung."
Laut Behinderteneinstellungsgesetz muss ab 25 MitarbeiterInnen eine behinderte Person eingestellt werden; andernfalls drohen Geldstrafen - die die meisten Organisationen laut Hofmann zahlen, da sie vor den im Gesetz vorgesehenen Schutzbestimmungen zurückschrecken: "Wegen dieser Hürde ist die Arbeitslosenrate bei Menschen mit Handicap höher als insgesamt. Zudem ist der Umgang mit behinderten Personen für viele schwierig. Es kommt zu Tabuisierung."

Tabu sexuelle Orientierung

Tabuisiert wird im Arbeitsumfeld auch die sexuelle Orientierung. Heterosexuelle Beziehungen werden als "normal" betrachtet: "Smalltalk über das Wochenende oder das Foto des Partners als Bildschirmhintergrund sind dann unproblematisch", sagt Hofmann. Andere Orientierungen würden aber ins Privatleben verwiesen, nach dem Motto "Es muss ja nicht sein". Personen, die nicht heterosexuell sind, müssen sich damit befassen, wie sie soziale Herausforderungen bewältigen. Das erfordert Energie, die - aus betriebswirtschaftlicher Perspektive - bei der Produktivleistung verloren geht.
Eng verbunden sind Werthaltungen und Religion. Für Hofmann sind sie der Dreh- und Angelpunkt von Auf- und Abwertungen zwischen den MitarbeiterInnen, gefördert durch Polarisierung im medialen und politischen Diskurs. Dies sei eine Frage der Identitätsbildung: "Je mehr Selbstwert ich habe, desto weniger muss ich mich von anderen Personen abgrenzen - und je mehr etwas meine Identität erschüttert, desto mehr weise ich es zurück."
In der Managementlehre gebe es den Satz "Diversität betrifft nicht nur die anderen, sondern auch dich selbst". Man könne die eigenen Vorurteile nicht ausblenden, aber auch nicht die eigenen Diversity-Aspekte, die jede/r zu einem gewissen Maße hat, und die jeder und jedem zu einem gewissen Maße zugeschrieben werden. Hofmann: "Wenn man unsicher ist und die nötige Macht hat, stilisiert man sich als normgebend und die eigene Identität wird als angegriffen betrachtet, wenn es ›andersÜ auch sein darf."

Kompetenzabhängig

Ob ein Konflikt als diversitätsbezogen erkannt wird, hängt von der Kompetenz der Unternehmensführung ab. "Wenn bestimmte Personen benachteiligt werden, verlassen sie oft einfach die Organisation", sagt Hofmann: "Auf der operativen Ebene bricht ein Segment weg, was nicht als Diversitätsproblem begriffen wird, nicht behandelt werden kann und latent bestehen bleibt."
Welche Formen von Diversität überhaupt relevant sind, hängt von der jeweiligen Organisation ab. "Muss ich mich nun mit glutenfreier Nahrung auseinandersetzen, mit NichtraucherInnen und mit Neonazis?", zitiert Hofmann eine Studierendenfrage. Je unterschiedlicher die MitarbeiterInnen sind, desto aufwendiger ist Diversitätsmanagement, da Maßnahmen und Kommunikationsstrategie auf sie abgestimmt werden müssen. Unterschiedlichen Diversity-Aspekten sollte - zielgerichtet und im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen - unterschiedliche Relevanz beigemessen werden, sagt Hofmann.

Managementfehler

Ein häufiger wie gravierender Fehler ist Diversitätsblindheit. Die Einstellung "Das gibts bei uns nicht" prolongiert bloß bestehende Probleme. Andererseits werden BeraterInnen manchmal ziel- und planlos engagiert, bloß weil es ein Konkurrenzunternehmen auch tut. Von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist Diversitätsmanagement, wenn es nur als punktuelles Projekt betrachtet wird - "ich muss es so implementieren, dass es mit den Unternehmenszielen verwoben ist, auf allen Ebenen", so Hofmann. Ein anderer Fehler ist, wenn Diversitätsmanagement als reines Top-Down-Modell angewandt wird, Bedürfnisse und Probleme nicht erhoben werden - oder, dass sie erhoben, aber nicht behandelt werden. Das kann das Vertrauen und die Unterstützung der Belegschaft kosten.
Diversität kann zu Konflikten führen, hat jedoch auch essenzielle Vorteile: "Ähnliche Menschen denken und handeln ähnlich", sagt Hofmann, "unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Perspektiven, unterschiedliche Ideen, fördern die Innovationskraft von Organisationen und sind unerlässlich für die Stärkung der Effizienz und Marktposition." Diversitätsmanagement signalisiere, "wenn ihr kompetent seid, seid ihr ungeachtet aller sozialer Kategorisierungen willkommen". Das öffnet Türen am Arbeitsmarkt: Ein Unternehmen wird für ArbeitnehmerInnen attraktiver, wenn sie davon ausgehen können, nicht diskriminiert zu werden. Funktionierende Vielfalt erhöht die Arbeitsmotivation, bringt Kostenvorteile - "weniger Fluktuation, weniger Krankenstände, weniger Mobbing, weniger Psychokrieg. Dadurch steigt die Leistungsfähigkeit - und das zählt für Organisationen".

Weblinks
Online-Infothek der Internationalen Gesellschaft für Diversity Management:
www.idm-diversity.org/deu/infothek.html
Mag. Dr. Roswitha Hofmann:
www.wu.ac.at/gender/mitarbeiter/hofmann

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