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GPA-djp-Workshop: Betriebsratsrealitäten
Ziel ist es, ein schärferes Bild von der Situation der BetriebsrätInnen und den Herausforderungen vor denen sie stehen zu bekommen. Ziel ist es, ein schärferes Bild von der Situation der BetriebsrätInnen und den Herausforderungen vor denen sie stehen zu bekommen.

Betriebsratsrealitäten

Aus Ak und Gewerkschaften

Die Auftragsstudie der GPA-djp-Bildungsabteilung zur Arbeit von BelegschaftsvertreterInnen steht kurz vor ihrem Abschluss.

Unsere Gesellschaft ist in ständiger Veränderung begriffen. Manchmal merken wir nur wenig davon, zu anderen Zeiten wieder kommt es uns vor, als würde kein Stein auf dem anderen bleiben und die Veränderungen sind für alle sichtbarer. Wer heute Zeitung liest erkennt schon, dass es in den Vorjahren gewaltige gesellschaftliche Veränderungen gegeben hat. Diese werden zumeist mit dem Schlagwort »Neoliberalismus« umschrieben und führten auch zu einer massiven Veränderung in den Arbeitsbedingungen der Menschen. Die Folgen dieser Entwicklungen erleben wir heute angesichts der Weltwirtschaftskrise besonders deutlich.
Im Zuge der Neoliberalisierung unserer Gesellschaft geraten ArbeitnehmerInnen, BetriebsrätInnen und Gewerkschaften immer stärker unter Druck.1 Wo es bisher kein Problem war, die Interessen der ArbeitnehmerInnen sowohl im Betrieb als auch auf makropolitischer wie Branchenebene durchzusetzen, funktioniert es einfach nicht mehr so wie früher.
In solchen Momenten ist es an der Zeit innezuhalten, und sich selbstkritisch mit der eigenen Praxis auseinanderzusetzen. Die GPA-djp als Gewerkschaft der Privatangestellten bewegt sich als lebendige Organisation ständig weiter, muss diesen gesellschaftlichen Veränderungen begegnen und neue Strategien für eine neue Arbeitswelt entwickeln. Denn die ArbeitnehmerInnen brauchen gerade heute eine starke Gewerkschaft, die sich durchsetzen kann, und die die BetriebsrätInnen in ihrer Handlungsfähigkeit unterstützt.
Ein zentraler Schritt dafür ist es, die herrschenden Verhältnisse in ihren Zusammenhängen zu verstehen und gemeinsam nach Hebeln zu suchen, diese zu verändern. In diesem Sinne ermöglicht die Bildungsabteilung der GPA-djp seit 2008 in Kooperation mit drei unabhängigen GewerkschaftsforscherInnen eine wissenschaftliche Studie zu den Arbeitsrealitäten von BetriebsrätInnen.

Selbst- und Fremdansprüche

Als Grundlagenforschung stellt die Studie »Betriebsratsrealitäten - BetriebsrätInnen und ihre Praxis zwischen Selbstansprüchen und Fremdansprüchen« die BetriebsrätInnen als ExpertInnen ihrer Praxis in das Zentrum der Untersuchung. Ziel ist es, ein schärferes Bild von der Situation der BetriebsrätInnen und den Herausforderungen vor denen sie stehen zu bekommen. Diese sind gewaltig, denn BetriebsrätInnen sind wichtige AkteurInnen der betrieblichen Interessenvertretung und müssen als solche den Veränderungen in der Arbeitswelt begegnen. Sie sind konfrontiert mit unterschiedlichsten und sich wandelnden Erwartungen und Ansprüchen: KollegInnen, die Chefin/ der Chef, GewerkschaftsfunktionärInnen - sie alle haben Erwartungen an die BetriebsrätInnen. Und dann sind da auch noch die eigenen Ansprüche die jede/r an sich selbst und das eigene Handeln hat. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Selbstansprüchen, Fremdansprüchen und tatsächlichen Handlungen wird somit erstmals in einer qualitativen Studie gemeinsam mit den Betroffenen erforscht. Im Zeitraum Dezember 2008 bis Juni 2009 wurden qualitative Interviews mit BetriebsrätInnen im Einzelhandel durchgeführt. Die Sicht der BetriebsrätInnen wurde dabei eingebunden in eine Analyse der herrschenden Machtverhältnisse und erweitert durch Interviews mit RegionalsekretärInnen der GPA-djp.
Ein Schwerpunkt der Studie liegt auf dem Verhältnis zwischen BetriebsrätInnen und Gewerkschaft, ihrer gemeinsamen Praxis und deren gesellschaftliche Einbettung.

Handelsbedingungen

Die Studie fokussiert sich auf die GPA-djp Schwerpunktbranche Handel. Der Handel erfuhr in den vergangenen Jahrzehnten unter dem Einfluss neoliberal gestalteter Globalisierung enorme Veränderungen. Auf der einen Seite gab es massive Konzentrationsprozesse wie zum Beispiel im Lebensmitteleinzelhandel, auf der anderen Seite auch eine starke Internationalisierung der Branche. Einhergehend damit lassen sich veränderte Organisationsstrukturen, z. B. starke Zentralisierung und Professionalisierung des Personalwesens in großen Ketten, aber auch der Einzug neuer Managementstile beobachten. Auf Betriebsebene kommen diese Veränderungstendenzen zumeist als flexiblere Arbeitszeiten und in Form ausgedünnter Personaldecken an. Der Druck auf die ArbeitnehmerInnen stieg in den vergangenen Jahren enorm an, und die Veränderungen fordern die bisherigen Praxen der BetriebsrätInnen und der Gewerkschaft heraus. So berichteten viele InterviewpartnerInnen, dass es schwieriger würde, angesichts veränderter Arbeitszeitregelungen, geltende rechtliche Bestimmungen zur Arbeitszeit durchzusetzen. Die starke Filialisierung des Einzelhandels macht es für die Gewerkschaft und BetriebsrätInnen auch schwieriger, flächendeckend funktionierende Vertretungsstrukturen aufzubauen. Ausgehend von diesen wahrgenommenen Problemlagen erforscht die Studie, welche Praxen unter den veränderten Bedingungen in die Krise geraten, und wo Potenziale zur Verbesserung der Handlungsfähigkeit brachliegen.
Kern der Ergebnisse ist, dass manche aus der Vergangenheit übernommenen Momente einer gewerkschaftlichen Kultur mit den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen kollidieren. Dies betrifft sowohl die Arbeitsteilung zwischen betriebsbetreuenden RegionalsekretärInnen der GPA-djp und den BetriebsrätInnen als auch die Verbindung der drei wichtigen gewerkschaftlichen Handlungsfelder Betrieb, Branche und das Feld der politisch/rechtlichen Regulation sowie bisherige Problemlösestrategien wie etwa den starken Fokus auf den Rechtsweg.

Kontinuität und Veränderung

Ein erster Schritt zur Erweiterung der gemeinsamen Handlungsfähigkeit muss in der Schaffung von autonomen Denk- und Reflexionsräumen bestehen, in denen abseits des Drucks der alltäglichen Arbeit die eigene Praxis reflektiert, strategische Fragen gemeinsam diskutiert und neue Wege der Zusammenarbeit erprobt werden können.
Deshalb beschlossen Auftraggeber, WissenschafterInnen und Betroffene auch in der Präsentationsform der Studienergebnisse einen ungewöhnlichen Weg zu gehen. Ab Herbst 2009 sollen die Ergebnisse gemeinsam mit allen Beteiligten in unterschiedlichen Workshops und Veranstaltungen diskutiert werden, um so den Austausch und einen gemeinsamen, expansiven Lernprozess zu fördern.
Damit kann ein Grundstein gelegt werden, verborgene Mechanismen der Macht und ungenützte Potenziale zur Steigerung der Durchsetzungsfähigkeit offenzulegen und die emotionale und organisatorische Bindungskraft zwischen BetriebsrätInnen und Gewerkschaft zu stärken.
Diese Zusammenarbeit von Gewerkschaft und Wissenschaft kann auch aufzeigen, inwiefern betriebsnahe Gewerkschaftsforschung, die in Österreich eher selten betrieben wird, dazu beitragen kann, in einer Verbindung von Theorie und Praxis die österreichische Gewerkschaftsbewegung bei den Herausforderungen in Zeiten, die von Umbrüchen geprägt sind, zu unterstützen.

1 Vgl. dazu exemplarisch: Brinkmann Ulrich et.al. 2008: Strategic Unionism: Aus der Krise zur Erneuerung? Umrisse eines Forschungsprogramms. Wiesbaden

Weblinks
Blog der GPA-djp-Bildungsabteilung:
bildungsabteilung.wordpress.com

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Schreiben Sie Ihre Meinung an die AutorInnen
mario.becksteiner@univie.ac.at,
elisabeth.steinklammer@gbw-wien.at
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