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Symbolfoto Menschen wie Waltraud Eberharter - ausgebildeter Guide des Mauthausen-Komitees (MKÖ) - kämpfen gegen das Vergessen, dass so etwas wie der Holocaust niemals wieder geschehen kann!

Aus dem Schneider?

Meinung

Die Bundespräsidentenwahl als vergebene Chance sieht die Korrespondentin des Focus Magazins. Sie träumt von einer Plattform für innere Sauberkeit.

Die mittelgroßen (noch) staatstragenden Parteien atmen erleichtert auf: Beide in der Koalitionsregierung Verbandelten glauben, dass die Kandidatur der blauen Barbara Rosenkranz sie nicht anzugehen hat. Die Sozialdemokratie lehnt sich gemütlich in ihren Ohrensessel in der Hofburg zurück. Mit so einem lupenreinen, untadeligen Kandidaten für den Posten des Bundespräsidenten ist man einfach aus dem Schneider. Die ÖVP-Führung hat auf ihren einflussreichen Wirtschaftszweig gehört und Geld gespart. Sie muss jetzt nur ab und zu eine "Rückholaktion" starten, wenn ein unbedarfter Funktionär die resolute Frau doch noch zur Wahl empfiehlt. Beide Parteien sehen sogar weniger Probleme mit dieser Kandidatur als mit der im Oktober 2008 vollzogenen Kür des aufrechten Rechten Martin Graf zum Dritten Nationalratspräsidenten. Jetzt bedarf es nicht einmal jener nachträglichen Krämpfe und fadenscheiniger Erklärungen, warum man sich ausgerechnet damals auf die Pflege von parlamentarischen "Usancen" versteift hatte. Auch der Schwarze Peter geht eindeutig an die ÖVP: Da gab es sogar eine Pröll’sche Wahlempfehlung im Plenum.
Also, alles paletti? Gibt es keinen weiteren Anlass sich mit dem Thema zu befassen? Oh doch, wenn man heutige und zukünftige gesellschaftspolitische Verantwortung für die Psychohygiene des Landes übernehmen will. Wenn man der Jugend, die dem angeblich so "charismatischen" HC Strache in die Discos nachläuft, etwas Orientierung und Sicherheit geben will. "Haltung zeigen", "Vorbild sein" - alles nur antiquierte Begriffe, die heute gar nicht cool ankommen? Ein hautnahes Erlebnis mit Lehrlingen der Berufsschule Gastgewerbe aus der Längenfeldgasse beweist genau das Gegenteil. Waltraud Eberharter, eine junge Tirolerin, hat sich Zeitausgleich von ihrer Arbeit in der AK NÖ genommen, um als ausgebildeter Guide des Mauthausen-Komitees (MKÖ), 22 Jugendliche einen Tag lang durch das ehemalige KZ zu führen.

Jugendliche in Mauthausen

In Eiseskälte, modisch gekleidet stampfen die 16- bis 18-Jährigen frühmorgens durch die Baracken und über die Appellplätze. Offene Gesichter, wache Augen verfolgen die leicht verständlichen Erklärungen des Guides. Waltraud belehrt nicht, sie macht alles ernsthaft, aber locker und interaktiv: Sie berichtet Fakten und stellt gleich Fragen dazu. Anna, Patrick, Sarina und Omar, die derzeit in der Fünfsterne-Hotellerie ausgebildet werden, denken mit und versuchen eigene, heutige Antworten zu geben. "Wie müssen die Häftlinge in den Fetzen und ohne Schuhe gefroren haben?", überlegt Sarina bei einer Rauchpause. Bis Waltraud die wichtigste Frage stellt: "Ihr fragt euch vielleicht, was geht uns das heute - fast 70 Jahre danach - alles an?" Doch diesmal gibt sie selbst die Antwort: "Weil nichts davon mit dem KZ begonnen hat, sondern mit Hass und Hetze." "Und mit falschen Versprechungen", tönt es aus dem Hintergrund. "Einige von uns haben Strache in der Disco zugehört, als er versprochen hat den Kündigungsschutz für Lehrlinge durchzusetzen. Gemacht hat er dann nichts", urteilt Sarina nüchtern.

Initiative gefragt

Weniger enttäuscht, dafür positiv überrascht, wären die Jugendlichen von einer zivilgesellschaftlichen Initiative, die ihnen heutige Maßstäbe vorgeben würde: Durch eine Plattform, getragen von Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und ihren eigenen Lebenswelten, die gemeinsam für innere Sauberkeit plädiert. Die lautstark erklärt, dass es auch andere als nur demokratisch legitimierte Ansprüche an Personen, die für das höchste Amt im Staat kandidieren, geben darf und muss. Dass man sich als "Inländer" auch stolz in den Spiegel schauen kann. Und nicht darauf wartet und hofft, dass das "böse Ausland" reagiert, um wieder einmal selbstgerecht und provinziell gegen den Außenfeind Schulter-zu-schließen. Anna und Patrick würden das sicher wahrnehmen.

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