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Schlussendlich stellt das »lebenslange Lernen« die/den Einzelne/n zunehmend vor einen Widerspruch: Zwar ständig aufgefordert zu werden, immer länger zu lernen, bei gleichzeitig immer ungewisser werdenden Ziel und Nutzen dieses Lernens.
Ausbildung und Arbeitslosigkeit Schlussendlich stellt das »lebenslange Lernen« die/den Einzelne/n zunehmend vor einen Widerspruch: Zwar ständig aufgefordert zu werden, immer länger zu lernen, bei gleichzeitig immer ungewisser werdenden Ziel und Nutzen dieses Lernens.

Bildung schützt

Schwerpunkt

Je besser gebildet, desto geringer das Risiko der Arbeitslosigkeit.Klingt einfach, ist es aber nicht.

Der Arbeitsmarkt als Sorgenkind: Schon vor Ausbruch der Finanzkrise im September 2008 sagte die OECD in ihren Mitgliedsstaaten für das Jahr 2009 einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen voraus. Seit Ausbruch der Krise ist noch viel weniger abzusehen, wie sich die Wirtschaft und somit auch die Arbeitsmärkte entwickeln werden. Doch eines scheint unbestritten: Für viele Gruppen, wie etwa IndustriearbeiterInnen, Ältere und MigrantInnen, erhöht sich das Risiko, längerfristig erwerbsarbeitslos zu werden, drastisch.

Schlüssel Qualifizierung

Umso interessanter ist die Frage, wie dem Risiko der Arbeitslosigkeit sinnvoll entgegengewirkt werden kann. In Österreich, wie in den meisten westlichen Industrieländern, werden Qualifizierungsmaßnahmen als ein entscheidendes Mittel angesehen, Menschen wieder in Arbeit zu bringen bzw. in Beschäftigung zu halten. Dem liegt die Annahme zu Grunde, dass (Weiter-)Bildung und Qualifizierung vor Arbeitslosigkeit schützt. Ein Blick auf die Arbeitslosenzahlen scheint diese Annahme zu bestätigen: Es gibt also einen starken Zusammenhang zwischen der höchsten abgeschlossenen Schulbildung und dem Risiko arbeitslos zu werden. Die Daten für den September dieses Jahres weisen ein beinahe siebenmal so hohes Arbeitslosigkeits-Risiko für Männer mit Pflichtschulabschluss aus als für jene mit akademischer Ausbildung, Universität oder Fachhochschule. Frauen mit Pflichtschulabschluss haben zwar ein geringeres Arbeitslosigkeitsrisiko als Männer gleicher Qualifikation, ihre Lehrabschlüsse führen hingegen häufiger in die Arbeitslosigkeit (5,1 Prozent Frauen, 5,8 Prozent Männer). Aber egal, ob Mann, ob Frau: Je höher der Bildungsabschluss, umso geringer ist das Risiko arbeitslos zu werden.
Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt seit Ausbruch der Finanzkrise mit in Betracht gezogen werden: So ging die Beschäftigung bei den PflichtschulabsolventInnen in Österreich um 6,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal zurück. Bei den Hochqualifizierten hingegen stieg die Beschäftigung im Vergleichszeitraum ebenso um 6,8 Prozent an. Folgt daraus, dass verstärkte Aus- und Weiterbildung ein Königsweg ist, Arbeitslosigkeit zu beseitigen? Und dass, wie es die Humankapitaltheorie behauptet, die unzureichend (aus-)gebildeten Arbeitskräfte für das Risiko der Arbeitslosigkeit selbst verantwortlich sind? Dazu gibt es eine Reihe von Einwänden. Beginnen wir am Anfang, bei der Schule.

Bildungsvererbung

Vielfach wird angenommen, dass der erreichte Bildungsabschluss einen geeigneten Maßstab für Ehrgeiz und Leistung des oder der Einzelnen darstellt. In Österreich werden Bildungsabschlüsse jedoch im höchsten Maße vererbt, das heißt der Bildungsabschluss sagt in erster Linie etwas über die Herkunft, über armes oder reiches, bildungsnahes oder bildungsfernes Elternhaus aus. Auswertungen des EU-SILC belegen eine enge Verknüpfung von Bildungsressourcen der Eltern mit den Bildungsentscheidungen und Erwerbschancen der Kinder und zeigen eine deutliche Armutsspirale für bildungsferne Haushalte auf. Somit setzt sich auf dem Arbeitsmarkt eine Entwicklung fort, die viel früher begonnen hat, nämlich mit der Geburt in ein entsprechendes Elternhaus.

LLL: vom Faktum zur Forderung

Aller Bildungsvererbung zum Trotz: »Lebenslanges Lernen« ist seit jeher ein Faktum: ArbeitnehmerInnen lern(t)en schon immer am Arbeitsplatz, sei es, um neue Produktionsmethoden anwenden zu können oder um ihnen geläufige Produktionsschritte effizienter zu gestalten. Schon 1962 hat der Ökonom K. J. Arrow den Begriff des »Learning by Doing« geprägt. Doch dieses Lernen war zielgerichtet.
Die heute globalisierte und zunehmend dynamische Wirtschaft erfordert hingegen häufige Berufs- und/oder Qualifikationswechsel: Ein immer größerer Teil der Gesellschaft wird von diesen Veränderungsprozessen ergriffen, die es erschweren, konkrete Lern-/Qualifikationsziele festzumachen. »Lebenslanges Lernen« wird so vom Faktum zur Forderung: Der Forderung nach der Bereitschaft, sich auf gänzlich neue Tätigkeiten umzustellen, sich auf neue Berufe einzulassen. Dabei entstehen aber neue Problemgruppen, wie Rudolf Tippelt, Professor für Erwachsenenbildung an der Universität München, herausstreicht, etwa bei jenen, bei denen der »Imperativ des lebenslangen und lebensbegleitenden Lernens in unversöhnlichem Widerspruch zu eigenen vorwiegend negativen Lernerfahrungen in Schule und Ausbildung steht.« Beschäftigungszahlen allein sagen noch nichts darüber aus, ob die ArbeitnehmerInnen gemäß ihrer Qualifikation beschäftigt werden. Im Laufe der letzten Jahre ist eine zunehmende »überqualifizierte« Beschäftigung festzustellen: Was bis vor wenigen Jahren bspw. Aufgaben und Jobs für HAK-AbsolventInnen waren, wird nun immer häufiger von AbsolventInnen eines Betriebswirtschaftsstudiums erledigt. Die Bezahlung entspricht jedoch immer noch der eines/r HAK-AbsolventIn. Denkt man diese Entwicklung konsequent weiter, zeigt sich: Wenn Personen mit Lehrabschluss immer öfter in Hilfstätigkeiten zu finden sind, dann bleibt für jene mit Pflichtschulabschluss keine Beschäftigung mehr übrig: Unternehmen profitieren von besseren Abschlüssen, ohne dafür zu zahlen. Die Bildungsanstrengung der Einzelperson kann nicht Beschäftigung durch »lebenslanges Lernen« erreichen und sichern. Auf individueller Ebene wirkt sie eher als ein Signal gegenüber ArbeitgeberInnen und verbessert die eigene Position im Wettbewerb um Arbeitsplätze. Dementsprechend werden neben der Humankapitaltheorie andere Theorien wie die Signaltheorie und die Arbeitsplatzwettbewerbs-Theorie vertreten.
Den bedeutenderen Einfluss auf die Beschäftigung und somit auf die Wirkung der Bildungsanstrengungen haben die Unternehmen und ihre Investitionsentscheidungen in Finanz- oder Sachkapital bzw. in Arbeitskräfte, für sie: »Humankapital«. Im Zusammenhang mit dem Aufkommen des Konzepts der »Wissensgesellschaft« wird argumentiert, dass Investitionen in die Qualifikation der Beschäftigten Wachstum und damit mehr Beschäftigung erzeugen. Diese Botschaft scheint jedoch noch keineswegs im ausreichenden Maß bei den Unternehmen angekommen zu sein. Wie sonst ist es zu erklären, dass Weiterbildung zwar, wie eine von der AK beauftragte Untersuchung erwiesen hat, hohe Produktivitätszuwächse und Erträge bringt, dennoch aber die Hälfte der Unternehmen in Österreich gar nicht in die Weiterbildung ihrer Beschäftigten investiert?

Fazit
Schlussendlich stellt das »lebenslange Lernen« die/denEinzelne/n zunehmend vor einen Widerspruch: Zwar ständig aufgefordert zu werden, immer länger zu lernen, bei gleichzeitig immer ungewisser werdenden Ziel und Nutzen dieses Lernens. Hier sind die Unternehmen, aber vor allem der Staat gefordert: Unternehmen, indem sie ihre Verantwortung für die Weiterbildung ihrer MitarbeiterInnen wieder verstärkt übernehmen, und der Staat, indem er seinem bildungs- und sozialpolitischen Auftrag umfassend für alle Lebensphasen - »von der Wiege bis zur Bahre« - ungeachtet der sozialen Herkunft seiner BürgerInnen nachkommt.

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