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JournalistInnen verstehen sich zwar teils immer noch als KämpferInnen für die Rechte Unterdrückter, VerteidigerInnen der Demokratie, WächterInnen über den Rechtsstaat - doch »in Wirklichkeit« sind sie für die Verlage in erster Linie Kostenfaktoren. JournalistInnen verstehen sich zwar teils immer noch als KämpferInnen für die Rechte Unterdrückter, VerteidigerInnen der Demokratie, WächterInnen über den Rechtsstaat - doch »in Wirklichkeit« sind sie für die Verlage in erster Linie Kostenfaktoren.
Harald Fidler: Österreichs Medienwelt von A bis Z

Sterbendes "Gewerbe"?

Schwerpunkt

Der Journalismus in Österreich steht in den vergangenen Jahren mehr denn je im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Demokratie.

Zugegeben, Betrachtungen über die Zukunft des Journalismus mit einer Rückblende auf Gutenberg zu beginnen, klingt weder besonders originell noch besonders kurzweilig. Dennoch - ein Blick zurück auf die Geschichte der Buchdruckerkunst kann recht hilfreich sein, wenn es um die Zukunft journalistischer Tätigkeit geht.

Frisch aus der Presse

Also Gutenberg. Als dieser um 1450 den Buchdruck entwickelte (das Verdienst des Mainzers besteht darin, damals bereits bekannte Techniken weiterzuentwickeln und zu kombinieren - »erfunden« im eigentlichen Sinn hat Gutenberg den Buchdruck nicht) gab es eine eher überschaubare Nachfrage nach Büchern: Die Kunst des Lesens war nur mäßig verbreitet, aber auch das Angebot an Literatur war überschaubar.
Um die Kapazitäten der Druckpressen besser zu nutzen, begannen die frühen Buchdrucker unter anderem, Flugblätter mit - meist chronikalen - Nachrichten zu produzieren, die von Lesekundigen erworben und oft gegen Entgelt an öffentlichen Plätzen vorgetragen wurden: Es waren die Vorgänger der Zeitung. Wir vermerken: Die ersten Zeitungen erschienen aus einem rein ökonomischen Grund, nämlich um Überschusskapazitäten der Druckerpressen zu nutzen.
Eine wichtige Rolle spielten Zeitungen in der französischen Revolution und der »bürgerlichen Revolution« 1848. Zeitungen wurden zur Speerspitze der Bewegung, Verleger verbanden deren Herausgabe oft mit politischen Zielen.

Medien sind Unternehmen

Beides - wirtschaftliche und politische Ziele - sind Motive, die sich auch heute in den Medien finden, freilich in unterschiedlicher Ausprägung. Medien sind längst nicht mehr die Speerspitzen politischer Bewegungen. Medien sind Unternehmen, an denen sogar Finanzinvestoren Gefallen finden, und damit ändern sich die Motive. Gewinnstreben steht im Vordergrund, Renditedenken bestimmt Investitions- (und Deinvestitions-)entscheidungen. JournalistInnen verstehen sich zwar teils immer noch als KämpferInnen für die Rechte Unterdrückter, VerteidigerInnen der Demokratie, WächterInnen über den Rechtsstaat - doch »in Wirklichkeit«, nämlich in der ökonomischen Realität einer Wirtschaftskrise, sind sie für die Verlage in erster Linie Kostenfaktoren. Und es gilt, diese Kostenposition so niedrig wie möglich zu halten. Aber - wie niedrig ist möglich? Der journalistische Arbeitsmarkt ist hoffnungslos überbesetzt. Universitäre und außeruniversitäre Ausbildungsstätten produzieren einen stetig wachsenden Überschuss an Menschen, die in den Journalismus drängen und bereit sind, den Berufseinstieg um fast jeden Preis - sprich: jede noch so geringe Entlohnung - zu versuchen.
Für die Medienunternehmen ergibt sich daraus die Versuchung, das Angebot zu nutzen, und zwar ohne Rücksicht auf Kollektivverträge und Arbeitsrecht. Die Anstellung wird zur Ausnahme, die freie Mitarbeit als Medien-TaglöhnerIn zur Regel und immer häufiger drängen Verlage ihre MitarbeiterInnen sogar in die Rolle von unfreiwilligen Gewerbetreibenden. Journalismus als Gewerbe, als »unternehmerische Tätigkeit«? »Freie UnternehmerInnen« in völliger Abhängigkeit von Medienkonzernen? Eine wahrhaft perverse Zukunftsperspektive.

JournalistInnen-KV schützt

Die Gefahren, die sich daraus ergeben, betreffen alle: die JournalistInnen, die MedienkonsumentInnen, die Demokratie, letztlich auch die Medienunternehmen selbst. Zunächst zu den unmittelbar Betroffenen, den JournalistInnen: Ausschließlich eine Anstellung unter einem Journalisten-Kollektivvertrag ist der Garant für innere Meinungsfreiheit und seriöses Arbeiten. Die Kündigungsbestimmungen schützen JournalistInnen vor den unmittelbaren Folgen von Interventionen und Willkür.

Luxus investigativer Journalismus

Die Haftungsbestimmungen schützen vor ruinösen Klagen, Urlaubs- und Krankenstands-Regeln entsprechen den gesundheitlichen Gefahren eines Stressjobs, die (allerdings verwaschenen und unklaren) Urheberrechtsbestimmungen sind das (verbesserungsfähige) Ergebnis der Erkenntnis, dass es ohne JournalistInnen gar keine Urheberrechte geben kann.
Nur angestellte JournalistInnen haben die Zeit, komplizierte und langwierige Recherchen anzustellen, wie sie investigativer und kritischer Journalismus erfordert - mit dem Risiko, dass die Arbeit mehrerer Tage oder auch Wochen vielleicht das eine oder andere Mal ergebnislos abgebrochen werden muss. Für freie MitarbeiterInnen würde dies einen wirtschaftlich nicht tragbaren Einkommensausfall bedeuten.
Wenn Medien also immer stärker auf »Freie« setzen, dann setzen sie damit eine verhängnisvolle Automatik in Gang: Aufwendige, komplizierte Recherchen sind immer weniger möglich, weil aus der Sicht der nicht angestellten JournalistInnen zu zeitraubend und wirtschaftlich daher nicht vernünftig.
»Infotainment« oder »Advertorials« - seichte Unterhaltung oder die Vermischung von Werbebotschaften mit journalistischen Inhalten - bringen da, scheinbar, viel mehr. Dies führt allerdings zu einer immer stärkeren Uniformierung der Medienszene. LeserInnen sind immer weniger bereit, für sinkende Qualität Geld auszugeben, also müssen Gratismedien her, mit einer weiteren Nivellierung nach unten - eine verhängnisvolle Spirale aus Kostendruck, Qualitätsminderung und sinkenden Auflagen oder ebensolchen Einschaltquoten.
Es sind also scheinbar ökonomische »Gesetze«, die einen Sparkurs in Medien »erzwingen«. Das Ergebnis ist ein ähnliches wie in Diktaturen: Medien werden unkritisch, stromlinienförmig, seicht. Das westliche Wirtschaftssystem schafft seine Kontrollinstanz, die Medien, durch die Wirksamkeit scheinbarer wirtschaftlicher Zwänge ab - ein sanfterer Weg als in Diktaturen, aber ebenso effizient und im Ergebnis ähnlich: Am Ende dieses Weges steht das Ende der Medien als Kontrollinstanz wirtschaftlicher und politischer Macht. Wirtschaftlich gut geht es da nur jenen Medienunternehmern, denen es gelungen ist, selbst Macht auszuüben.

Wege aus der Krise

Gibt es einen Weg aus der Krise? Vermutlich ja, aber dieser führt nicht über Kaputtsparen und Absenkung des Niveaus. Derzeit verhandeln Journalistengewerkschaft und Verband der österreichischen Zeitungen über einen neuen Kollektivvertrag. Aus Sicht der Gewerkschaft soll dieser jene Gruppen, die bisher zum Teil widerrechtlich abseits stehen mussten, erfassen: Freie, Online-RedakteurInnen, Agenturen und jene, die Opfer einer Kollektivvertragsflucht durch Ausgliederungen wurden.
Aus Sicht der UnternehmerInnen soll der neue Kollektivvertrag die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen berücksichtigen, also »billiger« werden. Gelingt es, ein Vertragswerk zu schaffen, in dem sich beide Positionen finden, dann wäre das ein wichtiger erster Schritt für die Gesundung eines Wirtschaftszweiges, der über weit mehr als ausschließlich wirtschaftliche Bedeutung für dieses Land verfügt.

Weblink
Infos zur JournalistInnengewerkschaft in der GPA-djp
www.journalistengewerkschaft.at

Info&News
Journalistengewerkschafts-Präsidium
In seiner konstituierenden Sitzung Anfang Jänner hat das neu gewählte Präsidium der Journalistengewerkschaft - identisch mit der Leitung des Wirtschaftsbereichs 25/Medien in der GPA-djp - Franz C. Bauer, (trend, profil) wieder zum Präsidenten/Wirtschaftsbereichsleiter bestellt. Zu Vizepräsidenten wurden Eike Kullmann (Oberösterreichische Nachrichten) und Ute Gross (Kleine Zeitung) gewählt. .

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