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Die größte Gruppe unter den ÖsterreicherInnen macht die der sogenannten "ichbezogenen Autoritären" aus, die sich selbst als "besonders autoritär, ausländerfeindlich, individualistisch und ganz auf ihre Kleinfamilie bezogen" beschreiben. Die größte Gruppe unter den ÖsterreicherInnen macht die der sogenannten "ichbezogenen Autoritären" aus, die sich selbst als "besonders autoritär, ausländerfeindlich, individualistisch und ganz auf ihre Kleinfamilie bezogen" beschreiben.
Haushaltseinkommen der Eltern Bildungswegsentscheidung der Kinder

Schulische Schieflagen

Gesellschaftspolitik

Was sozialer Zusammenhalt und Werte mit Bildung zu tun haben, und wie Reformen im Bildungssystem uns allen nützen könnten.

Vor einigen Monaten ging ein Gespenst um in Europa, das auch Österreich erfasste: Die "Unzufriedenheit mit der Demokratie" - auch nachgewiesen in der im Juni 2009 veröffentlichten Studie: "Die  ÖsterreicherInnen, Wertewandel 1990-2008". Die Erkenntnisse aus dieser Wertestudie geben Anlass zur Sorge: "Ein Fünftel der ÖsterreicherInnen wünscht sich einen starken Führer, der sich nicht um ein Parlament und um Wahlen kümmern muss." Die größte Gruppe unter den ÖsterreicherInnen macht die der sogenannten "ichbezogenen Autoritären" aus, die sich selbst als "besonders autoritär, ausländerfeindlich, individualistisch und ganz auf ihre Kleinfamilie bezogen" beschreiben. Kein Wunder, dass die gesellschaftliche Solidarität leidet: Lediglich ein Drittel der ÖsterreicherInnen sorgt sich um seine Mitmenschen oder die Gesellschaft als solches.

Demokratiepolitisch bedenklich

Demokratiepolitisch sind beide Befunde höchst bedenklich. Eine dauerhaft funktionierende Demokratie braucht nicht nur Menschen, die sich mit dieser Staatsform identifizieren, sondern auch mit der Gesellschaft, in der sie leben. Demokratie ohne sozialen Zusammenhalt ist kaum aufrecht zu erhalten. Bildung gilt als eine der Grundvoraussetzungen zur Ausübung demokratischer Rechte und Pflichten. Sie stellt den BürgerInnen das Werkzeug zur aktiven gesellschaftlichen und sozialen Teilhabe zur Verfügung. Inwieweit sind jedoch die demokratischen Grundvoraussetzungen der Gleichheit und Solidarität innerhalb des österreichischen Schulsystems selbst verwirklicht? Egalitäre Bildungskonzeptionen achten darauf, dass Ungleiches nicht gleich behandelt wird, sondern gleichwertig, um so von einer "Ausgangsgerechtigkeit" zu einer "Ergebnisgerechtigkeit" im Bildungswesen zu gelangen. Bildung ist innerhalb der österreichischen Bevölkerung ungleich verteilt: 64 Prozent verfügen nur über einen Pflichtschulabschluss, 29 Prozent erreichen die Matura und nur sieben Prozent einen Hochschulabschluss, woraus sich die niedrigste AkademikerInnenquote im europäischen Vergleich ergibt. Mit diesem Resultat weist das Bildungssystem Österreichs die beinahe elitärsten - Ungleichheit verfestigenden - Strukturen auf, umgeben von Portugal, Polen und Ungarn. Auf der anderen Seite des Spektrums befinden sich Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland und Belgien.
Die sehr frühe Trennung in unterschiedliche Schulsysteme sortiert Kinder nach ihrem finanziellen und sozialen Hintergrund, nicht nach ihren Talenten und Potenzialen. Mehr als zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung ist der Weg zu höherer Bildung versperrt bzw. wesentlich erschwert (siehe Grafik).

Bildung stärkt Demokratie

Dies ist im Hinblick auf die Verwirklichung der demokratischen Grundvorstellungen von Gleichheit und Solidarität als bedenklich zu interpretieren. Zudem ist eine relativ niedrige AkademikerInnenquote ein Indiz, dass nur den Eliten eines Landes der Zugang zu höchster Bildung offen steht.
Bildungsforschung zeigt den Zusammenhang zwischen Bildung und Demokratie auf: Ein höheres Niveau an Bildung lehrt Menschen, mit anderen auf friedliche Weise zu interagieren. Bildung erhöht die gesellschaftliche Teilhabe, bspw. in Form von ehrenamtlichen Engagement sowie einer hohen Wahlbeteiligung. Diese positiven Auswirkungen von Bildung wiederum stärken Demokratien.

Arm an Einkommen?

Es gibt einen eindeutigen Zusammenhang von Armut und Bildung. 22 Prozent der PflichtschulabsolventInnen sind in Österreich von Armut bedroht, hingegen trifft dies nur auf acht Prozent der Personen mit Lehrabschluss zu, der österreichische Durchschnitt liegt bei 13 Prozent.
Das Einkommen bildet eine wichtige Grundlage zur Investition in die Bildung der Kinder. Hierzulande verdienen jene 20 Prozent der Bevölkerung mit den höchsten Einkommen 3,7-mal so viel wie die untersten 20 Prozent. Damit liegt Österreich nur knapp über dem Spitzenreiter Finnland mit dem 3,5-fachen. Österreich nimmt somit eine, hinsichtlich seiner elitären Bildungsstrukturen, untypische Position ein, welche auf das umfassende System sozialer Transferleistungen rückführbar ist. Dieses ist darauf ausgerichtet, soziale Härtefälle durch Geldleistungen abzumildern, wie etwa durch die Arbeitslosenunterstützung oder die Sozialhilfe. Allerdings ist die bedeutende Rolle der Bildung als vorbeugende Form der Sozialpolitik, welche so manche sozialen Missstände erst gar nicht entstehen lassen würde, in Österreich nicht etabliert.
Vorschulische Kinderbetreuung kann Ungleichheiten in der Entwicklung zum frühestmöglichen Zeitpunkt vermeiden. In Österreich besteht vor allem Aufholbedarf bei der frühkindlichen Betreuung, nur vier Prozent der bis zweijährigen Kinder besuchen eine entsprechende Einrichtung. Hingegen liegen in Dänemark, den Niederlanden und Schweden die Kinderbetreuungsquoten bei 73 Prozent, 45 Prozent bzw. 44 Prozent. Ein ausreichendes Angebot an Kinderbetreuung erleichtert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, trägt zur Förderung der Frauenerwerbstätigkeit bei und stärkt somit die Geschlechtergerechtigkeit.
Ein hohes Bildungsniveau ermöglicht Menschen, ihre demokratischen Rechte und Pflichten auszuüben und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Es stärkt überdies das Gefühl des Mit- und Füreinanders. In Dänemark sind 60 Prozent der BürgerInnen mit der Art und Weise wie Demokratie in ihrem Land funktioniert eher zufrieden. In Finnland wiederum sind 34 Prozent der Bevölkerung in gemeinwohlorientierten Vereinen engagiert. Beide Länder haben ein ausgleichendes Bildungssystem. Obwohl Österreich beim bürgerschaftlichen Engagement glücklicherweise (noch) nicht bei den Schlusslichtern zu finden ist - 27 Prozent betätigen sich aktiv - verweist die eingangs erwähnte Wertestudie auf Demokratie- und Politikverdrossenheit: Lediglich 14 Prozent haben Vertrauen in politische Parteien, 16 Prozent in die Regierung. Stattdessen macht sich eine starke Neigung zum Autoritarismus breit, der sich auch an der Einstellung zur hauptsächlichen Aufgabe der Schule zeigt: 40 Prozent meinen: "Das Wichtigste, was Kinder lernen müssen, ist Gehorsam."

Resümee

Bildung leistet einen bedeutsamen Beitrag für die Demokratie selbst, für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft und für das Vertrauen in ihre Institutionen, zu denen auch die Schule selbst zählt! Zur Erfüllung dieser demokratiepolitisch stabilisierenden Funktionen ist es unerlässlich, dass jeder und jede die Möglichkeit erhält, in gleichem Maße vom Bildungssystem zu profitieren. Österreich ist davon nach wie vor weit entfernt: Es hat verabsäumt, sein Bildungssystem zu demokratisieren. Wie der Bildungsforscher Christoph Ehmann analog für Deutschland trefflich formulierte: "Alle anderen Staaten haben als eine der ersten Maßnahmen ihr Bildungswesen entfeudalisiert, es für alle Schichten geöffnet, jedem die gleichen Chancen eingeräumt. Sie wussten, warum sie dies taten. Denn man kann nicht DemokratInnen in einem feudalistischen Bildungssystem ausbilden."

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