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Lohnquoten 1995-2008 Zum Vergrößern aufs Bild klicken!

Krise und Lohnpolitik

Schwerpunkt

Die Beschäftigung wird weiter sinken, fürchten ExpertInnen. Reallohnerhöhungen sind notwendig, um das Niveau des privaten Konsums aufrecht zu erhalten.

Im Jahr 2009 wird die österreichische Wirtschaft von der schwersten Rezession seit der großen Weltwirtschaftskrise vor 80 Jahren heimgesucht - der durchschnittliche Reallohn pro Beschäftigten steigt aber mit 1,8 Prozent so stark wie seit 1998 nicht mehr. Durch die 2009 vorgenommene Senkung der Lohnsteuer werden die Netto-Reallöhne sogar um drei Prozent zunehmen. Wie ist diese Entwicklung zu erklären, wie ist sie zu bewerten?

Beteiligt am Produktivitätszuwachs

In den Kollektivvertrags(KV)-Verhandlungen wird jeweils die Erhöhung der nominellen »Geld«-Löhne für die einzelnen Wirtschaftsbranchen festgelegt. Dabei streben die Gewerkschaften eine Abgeltung des Kaufkraftverlustes durch Inflation und darüber hinaus eine Reallohnerhöhung als Beteiligung der ArbeitnehmerInnen am Produktivitätszuwachs an.
Bei der einen Komponente, der Inflation, wird die Verbraucherpreisentwicklung (VPI) während der zu Ende gehenden Periode, aber auch die erwartete Preisentwicklung während der künftigen Periode aufgrund der jeweilig aktuellen Preisprognose berücksich-tigt. Gerade die vergangenen zwei Jahre (seit 2007) haben gezeigt, dass damit ein beträchtliches Unsicherheitsrisiko verbunden ist. Die enorm starken Preisschwankungen auf den internationalen Rohstoffmärkten, vor allem dem Ölmarkt, haben massive Auswirkungen auf die Verbraucherpreise in Österreich und der EU gehabt, die nicht vorhergesehen wurden.

Achterbahn der Verbraucherpreise

Am Beispiel der KV-Abschlüsse in der Metallindustrie seit 2007 kann man zeigen, wie sehr deshalb die erwartete und die tatsächliche Reallohnentwicklung auseinanderlaufen können. Die unerwartet starke Beschleunigung der Inflation im Jahr 2008 hatte zur Folge, dass die aus dem KV-Abschluss vom Oktober 2007 erwartete Reallohnerhöhung von 1,5 Prozent praktisch ganz verloren ging. Beim darauffolgenden KV-Abschluss vom Oktober 2008 kehrte sich diese Entwicklung um. Durch die unerwartet starke Verlangsamung der Inflation ist die reale Erhöhung der KV-Löhne nun etwa doppelt so hoch (drei Prozent) wie erwartet (1,5). Details dazu siehe Kasten.
Von der achterbahnartigen Bewegung der Verbraucherpreise waren die Kollektivvertragslohnabschlüsse der einzelnen Gewerkschaften in ganz unterschiedlichem Ausmaß betroffen. Bei späterem Zeitpunkt (z. B. den KV-Abschlüssen im Mai 2008 im Baugewerbe) wirkte sich die Beschleunigung der Inflation weniger aus. Andererseits führte der Rückgang der Inflationsrate und der Prognosen im Jahr 2009 dazu, dass die KV-Lohnerhöhungen schon deutlich unter dem Metallabschluss vom Oktober des Vorjahres lagen (z. B. Elektroindustrie im Mai 2009 mit 2,2 Prozent, Nebenbedingungen).

Kern der Sozialpartnerschaft

Unangetastete Geltung der Einzelheiten der KV-Vereinbarung während der Vertragsdauer ist ein wesentlicher Stabilitätsvorteil und damit ein Kernbestandteil des österreichischen Systems der Arbeitsbeziehungen und der Sozialpartnerschaft. Voraussetzung dabei ist, dass in unterschiedlichen Situationen immer die gleichen Prinzipien angewendet werden. Was nicht angeht ist, dass ein Prinzip dann in Frage gestellt wird, wenn seine Anwendung nicht zum eigenen Vorteil gereicht. Gerade dies haben einzelne Vertreter von Industrieseite in letzter Zeit versucht.
Mit dem Hinweis auf den Rückgang bei Aufträgen und Produktion wurden für 2009/2010 Forderungen nach einer »Nulllohnrunde« erhoben, vorgeblich auch, um die ohnehin sinkende Beschäftigung nicht noch zusätzlich zu gefährden. Tatsächlich aber würde der Verzicht auf Lohnerhöhungen für das Jahr 2010 einen Rückschlag für die ohnehin noch auf unsicheren Beinen stehende Erholung der Wirtschaft mit sich bringen.
Das geringe Wachstum des privaten Konsums war der Hauptgrund für die viel beklagte »Schwäche der Binnennachfrage« im Konjunkturzyklus 2003/2009. Dass trotz des starken Rückgangs der Beschäftigung der private Konsum 2009 nicht eingebrochen ist, sondern sogar leicht zugenommen hat, ist dem Reallohnzuwachs in diesem Jahr zuzuschreiben, der durch eine Lohnsteuersenkung zum richtigen Zeitpunkt verstärkt wurde. 2010 gibt es keinen weiteren Impuls aus einer Steuersenkung.
Die Beschäftigung wird im nächsten Jahr noch einmal sinken. Eine Reallohnerhöhung ist daher die Voraussetzung dafür, dass das Niveau des privaten Konsums zumindest aufrecht erhalten werden bzw. bei einem Rückgang der Sparquote leicht zunehmen kann.
In der Rezession 2009 steigt die Lohnquote (Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen) deutlich an. Damit wird aber nur ein Teil des Rückgangs der vergangenen Jahre wettgemacht. Mit 68,8 Prozent erreicht die Lohnquote 2009 noch nicht den Wert von 2000 (70,3 Prozent), und schon gar nicht jenen von 1995, des letzten Jahres mit einer Normallage (72,9 Prozent).
Langfristig liegen die Löhne daher weiterhin hinter der Produktivitätszunahme zurück. Ausreichend Spielraum für eine Reallohnerhöhung 2010 besteht nicht zuletzt auch deshalb, da sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft im vorigen Konjunkturaufschwung (2005/08) um gut fünf Prozent verbessert hat.

Neues Wachstumsmodell gefordert

Seit den 90er-Jahren hat sich die Wirtschaft weltweit zunehmend nach einem Wachstumsmodell entwickelt, das angetrieben wurde von den Nachfrageeffekten der Finanzblase, d. h. von einer immer höheren Verschuldung der Finanzinvestoren und der Haushalte, mit starker Zunahme der Ungleichheit der Vermögens- und (weniger) der Einkommensverteilung. Beide Grundlagen sind mittel- und langfristig nicht tragfähig:

  • Die Verselbstständigung der Finanzmärkte bescherte uns die größte Krise der Weltwirtschaft seit 80 Jahren!
  • Der überwiegende Teil der Bevölkerung - ArbeitnehmerInnen - hat keinen Anteil aus dieser Art von Wachstum gehabt.

Gefordert ist nun ein neues Wachstumsmodell: ein gleichgewichtiges Wachstum auf der Angebots- und Nachfrageseite der Wirtschaft, d. h. wachsende (Konsum-)Nachfrage gestützt auf eine Zunahme der realen Löhne und Gehälter parallel zur Produktivität. Darüber hinaus muss eine Reform der Finanzmarktregulierung die Bildung neuer Finanzblasen verhindern und dafür sorgen, dass der Finanzsektor auf seine dienende Funktion gegenüber der Realwirtschaft zurückgeführt wird.

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Homepage:
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