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Frei zu werden ist nicht schwer, frei zu sein dagegen sehr, lautet ein Spruch in der Branche. Wie viele freie JournalistInnen in Österreich tätig sind, steht nicht genau fest. Frei zu werden ist nicht schwer, frei zu sein dagegen sehr, lautet ein Spruch in der Branche. Wie viele freie JournalistInnen in Österreich tätig sind, steht nicht genau fest.

Freie JournalistInnen

Schwerpunkt

Frei im Journalismus in Österreich zu arbeiten, ist schwierig. Der Ausübung des freien kritischen Journalismus kommt Erfahrung im Krieg zugute.

Würde er nur von österreichischen Medien leben, meint Ralf Leonhard, wäre er längst verhungert. Seit er vor rund fünfzehn Jahren aus Zentralamerika heimgekehrt ist, hat er offensichtlich kein Gramm zugenommen. Das ist in seinem Fall Zeichen von Disziplin, keines von mangelndem Erfolg. Frei zu werden ist nicht schwer, frei zu sein dagegen sehr, lautet ein Spruch in der Branche. Wie viele freie JournalistInnen in Österreich tätig sind, steht nicht genau fest. Niemand wüsste, wie viele JournalistInnen es derzeit in Österreich gibt oder zu einem bestimmten Zeitpunkt gegeben hat, die Berufsgruppe sei zu klein, um vom Mikrozensus des Statistischen Zentralamtes erfasst zu werden, schreibt Roman Hummel, Professor für Journalistik an der Universität Salzburg, im Bericht 2006 »Journalismus in Österreich«. Im »Journalistenreport 2007« wird die Zahl auf rund 7.100 Personen geschätzt. Bereits 42 Prozent der journalistisch Tätigen sind Frauen.

Mehr Frauen

Damit hat sich zwar in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der professionell Schreibenden deutlich erhöht (1999 waren rund ein Drittel der journalistisch Tätigen Personen weiblich). »Trotz dieses positiven Befundes zeigen deutliche genderspezifische Unterschiede, dass die Journalistinnen ihren männlichen Kollegen nicht gleichgestellt sind«, heißt es im genannten Report.
Die Ressortwahl erfolgt immer noch entlang stereotyper Rollenbilder. So ist der Frauenanteil bei Lifestyle-Ressorts mit 73 Prozent am höchsten, im Sport am geringsten (zehn Prozent).
Wesentlich mehr Frauen als Männer sind in den Medien teilzeitbeschäftigt. Von den Journalisten sind es nur 18 Prozent, bei den Frauen 32. Auch bei den »Freien« ist der Frauenanteil mit 46 Prozent höher als in der Gesamtheit.
»Im Journalismus tätig zu sein, bedeutet in der Regel eine Bereitschaft, das 1,5-fache der Normalarbeitszeit zu erbringen«, berichtet die Studie »Soziale Lage von Journalisten/-innen in Oberösterreich«, (AK OÖ und GPA-djp, Juli 2007). Die 40-Stunden-Woche ist die Ausnahme, 40 bis 60 Stunden pro Woche sind die Regel. »Die ›Mehrarbeit‹ wird von vielen ›in Kauf genommen‹, also freiwillig erbracht, von anderen auch unfreiwillig geleistet, um bessere Berufschancen zu haben.« Vor allem für »Freie«, so belegt der Bericht, sind zusätzliche Tätigkeiten notwendig, um »über die Runden zu kommen«.
Kann man als freier Journalist ausschließlich von dieser Tätigkeit in Österreich leben? »Man kann«, sagt Ralf Leonhard, studierter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie, »ich kann es nicht«. Allerlei Krimskrams habe er im vorigen Jahr zusätzlich erledigt, daneben Rechercheaufträge über »Landgrabbing«, den Diebstahl von Land in Afrika, oder eine Reiseleitung nach Zentralamerika.
Trotz aller Widrigkeiten haftet dem Journalismus ein Nimbus an. Freelancer umgibt ein gewisser Hauch der Unabhängigkeit, aus der Zeit vor der Digitalisierung der Welt. So mancher, meist Mann, landete damals häufig in Cessnas unter Lebensgefahren auf brennenden Flughäfen, befand sich, stets mit Mikrofon bewaffnet, inmitten brodelnder Revolten. So manche, meist junge, Frau klärt heute noch - in TV-Krimis - komplizierte Zusammenhänge inmitten des Bösen. Dabei ist der »embedded Journalism«, die kontrollierte Berichterstattung, nicht nur auf Kriegsregionen beschränkt, sondern in Österreich eher der Normalfall.

Manchmal PR-Texte

Freie JournalistInnen hätten eher die Möglichkeit, interessante Geschichten zu recherchieren, meint die freie Journalistin Regina Sailer, die allerdings auch PR- und Werbetexte verfasst, in einem Internet-Beitrag zur Lage der JournalistInnen Österreichs.

Teure Recherche

»Ha, ha«, sagt Leonhard. »Welches Medium in Österreich honoriert den Aufwand für eine interessante Geschichte? Aufwendige Geschichten sind ein Luxus, den sich eigentlich nur fest angestellte Journalisten leisten können, die dafür freigestellt werden. Oder jemand, der eine Förderung bekommt.«
Freie und fix angestellte JournalistInnen in Österreich stehen angesichts der Einnahmen der heimischen Printmedien (2009: minus 20 Prozent) vor derselben Problematik.
»Für ein paar Tausend Journalisten in Österreich - genauere Zahlenangaben sind seriöserweise nicht zu eruieren - stellt sich die dringende Frage, ob sie nicht selber aktiv nachdenken sollten, wie die Rahmenbedingungen ihrer beruflichen Umwelt in Zukunft beschaffen sein werden«, schreibt Engelbert Washietl, freier Journalist und Vorsitzender des Komitees Qualitätsjournalismus, in »Der Österreichische Journalist:online«. Darauf gebe es derzeit nur eine definitive Antwort: anders als bisher.
Nach einer Untersuchung von 15 Redaktionen (darunter Die Zeit, Spiegel Online, taz), kommt das deutsche Branchenblatt »Der Journalist«, zu einem alarmierenden Schluss. Für Recherche bleibt immer weniger Zeit, echte Nachforschungen werden durch Pseudo-Recherche ersetzt. Obwohl es in Österreich eine vergleichbare Studie nicht gibt, kann davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse hierzulande mindestens ebenso drastisch ausfallen.
»Schreiben macht arm«, schreibt die freie Autorin Gabriele Bärtele in »Die Zeit« über das Erwachen aus ihrem Traumberuf Journalismus. Nach zehnjähriger Tätigkeit warnt sie davor, ihn zu ergreifen. »Jeder, der das so sieht, sollte den Beruf aufgeben«, rät Ralf Leonhard, seit über 20 Jahren in der Branche tätig ist. »Es gibt lukrativere Beschäftigungen. Wer davon arm wird, macht irgendetwas ganz falsch.«
»Manche journalistische Disziplinen, etwa der seriöse Aufdeckungsjournalismus, sind im Aussterben begriffen, weil zu teuer«, schreibt Engelbert Washietl. Andere könne sich nur der ORF - noch - leisten.

Einkommen

»Bei den Einkommensvergleichen ständig freier Journalistinnen und Journalisten wiederum fällt vor allem auf, dass rund die Hälfte der nicht angestellten Frauen lediglich Honorare bis maximal 1.500 Euro brutto monatlich bezieht«, stellt die empirische Erhebung »Österreichs Medien und ihre Macher« fest. Das hänge mit dem hohen Frauenanteil bei Fachmedien mit wesentlich geringeren Honorarsätzen und seltener Erscheinungsweise zusammen. Nur jeweils zwei bis sechs Prozent der Frauen befinden sich in den höheren Kategorien über 3.500 Euro monatlich. Allerdings ist der Anteil der Journalisten in diesen Einkommenskategorien auch nicht wesentlich höher.
»Die Kosten und Sparprogramme sind eine ganz große Gefahr für Frauen«, meinte die Journalistin Bettina Roither am 11. Österreichischen Journalistinnenkongress, der am 14. Oktober 2009 in Wien stattfand. »Gleichzeitig mit dem Generationenproblem werden neue junge Frauen nach schlechteren Bedingungen bezahlt werden als noch die Generationen davor.«
Ein Problem des freien Journalismus liegt auch darin, ständig gute Leistungen bringen zu müssen. Wenn einem nichts einfällt, kann man mit copy and paste vorgehen, um die geforderte Zeilenanzahl zu erreichen. »Beinahe täglich entdecke ich Texte von mir im Internet, die sich jemand stillschweigend heruntergeladen hat, um seine Homepage damit zu schmücken«, schreibt Gabriele Bärtels. Die Rechtslage ist so, dass sie für diesen Diebstahl Honorar fordern könnte. »Das einzige was ich mir einhandle, sind pampige Antworten wildfremder Leute, die meinen, geistiges Eigentum sei so frei wie Luft und Sonne.«

Weblink
Europäische JournalistInnenföderation:
europe.ifj.org/en

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gabriela.mueller@utanet.at
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