topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Pro und Kontra Facebook | Paul vs. Nani Pro und Kontra Facebook | Paul vs. Nani

Facebook: Gefällt mir?

Schwerpunkt

Kommentieren - teilen - schützen? »Kampfgespräch« über Nutzen und Schaden von Facebook. Demokratischer Segen oder Datenschutz-Debakel?

Sollten Sie einen Fachbegriff nicht kennen, nutzen Sie bitte das Internet - oder verwenden Sie ein Lexikon aus Papier ;-)

Demokratie

Paul: Facebook ist mit bald 400 Millionen NutzerInnen die erfolgreichste Social-Networking-Plattform weltweit. Mehr als 57 Prozent deutschsprachiger InternetuserInnen verwenden Social Networks (Benutzer-Analyse W3B, 2009). Herr/Frau ÖsterreicherIn verbringen jeden Tag 30 Minuten im World Wide Web, unter 30-Jährige 68 Minuten, AkademikerInnen und MaturantInnen noch mehr (IMAS-Studie zur Mediennutzung, 2009). So weit die Hard-Facts - sie sollen verdeutlichen, dass eben erwähnte Webdienste innerhalb des Internets als konkurrenzfähige Medienkanäle zu werten sind.
Nun zur demokratischen Kraft sozialer Medien: Jede/r kann sie nutzen und die Anmeldung erfolgt im Regelfall kostenfrei. Das gilt für Einzelpersonen, Firmen, NGO und Vereine. Damit erhält die Zivilgesellschaft die Möglichkeit auf gleicher Augenhöhe mit Konzernen oder Großparteien, um die Gunst der NutzerInnen zu konkurrieren.
User Generated Content: Redaktionelle Beeinflussung durch Inhaber/Gesellschafter oder zahlungskräftige Werbekunden - wie in klassischen Medien oft üblich - fällt hier völlig weg. Die Kontrolle über die Inhalte übernehmen die BenutzerInnen gemeinsam und gleichberechtigt. Was wirklich Interesse weckt, entscheiden andere UserInnen mit ihren Reaktionen - nicht die PR-Abteilung oder die Geschäftsführung. Alle NutzerInnen werden zu Sender- UND EmpfängerInnen.

Nani: Auch bei Facebook gilt: Folge dem Geld. Denn Facebook ist ein Unternehmen, das auf einen Wert zwischen drei und 15 Mrd. Dollar geschätzt wird (sagt Wikipedia). Beteiligt sind Computer-/Software-Firmen, unter anderem Microsoft, nicht direkt uneigennützige Organisationen. Inwieweit Unternehmen und börsennotierte Konzerne demokratisch sind, nur weil sie »allen Menschen« kostenlos Strukturen zur Verfügung stellen, ist zweifelhaft. Es gibt auch Meldungen, wonach der US-Geheimdienst CIA über eine Risikokapitalfirma indirekt an Facebook beteiligt ist - wenn das nicht wahr ist, so ist es doch zumindest eine hübsche Verschwörungstheorie, die für kritische Distanz spricht. Dass die UserInnen die Inhalte selbst bestimmen ist richtig - aber ist es auch uneingeschränkt gut? In den USA laufen Gerichtsverfahren gegen Holocaust-Leugner auf Facebook, in Deutschland wurden Seiten mit derartigen Inhalten gesperrt.
Es haben außerdem längst nicht »alle Menschen« Zugang zum Internet, auch nicht im ach so reichen Österreich. Die Teilhabe am Facebook-Hype ist also nur denen möglich, die Geld (Anschaffung von PC inkl. Internet-Zugang oder Aufenthalt im Internet-Cafe) und Zeit dafür haben. Das heißt nicht, dass die totale Ablehnung angebracht ist - eine gesunde, kritische Distanz aber allemal! Die deutsche Version von Facebook ist sprachlich übrigens eine männliche, es gibt nur Freunde, Gründer von Gruppen, Administratoren usw. …

Kampagnen und Veranstaltungen

Paul: Ein Vorteil des Internet liegt in seiner Schnelligkeit, und Facebook bietet, über die normale Eingabe von Text- und Bildinhalten hinaus, die Möglichkeit, Gruppen zu gründen, Fan-Seiten zu erstellen oder Veranstaltungen zu posten. In Kombination mit hoher Vernetzung sind so beste Voraussetzungen für schnelle Kampagnen, spontane Veranstaltungen oder die Organisation von Demonstrationen bzw. Flashmobs gegeben.

Beispiele:

  • Die Facebook-Gruppe ›Freiheit im MQ‹ brachte es innerhalb eines Tages auf 4.500 Mitglieder.
  • Die Facebook-Initiative ›Grüne Vorwahlen‹ sorgte für 225 stimmberechtigte VorwählerInnen, diese konnten als Nicht-Parteimitglieder die Listenplätze der grünen KandidatInnen zur Gemeinderatswahl 2010 mitbestimmen - und somit die Themenschwerpunkte der Wiener Landesgruppe in demokratischer Weise mitgestalten.
  • Das Clubbing ›Südbahnhof Abriss Party‹ hatte innerhalb von zehn Tagen über 6.000 angemeldete TeilnehmerInnen.
  • Die gemeinsame Verwendung von Facebook mit mehreren Web-2.0-Plattformen wie Youtube, Flickr oder Twitter können die Qualität von Inhalten sowie Geschwindigkeit und Reichweite verbessern.

Nani: Die Mobilisierungskraft, die in Facebook steckt, ist sicherlich ein großer Vorteil, und mit im Paket kommt die Möglichkeit, ganz andere Zielgruppen anzusprechen als die, die man vielleicht mit Appellen im ORF-Mittagsjournal oder mit Inseraten in der gedruckten bürgerlichen Presse erreicht. Auch der ÖGB hat Facebook im Zuge der Kampagne »Play Fair - Olympia 2008« genutzt, um die Ziele der Kampagne unter die Menschen zu bringen.
Es gibt aber sehr wohl auch Gefahren oder zumindest Risiken, wenn sich Bewegungen, wie zuletzt die Uni-Besetzungen, zum Großteil im Web abspielen: Behörden können ganz leicht nachvollziehen, wer wann wo was gesagt und getan hat (Livestreams aus dem Audimax). »Früher« waren vor allem AktivistInnen linker Aktionen vorsichtiger, was die Veröffentlichung von Bildern bei Aktionen betraf, das Web 2.0 macht offenbar unvorsichtig - und das hat nichts mit Paranoia zu tun, siehe inhaftierte TierrechtsaktivistInnen.

Vernetzung und Kontakte

Paul: Wie im echten Leben auch, entscheidet eine Art soziale Währung über Erfolg und Vernetzungsgrad innerhalb der Facebook-Community. Diese ›Social Currency‹ setzt sich im Wesentlichen aus Originalität, Relevanz, Glaubwürdigkeit und Aktualität zusammen. Werden diese Regeln eingehalten, erfolgt die weitere Verbreitung und Vernetzung in viraler Form. Hat man interessante Inhalte, werden diese durch eigene Kontakte an deren Kontakte weitergegeben, diese haben dann wieder Kontakte und im Idealfall setzt sich diese kleine Erfolgsgeschichte endlos fort. Alle NutzerInnen werden so zu MultiplikatorInnen.

Nani: Um Kontakte zu knüpfen und sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen ist Facebook sicherlich ein gutes Medium: Die alte Schulklasse ausfindig machen, mit Verwandten in fernen Ländern in Kontakt bleiben oder auch berufliche Verbindungen herstellen geht »digital« bestimmt schneller als »analog«. Und es mag für manche Menschen auch tatsächlich reizvoll sein, mit wildfremden Menschen in Facebook-Gruppen gleiche Interessen zu teilen, zum Beispiel »Klopapier, das nach hinten abrollt, ist falsch montiert« …

Datenschutz

Paul: Persönliche Profildaten sowie erstellte Inhalte sind leider nicht ausreichend geschützt. Mehr oder weniger betrifft das fast alle großen Social-Networking-Plattformen. Die gesammelten Daten werden für Werbezwecke verwendet und können an Dritte verkauft werden. Man kann diesen Preis zahlen, oder man entscheidet sich, digitaler Eremit zu werden.

Nani: Datenschutz ist der größte und ernsthafteste Kritikpunkt - und dabei meine ich nicht, dass die Personendaten zu Marketingzwecken an Firmen gehen, denn das steht bestimmt wo im Kleingedruckten. Auch wer so dumm ist, Vorgesetzte oder nicht ganz wohlmeinende KollegInnen als Freunde zu akzeptieren, im Krankenstand fröhlich Partybilder postet, und dann verwarnt, im schlimmsten Fall gekündigt wird, hat nur mein begrenztes Mitleid. Bedenklicher sind die Verbindungen, die von wem auch immer hergestellt werden: Eine Bekannte hat einen Facebook-Account neu angemeldet und in der Sekunde des »Absendens« zig Vorschläge für »Freunde« bekommen. »Gruselig« findet sie das und wundert sich darüber, woher Facebook weiß, dass sie vor Jahren mit einer der vorgeschlagenen Personen studiert hat, mit der sie nicht einmal besonders eng befreundet war.

Sucht

Paul: Man kann wegen Sexsucht nicht den Sex verbieten, genauso wenig das Essen wegen Bulimie - ähnlich sehe ich das auch bei allen anderen Verhaltenssüchten. Egal ob Internet-, Schokolade-, TV-, Arbeits-, Kauf- oder Sportsucht, die Ursache dafür liegt in der persönlichen Disposition, möglicherweise auch in einem gesellschaftlichen Zusammenhang, aber nicht an den Angeboten selbst.

Nani: Die Dosis macht das Gift - das gilt auch bei Facebook. Neben allen anderen erwähnten Kritikpunkten gilt: Wer in vernünftigem Maß mit dem sozialen networking umgeht - bitteschön. Wenn das Verhalten allerdings so weit geht, dass bei Treffen mit echten Menschen im echten Leben immer das Facebook-fähige Handy dabei sein muss, und wenn man der Freundes-Community gleich nach der Nachspeise das komplette Menü posten muss, dann sollte man sich vielleicht doch überlegen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum