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Das "Zurückdrängen der Frauen an den Herd", die Verrichtung unbezahlter Haus-, Pflege- und Betreuungsarbeit wären die Folge. Das "Zurückdrängen der Frauen an den Herd", die Verrichtung unbezahlter Haus-, Pflege- und Betreuungsarbeit wären die Folge.

Intelligent konsolidieren

Schwerpunkt

Auch internationale Organisationen wie der IWF oder die OECD fragen sich, ob Budgetkonsolidierung denkbar ist, ohne Wachstum wesentlich zu gefährden.

Laut Prognose der Europäischen Kommission steigt im Euroraum das Verhältnis der Staatsschuld zum Bruttoinlandsprodukt im nächsten Jahr auf 88 Prozent. Das bedeutet einen Anstieg um über 20 Prozentpunkte innerhalb von nur vier Jahren. Konjunktur- und Bankenpakete und insbesondere der in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte einmalige Einbruch der Wirtschaftsleistung, der die Staatsausgaben hat ansteigen lassen und zu einem starken Rückgang der Steuereinnahmen geführt hat, haben tiefe Spuren in den Staatshaushalten hinterlassen.

Arbeitslosigkeit steigt weiter

Die Wirtschaftskrise ist keineswegs vorbei, die Arbeitslosigkeit steigt weiter. Die Risiken, dass die ab dem nächsten Jahr geplante Konsolidierung der Budgets den ohnehin schwachen Aufschwung dämpfen könnte, oder gar einen neuerlichen Einbruch in Gang setzt, sind hoch. Die Überlegung, die Konsolidierung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, wenn der Aufschwung mit hoher Sicherheit selbsttragend geworden ist, wird mit dem Hinweis auf die angespannte budgetäre Situation in manchen Ländern beiseite geschoben. Schließlich entscheidet nicht die ökonomische Vernunft darüber, ob und wann eine bestimmte Höhe der Staatsschuldenquote nicht mehr tragbar ist, sondern Finanzmärkte und Ratingagenturen. Deren Einfluss ist selbst zweieinhalb Jahren nach Ausbruch der Finanzkrise ungebrochen. Das Problem ist nur, dass Konsolidierung Wachstum dämpft und über diesen Mechanismus wiederum budgetäre Nachhaltigkeit untergräbt. Wachstum ist eine überaus wirksame Konsolidierungsstrategie.

Denken vom Korsett befreien

Die Frage, mit der sich auch internationale Organisationen wie der IWF oder die OECD beschäftigen, ist, ob Budgetkonsolidierung denkbar ist, ohne Wachstum wesentlich zu gefährden. Ist eine expansiv wirkende, d. h. wachstumsfördernde Budgetkonsolidierung möglich? Gibt es Einsparungsmöglichkeiten, die Konsum und Investitionen nicht oder wenig bremsen? Lassen sich Einnahmequellen für den Staat finden, für die dasselbe gilt? Sind letztere für das Budget so ergiebig, dass man damit wachstums- und beschäftigungswirksame zusätzliche Ausgaben, wie in der Bildung, Forschung oder im Sozialbereich finanzieren kann? All diese Fragen sind dann mit ja zu beantworten, wenn man sich aus dem Korsett befreit, in dem das Denken seine gewohnten Bahnen zieht.
Ausgangspunkt der Überlegungen bildet die Rolle der Staatsfinanzen in ihrer Verteilungs- und Wachstumswirkung. Für Österreich sind diese in zahlreichen Untersuchungen sehr gut, wenngleich nicht lückenlos, dokumentiert (z. B. Guger und Marterbauer 2009). Steuern sollten ursprünglich progressiv wirken und die Ungleichheit der Marktlöhne, die wenig mit dem gesellschaftlichen Wert der Arbeit zu tun haben, ausgleichen. Progressivität in der Besteuerung wirkt auch wachstumsfördernd, wenn die unteren Einkommen, die dieses zur Gänze konsumieren, nicht oder gering besteuert werden.
Die beobachtbare zunehmende Ungleichverteilung der Lohneinkommen wird allerdings durch den Staat nicht ausreichend korrigiert. Dies vor allem deshalb, weil das Steuer- und Abgabensystem nicht umverteilt. Lediglich die Lohn- und Einkommensteuern wirken progressiv, Sozialversicherungsbeiträge und Verbrauchssteuern sind allerdings viel bedeutender und diese wirken regressiv, d. h. sie belasten die unteren Einkommensgruppen in Beziehung zum Einkommen stärker als die oberen. Würde man sämtliche Steuern und Abgaben (Einkommen-, Verbrauchs- und vermögensbezogene Steuern, Sozialversicherungsbeiträge), die die verschiedenen Einkommensgruppen leisten, in Relation zum jeweiligen Einkommen und Vermögen setzen, wäre vermutlich das Steuer- und Abgabensystem regressiv, d. h. die unteren Einkommen wären stärker belastet als die reichen Haushalte.

Zu viele Steuerschlupflöcher

Im internationalen Vergleich zeichnet sich Österreich durch das Fehlen einer Vermögenssteuer und einer nennenswerten Vermögenszuwachssteuer aus. Außerhalb der Spekulationsfrist von einem Jahr sind beispielsweise Wertzuwächse durch den Verkauf von Aktien steuerfrei. Dem Staat entgehen durch diese Steuerschlupflöcher Steuereinnahmen von mehreren Millionen Euro jährlich. Ein zunehmender Teil des Einkommens wird von den oberen Einkommen als müheloser Ertrag erzielt: Erträge aus Zinsen, Dividenden und Wertzuwächsen von Vermögenswerten. Diese Erträge unterliegen nicht den progressiven Sätzen der Einkommen- und Lohnsteuer, sondern, wenn überhaupt, einem niedrigeren proportionalen Steuersatz (25 Prozent). Das Geldvermögen ist äußerst ungleich verteilt: die obersten zehn Prozent verfügen über 54 Prozent des gesamten Geldvermögens (Mooslechner und Schürz 2009), wobei hier die Stiftungen nicht erfasst sind. Der Immobilienbesitz ist noch ungleicher verteilt. Hier besitzt das oberste Zehntel 61 Prozent.

Umverteilung der Ausgaben

Über die Ausgabenseite wird sehr wohl umverteilt. Dies gilt insbesondere für Arbeitslosengelder und soziale Dienstleistungen. Eine Anhebung der Höhe des Arbeitslosengeldes und ein Ausbau kommunaler sozialer Dienste (Pflege, Kindergärten, Krippen) wären dringend notwendig. Gerade letzteres würde Arbeitsplätze schaffen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Konsum und Wachstum fördern. Das Gegenteil davon passiert.
Aus der Finanzkrise wird eine Krise des Sozialstaats, so wie die Krise der skandinavischen Länder Anfang der 1990erJahre, deren Ursache Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte war, letztlich umgedeutet wurde: Der Sozialstaat sei zusammengebrochen und nicht mehr finanzierbar, hieß es damals. Auch heute verstärkt die Erhöhung der Staatsschulden den Druck enorm, bei den Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsausgaben einzusparen; Frauen trifft das überproportional, da viele von ihnen Empfängerinnen sozialstaatlicher Transfers sind. Die Konsolidierung des Budgets wird den Druck in diese Richtung noch weiter erhöhen. Das "Zurückdrängen der Frauen an den Herd", die Verrichtung unbezahlter Haus-, Pflege- und Betreuungsarbeit wären die Folge.

Umverteilung der Ausgaben

Eine Konsolidierungsstrategie, die in jenen Bereichen Ausgaben senkt und Einnahmen erhöht, wo untere und mittlere Einkommen nicht oder wenig belastet werden und die darüber hinaus zusätzliche Investitionen in zukunftsträchtigen Bereichen vorsieht (Bildung, Gesundheit, Forschung, soziale Dienste, Klimaschutz), entfaltet mehrere Wirkungen: Sie trägt zur gerechten Verteilung der Krisenlasten bei, sie fördert Wachstum und Beschäftigung und sie verhindert zukünftige Finanzkrisen. Schließlich ist die Überinvestition der reichen Schichten in Finanzanlagen und die gleichzeitige Konsumschwäche der ärmeren Haushalte eine wesentliche strukturelle Ursache von Finanzkrisen. Die Einkommensschwäche der Armen mit Krediten auszugleichen, statt für eine gerechte Verteilung zu sorgen, ist gescheitert. Jedenfalls war in den 1930er-Jahren in den USA das Bewusstsein über die Ungleichheit als wesentliche Krisenursache weit verbreitet. Im New Deal unter Roosevelt wurden dann Steuerreformen eingeleitet, wobei die Spitzensteuersätze nicht nur gegenüber den 1920er-Jahren bedeutend höher waren, sondern auch nach heutigen Maßstäben. Der Spitzeneinkommensteuersatz wurde in der ersten Amtszeit Roosevelts auf 63 Prozent und in der zweiten auf 79 Prozent angehoben. Der Spitzenerbschaftssteuersatz stieg von 20 auf 45, dann auf 60, später auf 70 und schließlich auf 77 Prozent. Die durchschnittliche Bundessteuer auf Unternehmensgewinne stieg von weniger als 14 Prozent im Jahr 1929 sukzessive auf über 45 Prozent im Jahr 1955. Diese Reformen verfehlten ihr Ziel nicht. Während 1929 die wohlhabendsten ein Prozent der US-Amerikaner über 40 Prozent des Vermögens verfügten, sank dieser Anteil auf unter 25 Prozent. Während das oberste eine Promille gar über 20 Prozent des Vermögens verfügte, waren dies später nur noch etwa zehn Prozent.

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