topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Industrieländer würden dann wesentlich via WTO-Verhandlungen zu fairerem Außenhandel beitragen, wenn sie von aggressiven Liberalisierungsforderungen gegenüber Schwellenund Entwicklungsländern Abstand nehmen. Industrieländer würden dann wesentlich via WTO-Verhandlungen zu fairerem Außenhandel beitragen, wenn sie von aggressiven Liberalisierungsforderungen gegenüber Schwellen- und Entwicklungsländern Abstand nehmen.

Rezession und Welthandel

Schwerpunkt

Die Krise wird noch einige Zeit andauern - ein Ende der Liberalisierungsforderungen der WTO wäre angebracht, lässt aber trotzdem noch auf sich warten.

Das weltweite BIP wird 2009 seit 60 Jahren das erste Mal zurückgehen, und in einigen Ländern wird sich die Arbeitslosigkeit aufgrund des Produktionsrückganges verdoppeln. Die Weltbank geht von einer Rezession der Weltwirtschaft von minus 2,9 Prozent aus. Der Einbruch der Produktion ist dort am stärksten, wo die Exporte eine wichtige Rolle spielen, also in Deutschland, aber auch in ostasiatischen Ländern wie Japan und Korea. Auch der Welthandel 2009 wird laut Pascal Lamy, dem Generaldirektor der WTO, erstmals seit 1982 um zehn Prozent einbrechen. Industrieländer werden dabei mit einem 14-prozentigen und Entwicklungsländer mit einem siebenprozentigen Handelsrückgang rechnen müssen. Der tatsächliche Rückgang des Welthandels steht aber noch nicht fest, da der Welthandel von der globalen Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen abhängt - und diese ist wiederum vom weiteren Verlauf der Wirtschaftskrise abhängig.
In Zeiten der größten Weltwirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren ist die Abwägung, ob weitere Handelsliberalisierungen aus ArbeitnehmerInnen-Sicht mitzutragen sind, schwierig geworden. Auch hierzulande wird das BIP laut IHS1 2009 um prognostizierte 4,3 Prozent schrumpfen. Besonders ausgeprägt war der Rückgang im Bereich der österreichischen Exporte um 8,1 Prozent und bei den Investitionen um 3,6 Prozent. Diese Entwicklung war v. a. auf die schlechte Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und unseren mittel- und osteuropäischen Nachbarländern zurückzuführen, wo das österreichische Engagement besonders groß ist. Einerseits ist die österreichische Außenwirtschaft stark exportorientiert, was sich in der Exportabhängigkeit von Arbeitsplätzen niederschlägt. Andererseits können Handelsliberalisierungen in verschiedenen Branchen (z. B. Autoproduktion in Südafrika) ebenso zu Arbeitsplatzverlusten in größerem Umfang führen. Selbst die Weltbank gibt zu, dass so die Arbeitsplatzvernichtung weit schneller vor sich gehen kann, als die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Weltweit sollen jedenfalls laut ILO (Internationale Arbeitsorganisation) mit der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise im Zeitraum 2007 bis 2009 zwischen 40 und 60 Mio. Arbeitslose hinzukommen.

Die ILO wird erstmals einbezogen

Die Gipfel-Erklärung der G-20 bestehend aus wichtigen Industrie- und Entwicklungsländern2 vom 2. April dieses Jahres nahm so auch Bezug auf die rasant steigende Arbeitslosigkeit. Erstmals befassen sich die Regierungschefs jetzt mit den Auswirkungen der Krise auf Beschäftigung und Armut der Menschen und wollen die ILO einbeziehen - sie soll sich an den Folgearbeiten der G-20 beteiligen. Zum Außenhandel einigten sich die Regierungschefs auf ein Paket von 250 Mrd. US-Dollar für die Handelsfinanzierung und riefen dazu auf, der Versuchung des Handelsprotektionismus zu widerstehen und globalen Handel und Investitionen zu fördern. Der Druck, die seit bald acht Jahren stockende Welthandelsrunde - die sogenannte Doha-Entwicklungsrunde - abzuschließen, steigt.
Am stärksten, betont Pascal Lamy, seien Entwicklungsländer von der Krise betroffen. Ihren Regierungen fehlen finanzielle Mittel, um Rettungspakete für ihre Volkswirtschaften zu schnüren. Subventionen für Produktion und Landwirtschaft sind kaum Thema, und auch das soziale Netz fehlt in der Regel, um die Bevölkerung vor Einkommenseinbußen und dem Abrutschen unter die Armutsgrenze zu schützen. Deshalb werden die vereinbarten 1,1 Bio. Dollar an neuen Mitteln für die Wiederbelebung des Welthandels sowie Mittel für die Unterstützung der Entwicklungsländer auch vom Internationalen Gewerkschaftsbund und Nichtregierungsorganisationen als konkreter Erfolg des G-20-Gipfels gewertet. Davon sollen 50 Mrd. Dollar der Unterstützung der sozialen Sicherungssysteme und der Förderung des Handels in den ärmsten Ländern dienen.

Anstieg des Handelsprotektionismus

Trotz der inzwischen positiveren Meldungen von IWF und anderen internationalen Organisationen zur Weltwirtschaft, sind sich viele einig: übertriebener Optimismus wäre verfrüht. Die weltweite Nachfrage liegt noch immer darnieder und die Arbeitslosigkeit wird wohl noch bis Ende 2010 ansteigen. Mit dem Versprechen, keine neuen Handelsschranken zu errichten, wurde der WTO die Beobachtung von allfälligen Handelsschutzmaßnahmen ihrer 153 Mitglieder übertragen. Daraus ergab sich ein gemischtes Bild: Im dritten Protektionismusbericht3 im Juli wurden seit Anfang März von den 119 beobachteten Maßnahmen mit Handelsbezug 83 neue Handelsbeschränkungen registriert - diese können von Zollerhöhungen über kompliziertere Einfuhrformalitäten bis zu echten Verboten reichen - aber es wurden auch 36 Handelserleichterungen festgestellt. Nach den Daten der WTO haben etwa 30 ihrer 153 Mitgliedsstaaten staatliche Konjunkturprogramme auf Schiene gelegt und 19 Länder unterstützen ihre Banken, darunter auch Österreich. Es wurden aber auch andere, nicht mit der Wirtschaftskrise in Zusammenhang stehende Handelsschranken aufgenommen, etwa die Einfuhrbeschränkungen zur Abwehr der Schweinegrippe: 39 Länder haben den Import von Schweinen oder deren Fleisch verboten - und das steht nicht im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise.

Beitrag zur Wiederbelebung

Die WTO sieht zwar in den staatlichen Stützungen grundsätzlich einen Beitrag zur Wiederbelebung des Handels. Sie äußerte allerdings auch Sorgen: Die Zahl der Antidumpingmaßnahmen würde zunehmen, das deute auf einen ungerechtfertigten Schutz vor vermeintlichen Dumpingpreisen hin. Aber auch staatliche Stützungen würden die Gefahr in sich bergen, noch nach der überwundenen Krise aufrecht zu bleiben und so manche Konjunkturprogramme bevorzugten nationale Anbieter. Ein Beispiel dafür ist die von den USA eingeführte »Buy American«-Initiative, die den Abfluss der milliardenschweren staatlichen Konjunkturprogramme ins Ausland verhindern soll. Sie schreibt fest, dass bei geplanten öffentlichen Infrastrukturprojekten Stahl, Eisen und einige andere Waren ausschließlich aus US-Produktion eingesetzt werden müssen. China hat Anfang Juni in einer Direktive mit Blick auf das eigene Konjunkturprogramm in Höhe von 585 Mrd. Dollar angeordnet, nach Möglichkeit inländische Produkte bei staatlich finanzierten Projekten zu bevorzugen. Zuletzt hatten auch westliche Firmen darüber geklagt, bei Aufträgen in China nicht zum Zug gekommen zu sein - unter anderem bei milliardenschweren Ausschreibungen für Windkraftanlagen. Und die EU hat ihrer Milchwirtschaft einen unerwarteten Exportvorteil durch die Wiedereinführung wettbewerbsverzerrender Subventionen verschafft, womit sie internationales Kopfschütteln geerntet hat. EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer-Boel hat angesichts der gesunkenen Milchpreise erneut Exporterstattungen für Butter, Käse sowie Voll- und Magermilchpulver eingeführt.

Positiver Beitrag der WTO-Runde?

Obwohl diese Maßnahmen die Gemüter international erhitzen, fallen die bisher feststellbaren protektionistischen Maßnahmen global nicht wirklich ins Gewicht. Der Rückgang des Welthandels ist - wie von den G-20 richtig festgestellt - auf den globalen Nachfrageeinbruch bei Waren und Dienstleistungen zurückzuführen. Daher ist das Drängen auf einen ehebaldigen Abschluss der WTO-Liberalisierungsverhandlungen als Medizin gegen die Krise nicht das Mittel der Wahl. Die Nachfrage in den Ländern sollte gestärkt werden, damit Konsumgüter und Investitionen im In- und Ausland getätigt werden können, um so das implodierte Außenhandelsvolumen zu erhöhen. Industrieländer würden dann wesentlich via WTO-Verhandlungen zu fairerem Außenhandel beitragen, wenn sie von aggressiven Liberalisierungsforderungen gegenüber Schwellen- und Entwicklungsländern Abstand nehmen und mit der traditionellen Subventionierungspraxis ihrer Landwirtschaften brechen würden. Doch das wird sich vermutlich nicht so rasch ändern: erst vergangenen Juli wurden die Doha-Verhandlungen wegen unüberbrückbarer Differenzen abgebrochen, weil die USA und die EU besseren Marktzugang für ihre landwirtschaftlichen Produkte nach China und Indien erzwingen wollten.

Weblinks
WTO im Internet:
www.wto.org

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
eva.dessewffy@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

1 IHS-Prognose vom 25. Juni 2009
2 G-20: USA, Japan, China, Kanada, Mexiko, Indien, Südkorea, Brasilien, Australien, Russland, Türkei, Indonesien, Saudi-Arabien, Südafrika, Argentinien, Deutschland, Frankreich, Italien, Vereinigtes Königreich, EU.
3 JOB(92)/62: Report to the TPRB from the Director-General on the financial and economic crisis and Trade-related Developments, 1. Juli 2009

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum