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Denkfabriken (Think Tanks) definiert der Duden als Institutionen zur wissenschaftlichen, praxisorientierten Zukunftsforschung und für wirtschaftliche Weiterentwicklung. Denkfabriken (Think Tanks) definiert der Duden als Institutionen zur wissenschaftlichen, praxisorientierten Zukunftsforschung und für wirtschaftliche Weiterentwicklung.

Working for America

Schwerpunkt

Es gibt auch hochkarätig besetzte amerikanische Think-Tanks, die ihr Know-how für weniger Privilegierte und mehr Rechte für ArbeitnehmerInnen einsetzen.

The State of Working America« nennt sich der vom Economic Policy Institute alle zwei Jahre veröffentlichte Bericht zum Thema Arbeitsmarkt und Lebensstandard in den USA. Insgesamt klingen die Ziele des 1986 gegründeten Wirtschaftspolitischen Institutes (EPI) nicht gerade typisch amerikanisch: Die Interessen der unteren und mittleren Schichten sollen verstärkt in die Wirtschaftspolitik eingebracht und Strategien dafür erarbeitet werden, dass alle Menschen an Fortschritt und Wohlstand teilhaben können.
Die hauptsächlichen Forschungsgebiete sind die Lebens- und Arbeitsbedingungen der US-BürgerInnen, das Verhältnis Staat und Wirtschaft, das Bildungswesen sowie die Auswirkungen der Globalisierung. So zeigten die EPI-ForscherInnen als erste den umgekehrten Zusammenhang zwischen Produktivität und Einkommen auf, der in den 1990er-Jahren die amerikanische Wirtschaft kennzeichnete.

Working Poor in USA

Das Mindesteinkommen in den USA ist seit 1979 real um 1,50 Dollar gesunken, während der Bildungsgrad der Betroffenen gestiegen ist. Laut OECD-Bericht »Einkommensverteilung und Armut 2008« verfügen 17,1 Prozent der AmerikanerInnen über weniger als die Hälfte des jährlichen Medianeinkommens in den USA, leben also unter der Armutsgrenze. Die Vereinigten Staaten sind damit an drittletzter Stelle vor der Türkei und Mexiko (Österreich: 6,6 Prozent). Auch die Armutsquote bei Vollerwerbstätigen ist mit rund elf Prozent in den USA deutlich höher als in den meisten anderen westlichen Industrieländern.

Gewerkschaften stärken

Das Recht zur Bildung von Gewerkschaften ist in den USA zwar gesetzlich verankert, tatsächlich wurde die Arbeit der Gewerkschaften in den vergangenen Jahren massiv behindert. Wahlwerbung auf Firmengelände war meist verboten, wer als GewerkschaftsvertreterIn kandidieren wollte, wurde mit Kündigung bedroht. Ein Großteil der ArbeitgeberInnen verteilte Werbematerial gegen die Gewerkschaften. Nur 7,5 Prozent der in Privatunternehmen Beschäftigten sind derzeit gewerkschaftlich organisiert. Was nicht unbedingt mangelndes Interesse bedeutet. Denn laut den 2006 und 2007 durchgeführten Analysen »What Workers want« und »What Workers say« würden sich mehr als die Hälfte der befragten ArbeitnehmerInnen, die derzeit nicht organisiert sind, an Gewerkschaftswahlen beteiligen. »Der Wunsch nach gewerkschaftlicher Vertretung«, so Harvard-Ökonom und EPI-Experte Richard B. Freeman »ist größer als je zuvor.«
Mit Hilfe des Employee Free Choice Acts soll die Macht der Gewerkschaften gestärkt werden. Der Gesetzesentwurf wurde 2007 bereits vom Repräsentantenhaus beschlossen, danach allerdings im Senat durch Filibustern (Dauerreden) verhindert. Stimmt der Kongress diesmal zu, so würde für ArbeitnehmerInnen nicht nur der Beitritt zu einer Gewerkschaft erleichtert, sondern unter anderem auch die Kündigung von GewerkschafterInnen deutlich erschwert bzw. Einschüchterung bestraft. EPI kämpft an vorderster Front für diesen Gesetzesentwurf zur Stärkung der Gewerkschaften. 40 prominente Wirtschaftswissenschafter, darunter drei Nobelpreisträger, haben ein von EPI-Präsident Lawrence Mishel und zwei Wirtschaftsprofessoren verfasstes Statement für den Employee Free Choice Act unterschrieben. Sie erwarten sich dadurch mittelfristig eine Erhöhung der Kaufkraft in den unteren Einkommensschichten sowie eine Stärkung der Demokratie.
Als hochkarätig besetzte Lobby unterstützen die EPI-Experten auch den American Recovery und Reinvestment Act (ARRA). Das Konjunkturprogramm (Gesamtvolumen: 787 Mrd. Dollar) zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise wurde kurz nach Barack Obamas Amtsantritt vom Kongress verabschiedet. Es enthält neben Steuersenkungen, Infrastrukturinvestitionen und Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auch die derzeit viel diskutierte Gesundheitsreform. John Irons, Leiter des Bereichs Forschung und Politik bei EPI sieht bereits erste Auswirkungen: »Obwohl es der Wirtschaft nach wie vor außergewöhnlich schlecht geht, hat sich immerhin das Tempo des Rückgangs verlangsamt.« Das aktuelle Budgetdefizit führt er nicht auf die ARRA-Ausgaben zurück, sondern auf die Kosten der militärischen Einsätze in Afghanistan und im Irak.

Gegengewicht

Als Gegengewicht zu den etablierten, meist konservativ-republikanischen Institutionen wurde 2003 das Center for American Progress (CAP) von ehemaligen hohen Funktionären der Clinton-Regierung gegründet. CAP ist zwar offiziell politisch unabhängig, aber zum Teil sind Clintons Parteikollegen noch immer in den Führungspositionen. Wer die Website von CAP besucht, findet dort unter den Zielen auch typisch amerikanische Stehsätze wie »Wiederherstellung von Amerikas globaler Führungsrolle« - neben umweltfreundlicher Energiepolitik, Gesundheitseinrichtungen und Wirtschaftswachstum für alle. Aber auch die Themen Armut(-sbekämpfung) und Frauenrechte finden sich an prominenter Stelle.

Begrenzte Möglichkeiten

Das staatliche Mindesteinkommen in den USA beträgt heute nur noch 30 Prozent des Durchschnittseinkommens (früher 50 Prozent) und ist damit auf dem Niveau von 1956. Angesichts derartiger Missstände formulierte die CAP-Task-Force für Armut vor rund zwei Jahren zwölf Schritte, um die Armut in den USA im Verlauf von zehn Jahren zu halbieren. Die Empfehlungen reichen von einem Ausbau der Arbeitslosenversicherung über die Kinderbetreuung bis zur Verbesserung des Bildungssystems und wurden zum Teil im Recovery Act berücksichtigt. Besonders bedenklich sei, dass immer mehr Kinder und Jugendliche von Armut betroffen sind. Das wirkt sich naturgemäß auf Bildung und Gesundheit negativ aus, wodurch spätere Armut fast schon vorprogrammiert ist. Im Gegensatz dazu ist laut OECD die Altersarmut in den meisten Ländern gesunken, die größten Einkommenszuwächse gab es in der Gruppe der 55- bis 75-Jährigen.
Ist Österreich im Vergleich zu Amerika eine Insel der Seligen? Ohne Transferleistungen wäre laut Statistik Austria die Armutsgefährdung durch niedriges Einkommen mit zwölf Prozent in Österreich doppelt so hoch wie derzeit. Für den Lebensstandard ist im Übrigen nicht nur das Einkommen entscheidend, sondern auch die Kosten für Bildung, Kinderbetreuung, medizinische Versorgung etc. spielen eine Rolle.

Amerika kann von Europa lernen

Punkto Gewerkschaften könnte laut Richard Freeman Amerika von Europa lernen. Wenn Präsident Obamas Arbeitsmarktreformen tatsächlich umgesetzt werden, dann prophezeit er die Wiederauferstehung der Gewerkschaften. Obwohl in den USA nicht geplant ist, dass GewerkschaftsvertreterInnen irgendwann in Aufsichtsräten sitzen, würden diese mehr Einblick in die Unternehmenspolitik und in Geschäftsabläufe bekommen. Gewerkschaftliche Pensionsfonds nutzen bereits jetzt Aktienstimmrechte und thematisieren die Höhe von Managervergütungen. Außerdem haben sie einige Rücktritte in Aufsichtsräten erzwungen.

Info&News
Denkfabriken (Think Tanks) definiert der Duden als Institutionen zur wissenschaftlichen, praxisorientierten Zukunftsforschung und für wirtschaftliche Weiterentwicklung. Sie sind keineswegs immer objektiv und (politisch) unabhängig. Einer der ältesten Think Tanks ist die 1916 gegründete Brookings Institution in Washington. Die bekannteste dürfte wohl der Club of Rome sein, der 1968 nach der Idee eines italienischen Industriellen entstanden ist und 1973 für »Die Grenzen des Wachstums« den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten hat. Unabhängige Think Tanks werden durch Stiftungen, Spenden von Privatpersonen und Organisationen finanziert. Das parteiunabhängige EPI beispielsweise erhält auch Gelder von Gewerkschaften.

Weblinks
Economic Policy Institute:
www.epi.org

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