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Eine »sanfte« Budgetkonsolidierung über den Konjunkturzyklus hinweg macht durchaus Sinn, wenn der Wachstumspfad der Wirtschaft wieder stabil ist und die Arbeitslosigkeit merklich sinkt. Eine »sanfte« Budgetkonsolidierung über den Konjunkturzyklus hinweg macht durchaus Sinn, wenn der Wachstumspfad der Wirtschaft wieder stabil ist und die Arbeitslosigkeit merklich sinkt.

Wer soll das bezahlen?

Aus AK und Gewerkschaften

Die Folgen der Wirtschaftskrise wird jemand bezahlen müssen - Plädoyer gegen sinnlose Sparvorschläge und für einen starken Sozialstaat.

Was mittlerweile hinlänglich bekannt sein dürfte: Die Finanzmarktkrise und die ihr nachfolgende Weltwirtschaftskrise belasten allerorts die öffentlichen Haushalte, Österreich stellt da keine Ausnahme dar. Konjunktur- und Arbeitsmarktpakete wurden richtigerweise geschnürt, um die Auswirkungen der Krise so weit als möglich abzufedern. Währenddessen gehen dem Staat aufgrund stark steigender Arbeitslosenzahlen und teilweise starker Gewinneinbrüche bei den Unternehmen zusätzlich Steuereinnahmen verloren. Gleichzeitig entziehen sich bestimmte Gruppen nach wie vor der Besteuerung bzw. leisten einen wesentlich geringeren Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben als sie es können und eigentlich auch müssten.

Ein Loch im Budget

Also klafft derzeit ein - noch überschaubares - Loch im österreichischen Budget, das auch zweifellos geringer ist als in vielen anderen Ländern der EU wie z. B. in Spanien oder Griechenland. Laut dem Stabilitätsprogramm der Bundesregierung wird in Österreich das Defizit aller öffentlichen Haushalte, das 2008 gerade einmal 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausgemacht hat, 2009 3,5 Prozent betragen und 2010 auf 4,7 Prozent steigen.
Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich mehr oder weniger verbindlich darauf geeinigt, über den Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichene Budgets bzw. Überschüsse zu erzielen. Das heißt, nicht jedes Jahr müssen und können sich die Ausgaben mit den Einnahmen des Staates decken, da in Krisenzeiten mehr ausgegeben werden muss als eingenommen werden »kann«. Demnach erscheint eine Neuverschuldung in Krisenjahren, die nur unwesentlich über dem Maastricht-Kriterium (maximale Neuverschuldung = drei Prozent des BIP) budgetpolitisch unbedenklich. Zum Erreichen des Maastricht-Ziels fehlen z. B. im Jahr 2009 demnach lediglich 1,4 Mrd. Euro bei einem aktuellen Niveau der Staatsausgaben von weit über 100 Mrd. Euro. Für ein Nulldefizit - dessen Verfolgung in der derzeitigen Situation nicht nur kontraproduktiv, sondern auch und vor allem wirtschaftspolitisch falsch wäre - fehlen im Budget rund zehn Mrd. Euro.
Eine »sanfte« Budgetkonsolidierung über den Konjunkturzyklus hinweg macht durchaus Sinn, wenn der Wachstumspfad der Wirtschaft wieder stabil ist und die Arbeitslosigkeit merklich sinkt. Mit dem entsprechenden Budgetspielraum können wichtige und notwendige Investitionen wie z. B. in die soziale Infrastruktur oder Bildung umgesetzt werden.
Kurzsichtige und in erster Linie klientelistisch geleitete Sparvorschläge bei den Sozialbudgets müssen als grob fahrlässig eingestuft werden, da sie nicht nur sozial nicht zu verantworten sind, sondern auch die erhoffte Erholung der Wirtschaft gefährden, und nur jene für die Finanzierung der Krisenkosten herangezogen werden, die die Finanzkrise sicher nicht verursacht haben. Aus ähnlichen Gründen sind auch Vorschläge zur Erhöhung der Mehrwertsteuer abzulehnen.

VerursacherInnen sollen zahlen

Es überrascht kaum, dass man aufseiten der VertreterInnen des Kapitals lieber bei den Sozialausgaben sparen will, als selbst einen fairen Beitrag zu leisten. Sind doch die naheliegendsten Alternativen eine - stärkere - Besteuerung von großen Erbschaften, Vermögen, Stiftungen, Spekulationsgewinnen und eine Abgabe von Banken, die enorm von den Rettungspakten profitiert haben.
Steuererhöhungen nicht für die Masse der Bevölkerung, sondern für die großen Vermögen, die von den krisenverursachenden Deregulierungen der Finanzmärkte profitiert haben, und für die zentralen NutznießerInnen der Bankenrettungen (v. a. AktionärInnen), sind der Schlüssel dazu, dass die Finanzkrise nicht zur wahren Sozialkrise wird. Die Folgen der Wirtschaftskrise sind bereits jetzt drastisch am Arbeitsmarkt abgebildet und stellen viele Menschen und deren Familien vor existenzielle Schwierigkeiten - sie sollen nicht durch Kürzungen der Sozialleistungen und unsinnige Erhöhungen von Massensteuern »doppelt« zur Kasse gebeten werden.
Der Sozialstaat österreichischer Prägung ist gut, aber zweifellos nicht perfekt. Lücken im sozialen Netz, z. B. aufgrund der voranschreitenden Atypisierung von Beschäftigungsverhältnissen und Lebensmodellen bestehen ebenso wie nicht mehr zeitgemäße Lösungsansätze (z. B. in der Sozialhilfe) oder unnötig komplizierte bzw. ineffiziente Strukturen (vgl. »Föderalismusdebatte«). Im Bereich der öffentlichen Verwaltung und Aufgabenerfüllung sind sicherlich bestimmte Sparpotenziale vorhanden. Selbst wenn damit größere Einsparungen erzielt werden, entstehen nicht selten Kosten in anderen Systemen (z. B. Pensionen, Arbeitslosenversicherung). Die »eingesparten« Mittel in den einzelnen Bereichen werden ohnedies für verbesserte Leistungserbringung bzw. Ergebnisse benötigt (z. B. höhere Förderintensitäten von Kindern mit Lernschwächen oder Migrationshintergrund im Schulbereich).
Diese Probleme sind aber sicher nicht dadurch lösbar, dass man die Sozialleistungen zusammenkürzt. Vielmehr wird ein Um- und Ausbau der sozialen Sicherung notwendig werden, um sich erfolgreich den aktuellen Problemen stellen zu können. Ein Umbau, der aber langfristig auch eine Entlastung der Sozialbudgets bewirken kann - z. B. gesundheitliche Prävention und Qualifizierungsmaßnahmen stellen kurzfristig Investitionen dar, die sich mittel- und langfristig rechnen.

Vorbild Skandinavien

Die Vorbilder für einen modernen, gut ausgebauten Sozialstaat sind die skandinavischen Länder. Statt mit vermeintlichen Diskussionen über »soziale Treffsicherheit« eine Sozialkürzungsdebatte zu provozieren, wird dort vielmehr die aktive Rolle eines breit ausgebauten und modernen Sozialstaats betont. Gerade in den Bereichen Kinderbetreuung, Bildung, Arbeitslosenbetreuung oder bei den Gesundheitsdiensten werden dort hoch entwickelte, professionelle soziale Dienstleistungen angeboten und durch verschiedenste Maßnahmen der soziale Zusammenhalt gefördert. Im Ergebnis führt dieser Zugang zu hohen Beschäftigungsquoten, solider Finanzpolitik und einer egalitären Einkommensverteilung zwischen Männern und Frauen.
Vergleicht man die Strategien von unterschiedlichen Ländern bei der Budgetkonsolidierung, so lassen sich einfache Lehren ziehen: Länder, die ihre Konsolidierung längerfristig und durch ein entsprechendes Wirtschaftswachstum begleitet haben, weisen deutlich bessere volkswirtschaftliche Ergebnisse auf. Erfolgreiche Beispiele sind z. B. die koordinierte Geld- und Fiskalpolitik in den USA oder Schweden in den Neunzigerjahren. Im Gegensatz dazu haben Österreich oder in einem noch übertriebeneren Ausmaß Deutschland nach 2001 versucht, in einem ungünstigen Wirtschaftsumfeld rasch zu konsolidieren. Die negativen Erfahrungen v. a. in Deutschland sprechen gegen diesen Irrweg: Diese kurzsichtige Form der Konsolidierung hat ein noch schwächeres Wirtschaftswachstum verursacht, das Defizit stieg noch weiter an und die schlimmste Konsequenz war der massive Anstieg der Arbeitslosigkeit. Diese Erfahrungen der jüngeren Geschichte sollten abschreckend genug sein - sollte man meinen.
Eine emanzipatorische Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und nicht an den exklusiven Wünschen von Eliten, die durch geschickte Parolen und durch das Ausspielen von benachteiligten Gesellschaftsgruppen Profit schlagen wollen, muss die Vision für die Zukunft in Österreich sein. Dafür braucht es z. B. mehr direkte politische Mitbestimmung über die Ausrichtung der Politik, die sachliche Diskussion über die anstehenden Herausforderungen und eine ausgewogene mediale Begleitung des Diskurses. Als ein positives Beispiel der jüngeren Geschichte soll die parlamentarische Enquete mit dem Titel »Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit in Österreich: Transparenz und Fairness« vom 20. Jänner dieses Jahres angeführt werden. Auf breiter wissenschaftlicher, sozialpartnerschaftlicher und interessenpolitischer Ebene wurde ein Diskurs ermöglicht, der hoffentlich Fehler in der Zukunft zu vermeiden hilft.

Starker Sozialstaat unverzichtbar

Der Tenor der Veranstaltung war relativ eindeutig: Die Wirtschaftskrise darf nicht zur Sozialkrise werden - ein starker Sozialstaat wird auch in Zukunft unverzichtbar und zentrale Rahmenbedingung für eine faire Gesellschaft sein!

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