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Geld vermehrt sich, wo vorhanden: So hat die Anzahl der Spareinlagen bis 10.000 Euro zwischen 2003 und 2007 um 1,1 Prozent abgenommen, die Anzahl jener über 100.000 Euro hat hingegen um 31,2 Prozent (!) zugenommen. Geld vermehrt sich, wo vorhanden: So hat die Anzahl der Spareinlagen bis 10.000 Euro zwischen 2003 und 2007 um 1,1 Prozent abgenommen, die Anzahl jener über 100.000 Euro hat hingegen um 31,2 Prozent (!) zugenommen.

Nur kein Neid?

Schwerpunkt

Finanzminister Pröll kritisierte unlängst, dass 2,7 Mio. Menschen keine Steuern zahlen, über Sozialleistungen auf Kosten der Reichen lebten. Und die Reichen?

Seit vielen Jahren verlangen Gewerkschaften und Arbeiterkammern eine gerechtere Verteilung des von den arbeitenden Menschen erwirtschafteten Reichtums, z. B. eine Besteuerung von Vermögens- und Wertschöpfung. Wirklich Gehör in den vorigen Regierungen fanden sie aber nicht. Die nach dem Antritt der jetzigen Regierung - nicht zuletzt im Zuge der durch das Finanzkapital verursachten Wirtschaftskrise - erneut eingeforderte Verteilungsdebatte wurde schnell von Kanzler Faymann und Sozialminister Hundstorfer in einen Arbeitskreis zwischengelagert, der frühestens 2013 Ergebnisse bringen soll. Jetzt haben wir aber doch eine Verteilungsdebatte - aber in die falsche Richtung.

2,7 Mio. Sozialschmarotzer?

Laut Finanzminister Pröll zahlen von den rund 5,7 Mio. in Österreich als Selbstständige (300.000 in Gewerbe und »neue Selbstständige«/WerkvertragsnehmerInnen), Bauern (97.000), ArbeiterInnen, Angestellten, freie DienstvertragsnehmerInnen und Beamte (3,42 Mio.) und PensionistInnen (1,88 Mio.) lebenden Menschen nur fast die Hälfte Steuern. Dies nimmt Pröll nun heuchlerisch zum Vorwand, »Steuergerechtigkeit« einzufordern oder die Frage zu stellen: »Wie gerecht ist der Sozialstaat?« Ein »Transfer-Konto«, das die staatlichen Sozialleistungen auflistet, soll angeblich »Transparenz« schaffen.
Warum zahlen so viele Menschen keine Steuern? Sind sie Steuerhinterzieher, sind sie faul? Nein! Die UnternehmerInnen zahlen ihnen nicht mehr, beschäftigen sie entweder nur geringfügig, als Teilzeitkräfte, »neue Selbstständige«, »Freie Dienstvertragler« oder als Vollzeitkräfte mit zu wenig Lohn. Auch die rund 400.000 echten Arbeitslosen (inkl. Schulungen und sonstiger AMS-Aktionen) können nichts für ihr Schicksal, weil sie nicht freiwillig arbeitslos wurden, sondern von den UnternehmerInnen gekündigt oder auch absichtlich in Frühpension geschickt wurden und werden (z. B. Post, Bahn, Siemens usw.).
Die viel gepriesenen Privatisierungen haben zwar die Gewinne der Unternehmen, nicht aber das Arbeitsplatzangebot steigen lassen. Die Unternehmensgewinne haben sich mit 12,1 Mrd. Euro im Jahr 2007 gegenüber 2003 vervierfacht. Gleichzeitig sind die Dividendenausschüttungen gestiegen, sie waren 2007 mit 3,2 Mrd. Euro ebenso viermal so hoch wie noch im Jahr 2003. Die Investitionen und die Anzahl der Beschäftigten stagnieren dagegen oder waren sogar rückläufig. Insgesamt ist der Personalaufwand je MitarbeiterIn in diesen Unternehmen in den vergangenen Jahren um rund zehn Prozent zurückgegangen, während sich die Bezüge der Vorstandsmitglieder beinahe verdoppelt haben.1
»Der österreichische Sozialstaat wäre schon prima - vorausgesetzt, man hat einen gut dotierten und halbwegs sicheren Arbeitsplatz«, so der Sozial- und Wirtschaftswissenschafter Emmerich Talos2 zusammenfassend zum »2. Armuts- und Reichtumsbericht«3, aus dem die Zahlen in Folge stammen.
Tatsächlich zeigt sich darin ein ganz anderes als das von Finanzminister Pröll vermittelte Bild: Die Reichen sind reich und werden immer reicher. Waren vor 30 Jahren die ArbeitnehmerInnenentgelte mit fast 37 Mrd. Euro doppelt so hoch wie die Bruttobetriebsüberschüsse und Selbstständigeneinkommen mit 19,8 Mrd. Euro, lagen 2006 die Vergleichszahlen 2006 bei 125 Mrd. Euro für die ersteren und bei 105,5 Mrd. Euro für die zweiteren. Eine rasante Aufholjagd zugunsten der Reichen: »Mit anderen Worten«, so die StudienautorInnen, »war und ist eine Umverteilung der Wertschöpfung von den ArbeitnehmerInnen hin zu den Selbstständigen und Unternehmen im Gang.« Im untersten Einkommensdrittel sind die Einkommen in den vergangenen zehn Jahren nur um insgesamt neun Prozent gestiegen, im obersten Einkommensdrittel dagegen um über 40 Prozent!

Vermögenseinkommen

Unter Vermögenseinkommen versteht man Zinsen, Gewinnausschüttungen, Einkommen aus Versicherungsverträgen und wieder investierte Gewinne. Auf den Vermögensmärkten werden keine Einkommen geschaffen, sondern nur umverteilt, denn jedes Einkommen auf den Finanzmärkten muss durch Arbeit und/oder Kapitaleinsatz geschaffen werden. In Summe betrugen in Österreich im Jahr 2005 die Vermögenseinkommen 62,65 Mrd. Euro, 25,5 Prozent des Bruttinlandsprodukts (BIP), 2006 bereits schon 74,4 Mrd. Euro oder 29 Prozent des BIP!
Was für unsereins die Arbeit für unser Auskommen ist, sind für die Vermögenseinkommen die Zinsen. Laut Nationalbank wurden für kleine Spareinlagen 2007 im Schnitt 1,74 Prozent Zinsen gewährt, für höhere deutlich mehr. Dadurch haben sich die großen Sparvermögen über 70.000 Euro in der Dekade 1993 bis 2003 auf rund eine Viertelmillion verdoppelt.
Geld vermehrt sich, wo vorhanden: So hat die Anzahl der Spareinlagen bis 10.000 Euro zwischen 2003 und 2007 um 1,1 Prozent abgenommen, die Anzahl jener über 100.000 Euro hat hingegen um 31,2 Prozent (!) zugenommen. Und dort, wo wenig Geld ist, in den privaten Haushalten, wird es durch die Zinspolitik der Banken weniger: »Die Zinsen für Kredite nichtfinanzieller Unternehmen waren im Durchschnitt um ein Prozent niedriger als jene der privaten Haushalte«, analysiert der Reichtumsbericht. Und weiter: »In Summe erwirtschafteten die inländischen Kreditinstitute dadurch im Jahr 2007 Nettozinserträge von jeweils mehr als sieben Mrd. Euro, das heißt, ihre Zinseinnahmen waren um jährlich sieben Mrd. Euro höher als ihre Zinszahlungen.« Aber noch mehr: »Auch wer persönlich keine Schulden zu haben meint, zahlt Zinsen: Etwa werden mit den Steuern die Zinsen der öffentlichen Schulden bezahlt, oder über die Preise von Waren und Dienstleistungen Zinsen von Unternehmenskrediten, oder über die Miete Zinsen für das Wohnbaudarlehen oder Investmentkapital, mit dem das Haus errichtet wurde.«
Und wie verhält es sich mit den von Finanzminister Pröll strapazierten Sozialeinkommen im Verhältnis zum Vermögen tatsächlich? Sie sind erstens gleich groß: 2006 machen die Vermögenseinkommen 74,4 Mrd. Euro, die Sozialeinkommen mit 70,6 Mrd. Euro sogar schon weniger aus. Und zweitens verteilen sich die Vermögenseinkommen auf eine viel geringere Zahl von Menschen als die Sozialeinkommen!

Arm und Reich in Österreich

  • Etwa eine Mio. Menschen gilt als arm oder armutsgefährdet.
    250.000 bis 300.000 Menschen gelten als reich (Einkommen bzw. Geldvermögen von mehr als 70.000 Euro).
  • 60.000 Menschen haben Geldvermögen von jeweils mehr als einer Mio. Euro. Sie besitzen zusammen so viel Geld (200 Mrd. Euro) wie sämtliche Erwerbseinkommen in Österreich (von etwa vier Mio. Menschen).
  • Die 100 reichsten ÖsterreicherInnen besitzen zusammen sechsmal so viel als die eine Mio. armen und ärmsten Menschen in einem Jahr an Einkommen haben.
  • 92 Prozent aller Steuern belasten die 200 Mrd. Euro Erwerbseinkommen und ihre Verwendung.
  • Aber nur sechs Prozent aller Steuern kommen von den 2.100 Mrd. Euro Geld- und Sachvermögen in Österreich!
  • Nur 1/3 der Betriebe weist gegenüber der Finanz Gewinne aus und zahlt Körperschaftssteuer! Aber jeder/jede ArbeitnehmerIn zahlt pünktlich Lohnsteuer und Sozialabgaben.
  • In Summe gibt es in Österreich Geld- und Sachvermögen im Wert von etwa 2.100 Mrd. Euro! Das ist rund zehnmal so viel als sämtliche Erwerbseinkommen pro Jahr.

Reichtum produziert Armut, denn er stammt aus der Wertschöpfung der großen Masse der Arbeitenden!
Nur kein Neid, aber gemäß der Forderung der jüngsten eindrucksvollen StudentInnenbewegung: »Reiche Eltern für alle«! Und wenn schon ein Konto von der Regierung, auf das kein Geld kommt, dann lieber ein Transparenz- statt ein Transferkonto!

1 Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung (ÖGPP): Wichtige Kennzahlen börsennotierter Unternehmen in Österreich 2004-2008, A. Höferl, B. Hauenschild, Wien 2009
2 Standard, 20. 1. 2009
3 ÖGPP: 2. Armuts- und Reichtumsbericht für Österreich, Wien 2008

Weblinks
Mehr Infos unter:
www.gpa-djp.at
www.oegb.at
www.arbeiterkammer.at
www.politikberatung.or.at

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w.leisch@aon.at
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