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Das Konzept »menschenwürdige Arbeit« beschränkt sich allerdings nicht auf diese Basisanforderungen, sondern setzt bei den jeweiligen Ansprüchen und Hoffnungen an, die Menschen mit ihrer Arbeit verbinden. Das Konzept »menschenwürdige Arbeit« beschränkt sich allerdings nicht auf diese Basisanforderungen, sondern setzt bei den jeweiligen Ansprüchen und Hoffnungen an, die Menschen mit ihrer Arbeit verbinden.

Menschenwürdige Arbeit

Schwerpunkt

Nur ausreichend bezahlte Arbeit, die an Körper und Seele nicht krank macht, kann Basis für gesamtgesellschaftlichen Wohlstand sein.

Ins Bodenlose fallende Börsenkurse und Bankenpleiten. Was mit Hiobsbotschaften aus dem Bankensektor begann, zeigt mittlerweile auch in der realen Wirtschaft Auswirkungen - die Nachfrage bricht ein, Abbau von Arbeitskräften, Kurzarbeit, Forderungen nach Lohnverzichten bis hin zur Verlagerung von Produktionen und Dienstleistungen (man denke etwa an Callcenter und Softwareentwicklung) in sogenannte Billiglohnländer in Asien, Lateinamerika und dem östlichsten Europa sind die Folgen.

Normalarbeitsverhältnis wird selten

Neu sind all diese Entwicklungen nicht - während der vergangenen 30 Jahre Neoliberalismus sind Begriffe wie »Outsourcing« und »Prekarisierung« in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Seit den 1990er-Jahren nimmt der Anteil von Leiharbeitskräften, neuen Selbstständigen und freien DienstnehmerInnen auf einem zunehmend deregulierten Arbeitsmarkt stetig zu. Das sogenannte »Normalarbeitsverhältnis« - die unbefristete Vollzeitbeschäftigung mit sozialer Absicherung - wird zunehmend zur Seltenheit. Unternehmen, insbesondere transnational agierende Konzerne, profitieren von dieser Situation: Sie können innerhalb eines Landes flexibel agieren und bei Bedarf in Länder mit noch billigeren Arbeitskräften abwandern.
Davon profitieren aber auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dort nur begrenzt: Sie werden zu Niedrigstlöhnen, die oft nicht einmal den eigenen Lebensunterhalt sichern, unter teils lebensgefährlichen Umständen und ohne auch nur annähernd ausreichende Arbeitszeitregulierung ausgebeutet. So sind beispielsweise Näherinnen in Bangladesch gezwungen, für 250 Euro Monatslohn sieben Tage die Woche jeweils 14 Stunden und mehr zu arbeiten. Krankenstand und Karenz existieren überhaupt nicht, der Urlaubsanspruch beschränkt sich auf wenige Tage im Jahr. Fehlende Arbeitsschutzbestimmungen führen immer wieder zu Unfällen mit schweren Verletzungen, teilweise mit tödlichem Ausgang.
Eine unfaire Welthandelsordnung zugunsten multinationaler Konzerne steht fehlenden Regulierungen im Bereich der Sozialstandards, der Arbeitsrechte und des Umweltschutzes gegenüber. Die Drohung, Produktionsstandorte zu schließen und in für das Unternehmen günstigere Länder zu verlegen macht Gewerkschaften sowie ganze Staaten erpressbar.

Und Gewerkschaften?

Gewerkschaften setzen sich seit jeher für menschenwürdige Arbeitsbedingungen, faire Löhne und soziale Absicherung ein, haben die heute bestehenden Arbeitsrechte hart erkämpft. Unter den Bedingungen einer neoliberalen Globalisierung wird dies aber zunehmend schwieriger - die Angst um die »eigenen«, heimischen Arbeitsplätze verstellt oft den Blick für die Notwendigkeit grenzüberschreitender Solidarität. Um globales Lohn-, Sozial- und Umweltdumping zu bekämpfen, braucht es die aber - der Internationale Gewerkschaftsbund ITUC und die europäische ETUC versuchen genau diese weltweite Kooperation zu verwirklichen.

Für menschenwürdiges Leben …

Die zunehmende Verschlechterung von Arbeitsbedingungen auf der ganzen Welt schadet im Endeffekt aber auch der Wirtschaft und damit der Gesellschaft. Arbeit ist nicht nur ein Kostenfaktor, sondern schafft individuelle Einkommen und damit auch gesellschaftlichen Wohlstand.
Grundlage dafür sind aber geeignete Rahmenbedingungen, weshalb Juan Somavia, Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation der UNO (ILO) 1999 die Strategie »Decent work for all« (Menschenwürdige Arbeit für alle) auf die Tagesordnung gesetzt hat. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass Wirtschaftswachstum allein keine Garantie für nachhaltige Entwicklung ist, sondern nur menschenwürdige Arbeit die Basis für gesamtgesellschaftlichen Wohlstand und damit effiziente Armutsbekämpfung sein kann. Eine Einsicht, die schnell Furore gemacht hat: 2005 haben die Vereinten Nationen das Ziel, menschenwürdige Arbeit für alle zu schaffen, in ihre Millenium-Entwicklungsziele übernommen und die Strategie damit als wesentliches Element der Entwicklungsagenda anerkannt.
Mindestanforderungen, denen menschenwürdige Arbeit genügen muss, sind ausreichende Bezahlung sowie Arbeitsplatzsicherheit, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor körperlichen und psychischen Schäden - Stichwort Burn-out - schützen. Weiters zählen die ILO-Kernarbeitsnormen dazu, welche die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen, das Verbot von Zwangsarbeit und Kinderarbeit, die Gleichheit des Entgelts und das Verbot von Diskriminierung umfassen.
Das Konzept »menschenwürdige Arbeit« beschränkt sich allerdings nicht auf diese Basisanforderungen, sondern setzt bei den jeweiligen Ansprüchen und Hoffnungen an, die Menschen mit ihrer Arbeit verbinden. Insofern ist »Decent Work« auch kein starr umrissenes, fix definiertes Konzept, sondern wird den Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes angepasst und trägt so dem Umstand Rechnung, dass Arbeit neben wirtschaftlichen auch wichtige gesellschaftliche Funktionen wie soziale Einbindung und im Idealfall die Ermöglichung von Selbstverwirklichung und Kreativität erfüllt.

… eine globale Strategie …

Menschenwürdige Arbeit für alle kann aber nur durch globale Kooperation durchgesetzt werden. Nur wenn ausbeuterische Arbeitsverhältnisse in Entwicklungsländern und das damit einhergehende Lohndumping endlich der Vergangenheit angehören, müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in sogenannten Industriestaaten nicht mehr um ihre Jobs fürchten - und nur dann können auch Menschen in Entwicklungsländern von ihren Einkommen leben, ihren Bedarf an Konsumgütern decken und zum Wohlstand der Gesamtgesellschaft beitragen.
Der Wettlauf nach unten, hin zu immer schlechteren Arbeitsbedingungen, immer niedrigeren Löhnen und dem Abbau von Sozial- und Umweltstandards muss gestoppt werden. Sowohl der Internationale als auch der Europäische Gewerkschaftsbund haben sich daher der »Decent work-Agenda« der ILO angeschlossen und gemeinsam mit anderen Organisationen 2007 die internationale Kampagne »Decent work, decent life« (www.decentwork.org) ins Leben gerufen. Unter den 50 Organisationen aus insgesamt 22 Ländern, von denen die Kampagne unterstützt wird, befindet sich auch der ÖGB. Weltweite Aufmerksamkeit erhält das Thema »Decent Work« am Welttag für menschenwürdige Arbeit, der heuer zum zweiten Mal am 7. Oktober stattfinden wird.

… und ihre nationale Umsetzung

Ebenfalls am 7. Oktober startet, ganz im Sinne der Strategie, das Projekt »Menschenwürdige Arbeit für menschenwürdiges Leben«, das von »weltumspannend arbeiten«, dem entwicklungspolitischen Bildungsprojekt des ÖGB, gemeinsam mit der NGO Südwind und in Kooperation mit Gewerkschaften und NGOs in Bulgarien und Rumänien durchgeführt wird. Die Europäische Union sowie die Austrian Development Agency unterstützen das Projekt finanziell.
Das Projekt wird globale Zusammenhänge und Hintergründe aufzeigen, die hinter Arbeitsplatzabbau und Lohnkürzungen in Industrieländern und der Ausbeutung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Entwicklungsländern stehen. Ein Verständnis für diese strukturellen Ursachen hinter der Verschlechterung von Arbeitsbedingungen ist eine wichtige Grundlage für die dringend notwendige, weltweite Zusammenarbeit und Solidarität.
Diese Grundlage zu schaffen ist Ziel des Projekts. Für Gewerkschaftsmitglieder und BetriebsrätInnen wird ein einjähriger Lehrgang entwickelt, der im Herbst 2010 zum ersten Mal starten und aus sechs zweitägigen Modulen bestehen wird. Begleitend wird es eine Reihe von öffentlichen Diskussionen, Workshops und Ausstellungen geben. Aktuelle Informationen und die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme finden sich auf der Website www.fairearbeit.at.

Weblinks
Online ab dem Welttag für menschenwürdige Arbeit am 7. Oktober 2009:
www.fairearbeit.at

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aw@oegb.at

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