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Moderatorin Nina Weissensteiner, ÖGB-Präsident Erich Foglar mit Karin Küblböck, Ökonomin, Direktor des Instituts für deutsche Wirtschaft Michael Hüther und Caritas-Präsident Franz Küberl. Moderatorin Nina Weissensteiner, ÖGB-Präsident Erich Foglar mit Karin Küblböck, Ökonomin, Direktor des Instituts für deutsche Wirtschaft Michael Hüther und Caritas-Präsident Franz Küberl.

"Raus aus der Krise"

Aus Ak und Gewerkschaften

Rückblick auf die Podiumsdiskussion am 17. ÖGB-Bundeskongress mit Erich Foglar, Franz Küberl, Karin Küblböck und Michael Hüther.

Rezepte gegen die steigende Arbeitslosigkeit, gleiche Chancen auf Bildung sowie Steuerpolitik und Einkommensgerechtigkeit und vor allem die Frage »Wo soll es hingehen nach der Krise?« standen im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion beim 17. Bundeskongress des ÖGB. Unter dem Motto »Raus aus der Krise - Mit uns, nicht gegen uns«, diskutierte ÖGB-Präsident Erich Foglar mit Caritas-Präsident Franz Küberl, Karin Küblböck, Ökonomin im Österreichischen Forschungsinstitut für Internationale Entwicklung und Gründungsmitglied von attac, und mit dem Direktor des Instituts für deutsche Wirtschaft, Michael Hüther.
»Ist Ungerechtigkeit nur gefühlt?«, lautet der provokante Titel von Michael Hüthers neuem Buch. Durch die nicht mehr vorhandene Trennlinie zwischen privatem und öffentlichem Raum hätten die Menschen verlernt, die Gesellschaft ohne emotionale Bewertung wahrzunehmen, erklärt er diesen Buchtitel. Denn nüchtern betrachtet hätte sich an der Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland in den Vorjahren wenig geändert. Der Sozialstaat erfülle nach wie vor seine Aufgabe, denn nach Sozialtransfer seien lediglich 13 Prozent der Deutschen armutsgefährdet.
»Das ist das Problem mit Leuten wie Ihnen: Sie geben sich mit dem größten Glück der größten Zahl zufrieden«, kontert Franz Küberl. Sein Ziel hingegen ist klar: null Prozent Armut. Karin Küblböck ist froh, dass es wenigstens noch einen Sozialstaat gibt, der umverteilend wirkt: »Denn wir müssen zuschauen, wie die Löhne sinken, parallel dazu die Gewinnquote, prekäre Arbeitsverhältnisse und die Angst um den Arbeitsplatz steigen.«
Auch Erich Foglar entgegnet Hüther, dass Ungerechtigkeit weit über das Fühlen hinausgehe, da es immer noch viele Menschen gebe, die von weniger als einem Dollar pro Tag leben müssten, während andere im Reichtum schwelgten. »Die Verteilung hat eine Schieflage und diese Ungerechtigkeit ist keine erfundene.« Beweis dafür sei, dass viele Menschen nicht von ihrem Arbeitseinkommen leben können, auf Sozialleistungen angewiesen sind und oft schon der Geburtsort über gute oder schlechtere Chancen entscheidet.

Arbeit statt Armut

Einigkeit herrscht am Podium, dass Armut bekämpft werden muss und die Chance, sich am Arbeitsmarkt zu beteiligen, dabei eine wichtige Rolle spielt. Für Küblböck und Foglar ist klar, dass das Arbeitsmarktpaket II noch nicht ausreiche. Für Banken sei mit einem Fingerschnippen genug Geld zur Verfügung gestanden, die Investitionen in Arbeitsplätze hingegen seien im Vergleich dazu viel zu gering.
»Ich habe keine Sorge, dass uns die Arbeit ausgeht«, meint Foglar. Dafür müsse man aber auch aus standortpolitischen Überlegungen massiv in Bildung, Forschung und Entwicklung investieren. Im Gesundheitsbereich, aber auch im Verkehrssektor und Umweltbereich gibt es ebenfalls viel Potenzial für neue Arbeitsplätze. »Wir haben uns verspekuliert. Wir haben nicht in die Realwirtschaft investiert, sondern in Zockerprodukte.« Raus aus der Krise gehe es daher nur mit sozialer Gerechtigkeit. Dafür müssen Vermögen besteuert und Arbeit entlastet werden.
»Jeder soll eine Arbeit haben, von der man auch leben kann«, ergänzt Küberl. Deshalb sei es an der Zeit, sich neben Maßnahmen wie der Kurzarbeit auch Modelle zum Ausbau des zweiten Arbeitsmarktes zu überlegen, um jene Menschen aufzufangen, die trotz aller Bemühungen nicht in Arbeit gehalten werden können. Wichtig wäre, dass Langzeitarbeitslosen die Chance gegeben wird, nach einem Jahr Arbeitslosigkeit für einige Monate wieder zu arbeiten, damit sie ihre Fähigkeiten nicht verlieren. »Denn Armut ist eine Wucht, die ungeheuer negative Konsequenzen hat.« Arme haben nicht nur weniger Chancen am Arbeitsmarkt, sie sind auch öfter krank und haben schlechtere Wohnungen.
Unumstritten ist die Wichtigkeit grundlegender Reformen im Bildungsbereich, beginnend im Kindergarten. »Bildung und Qualifizierung sind die Schlüsselfaktoren für einen Arbeitsplatz« und dafür müsse man auch genügend Geld in die Hand nehmen, betont Foglar. Es sei wichtig, gerade jetzt gering qualifizierte Menschen in Ausbildung zu bekommen. Denn wenn sie nicht schon arbeitslos sind, so sind sie die potenziellen Arbeitslosen der Zukunft. Beginnen solle Bildung vermehrt bereits im Kindergarten, der mehr als nur Aufbewahrungsstätte für Kinder sein muss.

Bildung als Schlüssel

Für Hüther wiederum ist wichtig, dass das Bildungssystem die Integration fördert. Ein Bildungssystem brauche aber auch den Leistungsgedanken und die Individualisierung. Er sieht im demografischen Wandel die Chance, in Zukunft ein besseres LehrerInnen-SchülerInnen-Verhältnis herzustellen. Dies hätte bereits in Sachsen und Thüringen die Pisa-Testergebnisse erheblich verbessert.
Einig waren sich Foglar und Hüther, dass die Spaltung im Bildungssystem nach nur vier Schuljahren viel zu früh sei und sich negativ auf die Bildungschancen auswirke. Für Küberl ist der Gradmesser eines funktionierenden Bildungssystems, dass kein Euro mehr für Nachhilfe ausgegeben werden muss. Viel zu kurz komme das Erlernen von Fertigkeiten, um mit der Informationsflut produktiv umgehen zu können. Die Kinder sollten in Kindergarten und Schule auch lernen, kritikfähig zu werden und Kreativität zu leben.
Als einziger Diskussionsteilnehmer sieht Hüther keine Notwendigkeit für einen Systemwechsel. Für ihn ist die Marktwirtschaft Ausdruck einer Freiheitsgesellschaft und das Erbe der Aufklärung. Wichtig sei es aber, das Haftungsprinzip bei Regelverstößen klar einzufordern. Dann sei der Standortwettbewerb ein wichtiges Prinzip, das vor allem schwächer entwickelte Volkswirtschaften unterstütze und keineswegs zur Absenkung sozialer Standards führe.
»Natürlich braucht die Marktwirtschaft eine Reform damit sie sozialer und nachhaltiger wird«, widerspricht Küberl. »Soziale Verantwortung darf nicht nur ethischer Anspruch sein, sondern sie braucht Regeln.«
Karin Küblböck möchte weg vom jetzigen Wirtschaftsmodell, weg vom Druck des Standortwettbewerbs, hin zu mehr Verteilungsgerechtigkeit. »Vor allem sollte darüber nachgedacht werden, welche Bereiche nicht dem freien Markt überlassen werden sollen: Für mich gehören die Bereiche Verkehr, Energie sowie auch die Banken zu den öffentlichen Gütern, die wir aus dem Markt rausnehmen müssen.«

Wege aus der Krise

Auch für Foglar führt kein Weg an einem Systemwechsel vorbei. Er fordert faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU, aber auch weltweit. Dazu gehören verbindliche Standards bei Steuern, das Austrocknen sämtlicher Steueroasen, aber auch die Verbindlichkeit der ILO-Kernarbeitsnormen und harmonisierte Umweltstandards. Kurz: »Kein Steuerdumping, kein Lohndumping, kein Umweltdumping mehr.« Bisher vernachlässigt worden sei der europäische Binnenmarkt mit immerhin 490 Millionen Menschen; darin stecke viel Entwicklungspotenzial für die Zukunft, sind sich Foglar und Küblböck einig. Das Rezept dafür: Durch höhere Löhne die Kaufkraft stärken.
Die Chance zur Veränderung ist für Küblböck durchaus spürbar, noch nie habe sie so viel Aufbruchstimmung erlebt. Allerdings brauche es viel politischen Druck. Denn sonst, ergänzt Foglar, bestehe die große Gefahr, »dass wir durch die Krise durchtauchen und danach geht es weiter wie bisher. Das darf auf keinen Fall passieren.«

Weblinks
Nachbericht Bundeskongress
www.bundeskongress.at
Caritas
www.caritas.at
Österreichisches Forschungsinstitut für Internationale Entwicklung
www.oefse.at
Institut der deutschen Wirtschaft Köln
www.iwkoeln.de

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