topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Und die Beamten machen vielleicht den Fund ihres Lebens: Im doppelten Boden der Koffer finden sie US-Staatsanleihen im Wert von 134 Mrd. Dollar. Das Geld soll in der Schweiz deponiert werden. Und die Beamten machen vielleicht den Fund ihres Lebens: Im doppelten Boden der Koffer finden sie US-Staatsanleihen im Wert von 134 Mrd. Dollar. Das Geld soll in der Schweiz deponiert werden.

Scheinheilig

Schwerpunkt

Schon in der Bibel ist vom Tanz um das goldene Kalb die Rede. TheologInnen sehen mittlerweile im Kapitalismus die erste weltumspannende Religion.

Bei uns in der Steiermark werden bei Hochzeiten gerne Kärntnerlieder gesungen. Und wenn beim Chor erklingt: »aber Du lasst kan Schein, von der Liab in die Herzkammerl ein« eilen schon die Trauzeugen mit dem Geldschein in der Hand.
Natürlich ist Geld wichtig. Das war es immer, wie Beispiele aus der Bibel belegen. Dort steht, dass man nicht zwei Herren dienen könne, man sich entscheiden müsse zwischen Gott und Mammon. Im Alten Testament, das Juden und Christen gemeinsam ist, und in seinen Wurzeln rund 3.500 Jahre zurückreicht, wird das einprägsame Bild vom »Tanz um das goldene Kalb« gezeichnet. Während Moses auf den Berg Sinai gestiegen ist und mit den Steintafeln der 10 Gebote zurückkehren wird, wird das Volk unruhig und bittet seinen Bruder Aaron, etwas zu unternehmen. So findet Moses bei seiner Rückkehr ein Volk, das in Ekstase um das goldene Kalb tanzt. Es ging schon damals nicht um die Frage, ob Geld wichtig ist, sondern darum, was im Mittelpunkt steht, was als letztgültig angesehen wird, um das, worum sich unsere Gesellschaft dreht.

Der Markt als Religion?

Noch immer beschäftigt uns diese Frage. Was gilt in unserer modernen Gesellschaft als heilig? Nicht wenige TheologInnen sehen mittlerweile im Kapitalismus die erste weltumspannende Religion. So meint die evangelische Theologin Dorothee Sölle: »Der neue Gott ist allgegenwärtig. Er bemüht sich, das alte Über-Ich, das Gut von Böse zu unterscheiden lehrte, zu entwichtigen. Hinter dem neuen Apparat, der alte Einrichtungen wie Kirche, Schule und Familie längst überholt hat, steht der größte, alles beherrschende Gott, der 'MARKT‘ heißt. Hast du etwas anzubieten, ist es verkäuflich, rechnet es sich, fragt er. Andere Fragen kennt er nicht. Er sorgt dafür, dass die Äpfel von nebenan weggeworfen werden und die Frauen im Süden der Erdkugel, die vor zwanzig Jahren noch Bohnen und Mais für den eigenen Bedarf anbauen durften, heute Orchideen und Südfrüchte für den Export züchten. Es ist der Weltmarkt, der sie zu weiterer Verelendung zwingt.«
Nicht weniger radikal formuliert der Theologe Reimer Gronemeyer: »Wer den Marktgesetzen widerspricht, ist schlechter dran, als ein Ketzer, denn er ist nach allgemeiner Übereinkunft ein Trottel. Der Markt, der als neue Gottheit auftritt, ist deshalb so barbarisch, weil er nicht einmal vorgibt, ein guter Gott zu sein. Er ist vielmehr die Wiederverkörperung alter Schreckensgötter. Kaltlächelnd, so muss man befürchten, wird er die in den Jahrhunderten der Aufklärung gewachsenen Ansprüche der Menschen niedertrampeln: Gerechtigkeit für einen Schmarren und Humanität als eine unzeitgemäße Sentimentalität diskreditieren.«
Luise Gubitzer, Professorin an der Wirtschaftuniversität Wien, zeichnet auch ein sehr treffendes Bild der gegenwärtigen Situation. Dabei unterscheidet sie verschiedene Formen des Wirtschaftens, mit jeweils eigene »Rationalitäten«.

Gewinnmaximierungsrationalität

Im Profitsektor wird nach »Gewinnmaximierungsrationalität« entschieden. Es wird getan, was den Gewinn erhöht. Im Öffentlichen Sektor haben Entscheidungen nach »Versorgungs-, Umverteilungs- und Vorsorge-, sowie Gleichstellungsrationalität« zu erfolgen. Das Hauptaugenmerk gilt der Bereitstellung öffentlicher Güter für die BürgerInnen des Landes. Im Dritten Sektor, in dem viele - oft gemeinnützige - Vereine und Verbände tätig sind, wird nach »politisch-ethischen Rationalitäten« agiert. Sehr oft ehrenamtlich, leisten diese Bereiche der »Zivilgesellschaft« wertvolle Beiträge. In den Familien, im Haushaltssektor, wird nach »Fürsorge-, Versorgungs- und Vorsorgerationalität« gewirtschaftet. Nach wie vor leisten hier überwiegend Frauen einen wesentlichen Beitrag für die Gesellschaft. Schließlich zählen auch »Schwarzarbeit« und andere Formen des »Illegalen Sektors« zur Ökonomie. Dort wird aus »Versorgungsrationalität« Erwerbsarbeit nachgefragt, wird nach »Gewinnmaximierungs- und Umgehungsrationalität« gewirtschaftet und es werden wirtschaftliche Interessen auch mit Gewalt durchgesetzt.
Ein Befund unserer Art zu wirtschaften ergibt, dass die »Gewinnmaximierungsrationalität«, die aus der Profitwirtschaft stammt, alle anderen Bereiche zu beherrschen scheint. »Wenn der fundamentale Zweck von Wirtschaft, nämlich die Versorgung mit Gütern, zum alleinigen Sinn von Wirtschaft gedeutet wird, wird nicht nur aus einem einzigen Zweck das Ziel. Wettbewerb wird zum Wert an sich, der andere humane, ökologische, soziale und demokratische Werte verdrängt. Es kommt zu einer führungslosen Herrschaft des fundamentalen Zwecks der Wirtschaft, der sich keinem Ziel zu verantworten hat«, schreibt dazu der Theologe Franz Segbers.

Soll ein Sozialstaat Profite machen?

Schon im 19. Jahrhundert - am Beginn der industriellen Revolution - wurde die Idee des »Nachtwächter-Staates« geboren. Selbstinteresse und Markt sollten dafür sorgen, dass geradezu automatisch das größte Glück für die größte Zahl verwirklicht werde. Der Staat sollte in diesen Mechanismus nicht eingreifen, sondern vielmehr dafür sorgen, dass dieser Mechanismus nicht behindert werde. Nach dem grandiosen Scheitern dieser Ideen - und zwei Weltkriegen - kann man das 20. Jahrhundert in Europa auch mit dem Aufbau von Sozialstaaten treffend beschreiben. Für das 21. Jahrhundert treffen Michael Reimon und Christian Felber mit ihrem »Schwarzbuch Privatisierung« ganz entscheidende Feststellungen zum Verhältnis von Staat und Privat:

  • Die Starken profitieren: Öffentliche Betriebe tragen gesellschaftliche Verantwortung, gewinnorientierte Konzerne nicht. Übernehmen sie die Grundversorgung, tragen sie aktiv zur Schaffung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft bei. Erstes Privatisierungsopfer ist die Landbevölkerung: Nicht genug damit, dass ihr aufgrund der Handelskonzentration Nahversorger vor der Nase zusperren, es kommen auch Postämter, Nebenbahnen, Telefonzellen und Buslinien abhanden. Netzgebundene Anschlüsse (Strom, Gas, Wasser, Kanal, Telefon, Internet) werden nach Privatisierungen fast nur noch in Ballungszentren ausgebaut.
  • Ein Staat ist kein Arbeitgeber: »Der Staat ist ein schlechter Unternehmer«, hört man immer wieder. Aber Staaten existieren aus anderen Gründen als Aktiengesellschaften und PolitikerInnen sollten nicht versuchen, BetriebswirtInnen zu sein. Private Krankenkassen haben kein Interesse, Schwerkranken zu helfen. Im Gegenteil, profitorientiert müssten sie danach trachten, diese loszuwerden. Private Stromversorger haben kein Interesse an KleinkundInnen mit viel Verwaltungsaufwand und wenig Umsatz. Private Pensionsversicherer haben Interesse an einer möglichst hohen Gewinnspanne. Gleiches gilt für private Wasser- und Abwasserversorger, private Abfallentsorger usw.
  • Am Ende haftet der Staat: Die Gesellschaft trägt die Kosten für all jene »Nebeneffekte«, die eine Privatisierung mit sich bringt. Höhere Arbeitslosenzahlen, mehr Sozialfälle und Umweltschäden sind offensichtliche Kostenfaktoren, aber es gibt auch versteckte, die man nicht in Zahlen gießen kann. Wenn private Gefängnisse weniger Geld in die Ausbildung von Insassen investieren und diesen Menschen damit keine neuen Perspektiven für die Zeit nach der Haft eröffnen - was kostet das? Welchen Preis zahlt die Gesellschaft? Die Öffentlichkeit trägt auch die Kosten für das »Rosinenpicken« der privaten Betreiber. Darunter versteht man, dass Investoren nur die profitablen Sektoren öffentlicher Betriebe kaufen, die Verluste machenden Teile aber unverkäuflich sind. Der Politik bliebe die Wahl, diese Aufgaben aus Steuermitteln zu bestreiten oder ganz darauf zu verzichten.

Worum sich die Geschichte dreht

Auch wenn Religion gerne zur »Privatsache« erklärt wird, scheint die Frage, was in einer Gesellschaft für »heilig« gehalten wird, wesentlich. Und es wird auch im 21. Jahrhundert entscheidend sein, ob wir den »Geldschein« zum obersten Prinzip machen oder ob es weiterhin gelingt, dem Trend - dem, was von selbst geschehen würde - täglich aufs Neue soziale Gerechtigkeit und Menschlichkeit abzuringen.

Weblinks
Aus der Skriptenreihe von VÖGB und AK: Politik und Zeitgeschehen, Band 2: Christliche Soziallehre
www.voegb.at/bildungsangebote/skripten/pzg/PZG-15.pdf

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
andreas.gjecaj@oegb.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum