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Der Zusammenhalt der Gesellschaft wird auch von den Freiheitlichen primär über Ausgrenzung von MigrantInnen und sozial Schwachen definiert. Der Zusammenhalt der Gesellschaft wird auch von den Freiheitlichen primär über Ausgrenzung von MigrantInnen und sozial Schwachen definiert.

"Nationale Solidarität"

Schwerpunkt

In Krisenzeiten setzen rechte Strategien vermehrt auf die soziale Karte - eine Herausforderung für die Gewerkschaften.

»Hoch die nationale Solidarität« oder »Sozial geht nur national« - spätestens seitdem Gruppen wie die bundesdeutschen Nationaldemokraten (NPD) mit diesen Slogans in laufende soziale Bewegungen intervenieren wollen, sehen engagierte GewerkschafterInnen »Feuer am Dach«. Vor den »Trittbrettfahrern der sozialen Frage« warnt bereits eine DGB-Publikation. Festgestellt werden sowohl Wandlung wie Radikalisierung des Rechtsextremismus: Rechte Strömungen im »Nadelstreif«, also mit vorwiegend neoliberaler Ausrichtung - z. B. die Republikaner - spielen heute nur noch eine untergeordnete Rolle. Demgegenüber hat die seit jeher radikalere NPD unternehmerfreundliche Positionen entsorgt. Sie marschiert heute mit einem Vokabular gegen Globalisierung, internationale Banken und Konzerne auf, welches zum Teil direkt dem Arsenal der antikapitalistischen Linken entlehnt zu sein scheint.

Abschottung gegen Globalisierung

Die soziale Frage bewegt vor dem Hintergrund von Sozialabbau und Krise immer mehr Menschen. Die extreme Rechte will dieses Potenzial nutzen und im Sinne ihres Weltbildes kanalisieren. Arbeitsplätze, öffentliche Leistungen und politische Rechte soll es nur noch für bestimmte Gruppen geben. »Ausländer raus« - nur dann sei das Sozialsystem zu finanzieren, lautet die zentrale Botschaft dieser Strömungen. Doch nicht nur der Arbeitsmarkt soll zur geschlossenen Gesellschaft erklärt werden. Der globalen Krise möchte diese Rechte durch nationale Abschottung begegnen. Was heimischen Unternehmen nutzt, sei gleichzeitig sozial - so lautet diese seltsame Logik auf den Punkt gebracht. Verteilungsgerechtigkeit und solidarische Interessenvertretung durch Gewerkschaften sind kein Thema. Vielmehr will die Rechte: Leistung, Privateigentum und Führerprinzip (auch) im Betrieb.

Und Österreich?

Radikale Kleingruppen wie der »Bund Freier Jugend«/»Junge Aktion« oder die »Nationale Volkspartei« unternehmen bereits gefährliche Versuche, die Strategien der NPD vor allem in Oberösterreich zu kopieren. Als das für Österreich bestimmende - und zugleich beklemmende - Element wirkt allerdings ein anderer Umstand. Nämlich der Wandel der Freiheitlichen weg von einer gescheiterten, neoliberalen Partei der »Fleißigen und Tüchtigen« und ihr neuerliches Erstarken als selbsternannte »soziale Heimatpartei«. FPÖ-»Vordenker« Andreas Mölzer dazu: »Insbesondere das in jüngster Zeit besonders betonte soziale Engagement der freiheitlichen Parteispitze hat ja dazu geführt, dass ein zunehmend großer Wählerbereich der FPÖ das Vertrauen zu schenken scheint. In Zeiten, in denen die Teuerung im Bereich der Lebensmittel, im Bereich der Energie und Kraftstoffe und im Bereich der medizinischen Versorgung breite Schichten der Bevölkerung belastet, ist die verstärkte sozialpolitische Orientierung naturgemäß ein Gebot der Vernunft. Wie bereits (…) ausgeführt, resultiert das freiheitliche soziale Engagement allerdings nicht aus der sozialistischen Ideologie des Klassenkampfes, sondern aus dem Dogma der nationalen Solidarität.«
Unter dieser nationalen Solidarität verstehen die Freiheitlichen: NichtösterreicherInnen sollen aus den Sicherungssystemen gelöst werden, es gilt, sie sozial, aber auch politisch (»Agitationsverbot«) und kulturell zu entrechten (»Moscheeverbot«) und schließlich »rückzuführen«. Auch andere Ideen weisen deutliche Parallelen zum neuen rechtsextremen Mainstream in Europa auf: Gegenüber Globalisierung, USA und EU möchte die FPÖ österreichische Unternehmen stärken. Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern wird ein Arbeitsdienst angeboten. Der Zusammenhalt der Gesellschaft wird auch von den Freiheitlichen primär über Ausgrenzung von MigrantInnen und sozial Schwachen definiert. Und für Gewerkschaften hat die »soziale Heimatpartei« wenig übrig: So fordert der Ring freiheitlicher Wirtschaftstreibender schon einmal Notgesetze, um in die KV-Autonomie der Gewerkschaften einzugreifen.

Anschlussfähig in der sozialen Frage

Extreme Rechte verfolgen heute das Ziel »anschlussfähig« an soziale Bewegungen zu werden. Dafür werden selbst Widersprüche in Kauf genommen. So erklärte die FPÖ z. B. während der Metallerlohnrunde, dass »die Krise jetzt keinesfalls dazu genützt werden dürfe, um Sozialdumping auf Kosten der Arbeitnehmer voranzutreiben.« Doch während MetallerInnen und StudentInnen den Schulterschluss übten, wollte die FPÖ die Wiener Uni räumen und diese soziale Bewegung somit zerschlagen lassen. Trotz dieses Lehrbeispiels für angewandete Demagogie fragt man sich, woran es liegt, dass Strache im ORF behaupten kann, dass es aufgrund der FPÖ in Österreich keine Linkspartei braucht, »die soziale Themen aufgreift (...)«, weil die Freiheitlichen dies ohnehin besorgen würden.

Auch ÖGB-Mitglieder wählen FPÖ

Rechtsextreme Strömungen verfügen zwar momentan weder auf europäischer Ebene noch in Österreich über wesentliche betriebliche Positionen. Studien belegen allerdings, dass selbst unter Gewerkschaftsmitgliedern zum Teil weit verbreitete rassistische Einstellungen, Vorurteile und Anfälligkeiten existieren. In Österreich ist dieser Aspekt besonders stark sichtbar: Die in diesen Fragen sich klar deklarierende FPÖ erhält einen hohen Anteil ihrer Stimmen aus dem Bereich der ArbeitnehmerInnen, wohl auch von ÖGB-Mitgliedern. Wie groß ist der Schritt vom rechten Protestwählen zum Protest gegen Minderheiten in den Betrieben und auf der Straße? Dass die FPÖ zunehmend Interesse hat, auch den öffentlichen Raum zu besetzen, belegt neben Anti-Moschee-Demonstrationen auch die Ankündigung, am 1. Mai 2010 in Wien demonstrieren zu wollen.
Konsequent für solidarische Prinzipien einzutreten, kann heute selbst für einen starken Gewerkschaftsverband bedeuten »Minderheit« zu sein. Trotzdem gilt es Kurs zu halten. Als positives Beispiel kann aktuell der Schweizer Gewerkschaftsverband genannt werden. Dieser hat - sowohl vor wie nach der Minarett-Abstimmung - öffentlich sichtbar eine klare Position gegen den Kulturkampf von Rechts vertreten und somit auch seine eigene Mitgliedschaft gegenüber Spaltungsversuchen verteidigt. Die Gewerkschaften müssen aber wahrscheinlich zunächst auch eingefahrene Haltungen überprüfen. Dazu gehört aber nicht nur der oft beklagte »Alltagsrassismus« an der Basis, sondern z. B. auch die Frage, ob eine inzwischen wieder klar rechtsextreme Partei wie die FPÖ heute noch eine zu akzeptierende Strömung/Fraktion im ÖGB darstellt. Immerhin hat der ÖGB in Richtung Rassismus und Antisemitismus beim jüngsten Bundeskongress sehr klare Beschlüsse gefasst.
Nicht wenige GewerkschafterInnen werfen sogar noch grundsätzlichere Fragen auf. Auch die Negierung gesellschaftlicher Gegensätze auf nationaler Ebene, »Standortlogik« sowie die Diskriminierung von MigrantInnen am Arbeitsmarkt können rechten Einstellungen in die Hände spielen. Wer um die »Lufthoheit« in der sozialen Frage kämpfe, müsse auch hier ansetzen.

Internationale Solidarität

Das Gegenmodell, nämlich »Internationale Solidarität«, haben Gewerkschaften theoretisch bereits in der Tasche. Doch bleibt es dort nicht allzu oft liegen? Welche Präsenz haben z. B. in mehreren Ländern durchgeführte Streiks und internationale Kampagnen in der gewerkschaftlichen Routine?

work@migration

Auch sehr bemerkenswerte Beispiele »gegen Rechts«, wie der Streik bei der britischen Ölraffinerie Lindsay/Britannien - der mit nationalen Parolen gegen ArbeitsmigrantInnen begann und erfolgreich mit internationaler Organisierung über staatliche und ethnische Grenzen hinweg zu Ende ging - wurden europaweit lediglich in kleinen (Gewerkschafts-)Kreisen heftig debattiert. Und ebenso fehlen wohl auch noch - trotz bemerkenswerter Ansätze wie der Interessengemeinschaft work@migration/GPA-djp - in der breiten Öffentlichkeit jene gewerkschaftlichen Gesichter, welche die multikulturelle Zusammensetzung der österreichischen Arbeitswelt und ihrer Interessenvertretungen widerspiegeln.

Weblink
Volkshochschule Ottakring:
www.vhs.at/ottakring

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