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Reine Männerwirtschaft Es mangelt keineswegs an der Qualifikation oder an der Bereitschaft - wie nicht selten argumentiert wird -, vielmehr sind es "klebrige Böden" und "gläserne Decken", die verhindern, dass Frauen entsprechend in Spitzengremien repräsentiert sind.

Reine Männerwirtschaft

Schwerpunkt

Nur jede zwanzigste GeschäftsführerIn und jede zehnte AufsichtsrätIn in Österreich ist weiblich, wie eine aktuelle AK-Untersuchung ergibt.

In den Führungsetagen österreichischer Unternehmen sitzen auch im Jahr 2010 fast ausschließlich Männer, das zeigt eine aktuelle AK-Untersuchung der Top 200 österreichischen Kapitalgesellschaften. Frauen sind wie in den Jahren zuvor eklatant unterrepräsentiert: Gerade einmal jede zwanzigste GeschäftsführerIn und jede zehnte AufsichtsrätIn ist weiblich. Nur in jedem elften Unternehmen ist zumindest eine Frau in beiden Gremien vertreten. Jedes dritte der größten 200 österreichischen Unternehmen verzichtet überhaupt zur Gänze auf Frauen in Top-Führungspositionen. Gerade aber bei der Zusammensetzung von Geschäftsführung und Aufsichtsrat sollte grundsätzlich auf mehr Diversität geachtet werden: Spätestens bei der Krisenbewältigung kann ein Unternehmen nicht auf unterschiedliche Sichtweisen, Fähigkeiten und Problemlösungskompetenzen verzichten, die mit Geschlecht, Internationalität und Alter einhergehen.

Mehr Frauen dank Mitbestimmung

Erfreulich ist, dass die ArbeitnehmerInnenvertretung für mehr Diversität im Aufsichtsrat sorgt: Mehr als die Hälfte der Aufsichtsrätinnen sind vom Betriebsrat delegiert. Der Frauenanteil in der ArbeitnehmerInnenriege ist mit 18,7 Prozent mehr als dreimal so hoch als die Frauenquote unter den KapitalvertreterInnen mit sechs Prozent. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass Betriebsratskörperschaften nur ein Drittel der Aufsichtsratsmandate besetzen dürfen.

ATX: Dramatisch unterrepräsentiert

Besonders ernüchternd ist die Lage bei den börsennotierten Unternehmen des ATX, wo die Frauenanteile erschreckend gering sind: In allem 20 ATX-Unternehmen sind nur vier Frauen an der Geschäftsführung beteiligt, von den 16 Aufsichtsrätinnen in den ATX-Unternehmen zählen auch hier mehr als Hälfte zu den Belegschaftsvertreterinnen. In zehn ATX-Unternehmen ist weder im Vorstand noch im Aufsichtsrat eine Frau vertreten: bwin Interactive Entertainment AG, Flughafen Wien AG, Intercell AG, Mayr-Melnhof Karton AG, Palfinger AG, Raiffeisen International Bank-Holding AG, RHI AG, Schoeller Bleckmann oilfield equipment AG, Voestalpine AG und Zumtobel AG.
Frauen in Spitzenpositionen bleiben auch im Jahr 2010 die Ausnahme - das beschreibt auch eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien, die den Karriereverlauf von AbsolventInnen analysiert hat.1 Untersucht wurde der berufliche Werdegang von vollkommen identischen, virtuellen Zwillingspaaren, die sich einzig im biologischen Geschlecht unterscheiden. Das Ergebnis ist erstaunlich: Bis zum dritten Berufsjahr verlaufen die Karrieren von Frauen und Männern annähernd gleich, danach vergrößert sich die Diskrepanz Jahr für Jahr. Im gesamten Untersuchungszeitraum von zehn Jahren verlieren Frauen gegenüber Männern durchschnittlich 71.000 Euro an Gehalt. Nach zehn Jahren Berufserfahrung haben 15,1 Prozent der Absolventen Führungsverantwortung übernommen, jedoch nur 3,7 Prozent der Absolventinnen. Das Fazit: Es gibt eine ganz klare Diskriminierung. Frauen haben geringere Aufstiegschancen, weil sie Frauen sind. Es mangelt keineswegs an der Qualifikation oder an der Bereitschaft - wie nicht selten argumentiert wird -, vielmehr sind es "klebrige Böden" und "gläserne Decken", die verhindern, dass Frauen entsprechend in Spitzengremien repräsentiert sind.
Der Handlungsbedarf ist hoch, will Österreich bei der Beteiligung von Frauen in Führungspositionen nicht weiter zu den Schlusslichtern in Europa zählen: Die Praxis zeigt, dass verbindliche gesetzliche Regelungen besonders wirksame Instrumente sind. Der europäische Spitzenreiter mit einem Frauenanteil von 42 Prozent ist Norwegen, wo die gesetzliche Geschlechterquote von 40 Prozent schon 2006 in Kraft getreten ist. Finnland hat sich ebenfalls für die Quote für Gesellschaften in staatlichem oder kommunalen Mehrheitsbesitz entschieden und verzeichnet 24 Prozent Frauenanteil. In Dänemark hat ein Gesetz, das eine möglichst ausgewogene Verteilung der Mandate auf beide Geschlechter für Gesellschaften in staatlichem Besitz vorsieht, deutlich Wirkung gezeigt. In Spanien ist der Frauenanteil zwar immer noch niedrig, konnte jedoch seit 2006 durch Einführung einer gesetzlichen Quote immerhin mehr als verdoppelt werden. Auch das Europäische Parlament hat sich in seiner Resolution vom Februar 2010 für mehr Frauen in Führungspositionen ausgesprochen und fordert die Kommission und die Mitgliedsstaaten auf, dem positiven Beispiel Norwegens zu folgen.

Gesetzliche Quote

Die Gleichstellung von Frauen und Männern in Führungspositionen ist in Österreich derzeit einzig im Corporate-Governance-Kodex2 auf sehr unverbindliche und zahnlose Art geregelt. Seit Jänner 2009 beinhaltet die Empfehlung zur Besetzung frei werdender Aufsichtsratsmandate immerhin den Zusatz: "Weiters sind auch Aspekte der Diversität des Aufsichtsrats im Hinblick auf die Internationalität der Mitglieder, die Vertretung beider Geschlechter und die Altersstruktur zu berücksichtigen." Eine nähere Spezifikation fehlt und die Regel mit reinem Empfehlungscharakter sollte sofort in eine "comply or explain" (anwenden oder erklären) Regel umgewandelt werden. Seit kurzem gibt es eine erfreuliche gesetzliche Änderung im Unternehmensgesetzbuch: In Zukunft muss über Maßnahmen zur Frauenförderung in Aufsichtsrat, Vorstand und sonstigen Leitungspositionen immerhin im Corporate-Governance-Bericht Stellung bezogen werden. Die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Frauenförderung kann wegen langer Übergangsfristen erst ab 2011 evaluiert werden.

Nationaler Aktionsplan

Im Jahr 2009 starteten wichtige Aktivitäten zum im Regierungsübereinkommen vereinbarten Nationalen Aktionsplan für Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt: In den nächsten fünf Jahren sollen konkrete Schritte zur Gleichstellung entwickelt und umgesetzt werden. Zur Erhöhung der Frauenanteile in Führungspositionen wurde von einer interdisziplinären ExpertInnengruppe ein Paket an Maßnahmenempfehlungen entwickelt, das u. a. die stufenweise Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten in den Mittelpunkt rückt. Die Arbeiterkammer hat ihre konkreten Vorschläge und Forderungen in diese Arbeitsgruppe eingebracht, wobei die rasche Einführung einer gesetzlichen Geschlechterquote von 40 Prozent für das Kontroll- und Steuerungsorgan Aufsichtsrat als besonders effektiv und dringlich erachtet wird.

Stufenweise Einführung

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hat sich im März 2010 erfreulicherweise für einen Stufenplan zur Einführung einer Geschlechterquote im Aufsichtsrat ausgesprochen, bedauerlicher-weise mit längeren Übergangsfristen. Für Unternehmen des Bundes schlägt Heinisch-Hosek vor, Frauen so lange für frei werdende Stellen zu nominieren, bis der Anteil von 40 Prozent erreicht ist. Konkret soll in einem ersten Schritt bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2013 eine Quote von 25 Prozent und bis 2018 das Ziel von 40 Prozent erreicht sein. Auch für börsennotierte Gesellschaften strebt die Ministerin eine Quote an, wobei sie zunächst auf die Selbstverpflichtung der Unternehmen setzt und in einem weiteren Schritt auch eine Novellierung des Aktien- und GmbH-Rechts nicht ausschließt.

Info&News
Studie "Frauen in Geschäftsführung und Aufsichtsrat - eine Untersuchung in den Top-200-Unternehmen" der Arbeiterkammer www.arbeiterkammer.at/bilder/d118/Frauen_in_Geschaeftsfuehrung1.pdf 
Aktuelle Studien zu diesem Thema, unter anderem auch die Studie "Berufliche Chancengleichheit von Männern und Frauen  finden Sie auf
 www.equal-pay-day.de

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorinnen
ruth.naderer@akwien.at
christina.wieser@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

1 Strunk Guido, Anett Hermann: "Berufliche Chancengleichheit von Frauen und Männern. Eine empirische Untersuchung zum Gender Pay Gap" in Zeitschrift für Personalforschung, 23 (3), 2009

2 Corporate-Governance-Kodex schreibt börsennotierten Unternehmen Grundsätze und Verhaltensstandards für eine gute Unternehmensführung vor.

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