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KonsumentInnen sind mächtig, sie können etwa durch Boykott einem Unternehmen ihre Vorstellungen aufzwingen oder auch durch permanenten Zuruf. Allerdings, die überragende Mehrheit der VerbraucherInnen ist sich dieser möglichen Macht überhaupt nicht bewusst KonsumentInnen sind mächtig, sie können etwa durch Boykott einem Unternehmen ihre Vorstellungen aufzwingen oder auch durch permanenten Zuruf. Allerdings, die überragende Mehrheit der VerbraucherInnen ist sich dieser möglichen Macht überhaupt nicht bewusst

Die stille Macht

Schwerpunkt

Über KonsumentInnenmitbestimmung wurde immer wieder nachgedacht - allerdings umgesetzt wurde sie bislang nicht.

Ohne die VerbraucherInnen, also die Menschen, welche die angebotenen Waren und Dienstleistungen kaufen, gäbe es keine Wirtschaft. So etwas wie ein »Markt« würde nicht existieren. KonsumentInnen sind mächtig, sie können etwa durch Boykott einem Unternehmen ihre Vorstellungen aufzwingen oder auch durch permanenten Zuruf. Allerdings, die überragende Mehrheit der VerbraucherInnen ist sich dieser möglichen Macht überhaupt nicht bewusst. Diese Macht könnte natürlich bis in die Produkte und Dienstleistungen hinein gestalterisch wirken, etwa als Mitbestimmung im Unternehmen. Hier gab es einmal eine tolle alternative Idee, dann Denkansätze und auch einige wenige Initiativen.

Die Konsumgenossenschaften

Das Selbstbewusstsein der VerbraucherInnen zeigte sich erstmals durch Gründung von Konsumvereinen bzw. Konsumgenossenschaften im 19. Jahrhundert ausgehend von England (Konsum- und Spargenossenschaft »Rochdale Society of Equitable Pioneers«, 1844 gegründet). In Österreich war die erste Konsumgenossenschaft übrigens eine von höheren Beamten 1862 gegründete Einrichtung, 1864 folgte dann der »Erste niederösterreichische Arbeiter-Konsumverein«. Die Bedeutung dieser Konsumvereine war nicht nur für die VerbraucherInnen selbst groß, da die Preise der von der Genossenschaft eingekauften und an die Mitglieder verkauften Waren günstiger waren und das bei besserer Qualität als im herkömmlichen Handel. Die eigene Versorgung selbstständig auf die Beine zu stellen war auch prägend für das Selbstwertgefühl der Mitglieder. Die VerbraucherInnen, die Mitglieder bestimmen in ihrem Konsumverein allein, sie sind nicht mehr abhängig - das revolutioniert das Selbstbewusstsein!
Ein zweites Aufleuchten kam später dann im Ersten Weltkrieg in Deutschland mit der Gründung des »Kriegsausschusses für Konsumenteninteressen«. Der Deutsche Käuferbund - so etwas gab es damals schon - sammelte 81 weitere Organisationen (Gewerkschaften, Frauenvereine, Konsumgenossenschaften, Wohlfahrtsgesellschaften) um sich und schuf einen über Landes-, Bezirks- und Ortsausschüsse in die Alltagswelt der vom Krieg betroffenen Menschen hineinreichenden Verband, der immerhin (mit den Angehörigen) ein Viertel der Wohnbevölkerung umfasste und in die staatliche Kriegswirtschaft die Verbraucherinteressen einbrachte.
Die Exponenten dieses Verbandes dachten bereits über Konsumentenkammern neben den Arbeitskammern nach, die den Verbraucherinteressen umfassender Gewicht geben sollten. Nach dem Ersten Weltkrieg kam es schließlich in Deutschland auf Länderebene zu einigen solchen Kammern (Arbeitskammern, Konsumentenkammern in Nordrhein-Westfalen und Hamburg), in Österreich wurden 1920 bundesweit und einheitlich die Arbeiterkammern gegründet.
Gleich nach dem Ersten Weltkrieg hat Otto Bauer in seiner Schrift »Der Weg zum Sozialismus« (Wien 1919) seine Vorstellung von der Vertretung der Konsumenteninteressen beschrieben. Die Unternehmen der Konsumgüterindustrie wären mit einem Verwaltungsrat auszustatten, der jeweils zu einem Viertel von den Eigentümern, den Arbeitnehmern, den Verbrauchern und schließlich Vertretern des Parlaments beschickt wird.

Vergesellschaftung

Unternehmen sind sozial verpflichtet und die Menschen sind vernünftig, war der Ausgangsgedanke. Und, es ging eben nicht um Verstaatlichung, sondern um Vergesellschaftung - Verstaatlichung schätzte Otto Bauer als ungünstig ein, da sie der jeweiligen Regierung nur mehr Macht brächte und den Machthabern (dem Staat) wäre prinzipiell immer zu misstrauen. Mit dieser Viertelparität folgt auch ein wirksamer Ausgleich der unterschiedlichen Interessen der Gruppen. Und die sind ja auf den ersten Blick durchaus verschieden: Etwa sind EigentümerInnen und ArbeitnehmerInnen in der Regel an hohen Preisen ihrer Produkte interessiert, KonsumentInnen dagegen an möglichst niedrigen Preisen.
Für die Wohnungen - immerhin war und ist Wohnen ja eine entscheidende und große Konsumausgabe - sollte die Realisierung der Verbraucherinteressen noch weiter gehen. Das zeigt sich darin, dass Otto Bauer zuerst einmal einen klagbaren Anspruch auf Zuweisung einer angemessenen Wohnung für notwendig hält. Dann wären generell die Wohnhäuser von den Mieterausschüssen selbst zu verwalten, diese wären dabei natürlich berechtigt, auch Verbesserungen in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Wohnen einzuführen. Etwa Zentralküchen mit angestellten Köchinnen, ebenso Wäschereien usw. zu betreiben, um die Frauen zu entlasten.
Aus diesen Ideen wurde nichts, der Nationalsozialismus eliminierte schließlich alle partizipativen Vorstellungen. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg und der immer mehr ausufernden Konsumgesellschaft blieb Mitbestimmung im Wesentlichen auf ArbeitnehmerInnen-Mitbestimmung beschränkt. Der Niedergang der Konsumgenossenschaften begann 1989 in Deutschland durch großangelegten Betrug des Vorstands, das Konsumdebakel in Österreich und der Konkurs 1995 ist sicher noch vielen in Erinnerung. Nur in einem Nachbarland blühen die Konsumgenossenschaften nach wie vor lebhaft, das ist die Schweiz: Migros und Coop sind dort die größten Lebensmittelhändler.

Mitsprache in Umweltfragen

Erst die Umweltschutz-Bewegung entdeckte die Mitbestimmung wieder, als BürgerInnen-Mitbestimmung bei umweltbezogenen Entscheidungen der Unternehmen und der Behörden. Viele Bürgerinitiativen begannen in jenen Zeiten sich in »von oben verordnete« Planungen einzumischen. Die Glanzlichter dieser demokratiepolitisch wichtigen Partizipation waren die Verhinderung des Atomkraftwerks Zwentendorf 1977/78, die Wiedereinführung der Glaspfandflasche für Milch im Waldviertel Anfang der 80er-Jahre (mittlerweile wieder abgeschafft) und der Erhalt der Hainburger Au 1984. Vor allem im lokalen Bereich ist diese Mitbestimmungsidee lebendig geblieben.
Wenig hat sich hingegen bei der Mitbestimmung der VerbraucherInnen ergeben. Würde man heute die Mitwirkung von VerbraucherInnen oder deren VertreterInnen in den Aufsichtsräten der Unternehmen fordern, so würde man, milde gesagt, auf Unverständnis stoßen. Dass Unternehmen sozial verpflichtet sind, und diese Verpflichtung nicht nur aus freiwilligen Gnadenakten eines Unternehmens besteht, ist eine andere Sache.
Immer wieder gab es Initiativen für eine Beteiligung der VerbraucherInnen an den Entscheidungen von Unternehmen. Eine recht gelungene waren die Citroenists in Frankreich. Citroen-Kunden/-innen in Frankreich wollten in den 1980er-Jahren ganz gezielt die Mitsprache der VerbraucherInnen im Unternehmen erreichen, und zwar in allen Fragen bis hin zur Modellpolitik. Diese Aktivitäten brachten der Gruppe schließlich auch zwei Sitze im Aufsichtsrat von Citroen ein. Nach einigen Jahren war es aber mit dieser Mitbestimmung, angezielt war eine paritätische, also die Hälfte der Sitze, wieder aus.
Einen anderen Weg beschritten Unternehmen mit Verbraucherbeiräten. Auch in Österreich hatten nach 1980 Handelsunternehmen vereinzelt Verbraucherbeiräte eingerichtet. Die Funktion war hier jedoch nicht auf eine Mitbestimmung ausgerichtet, sondern es war dies eine institutionalisierte Form von Fachberatung durch Verbraucher - die durften halt ihre Meinung sagen, ohne sie durchsetzen zu können. Also vorerst eher eine alibihafte Form der Beteiligung der Kunden/-innen, die jedoch an sich durchaus entwicklungsfähig gewesen wäre.

Verbraucherbeiräte kommen wieder

Mehr als zwei Jahrzehnte war dann Ruhe mit derartigen Verbraucherbeiräten, erst in der letzten Zeit gibt es wieder eine gewisse Dynamik. So hat etwa die Schufa in Deutschland einen Verbraucherbeirat eingerichtet, der deutsche Energieriese RWE ebenso, auch bei deutschen Wasser- und Abwasserverbänden gibt es so etwas schon, der deutschen Finanzaufsicht soll in Zukunft ein Verbraucherbeirat zur Seite stehen. Zeit also, um über VerbraucherInnenmitbestimmung wieder einmal ganz grundsätzlich nachzudenken.

Weblink
Mehr Infos unter:
wien.arbeiterkammer.at/konsumentenpolitik.htm

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karl.kollmann@akwien.at
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aw@oegb.at

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