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Und die Beamten machen vielleicht den Fund ihres Lebens: Im doppelten Boden der Koffer finden sie US-Staatsanleihen im Wert von 134 Mrd. Dollar. Das Geld soll in der Schweiz deponiert werden. Und die Beamten machen vielleicht den Fund ihres Lebens: Im doppelten Boden der Koffer finden sie US-Staatsanleihen im Wert von 134 Mrd. Dollar. Das Geld soll in der Schweiz deponiert werden.

Das 134 Mrd. Dollar Ding

Schwerpunkt

Mitte Juni haben zwei Männer versucht Wertpapiere für Milliarden Euro in die Schweiz zu schmuggeln. Jetzt will niemand etwas über das Geld wissen.

Können Sie sich 134 Mrd. Dollar bildlich vorstellen? Oder umgerechnet: Können Sie sich 96 Mrd. Euro vorstellen? Wieviel ist das? Wie sieht das aus? Und was würden Sie mit diesen 134 Mrd. Dollar machen? Einkaufen gehen? Villen, Paläste, Autos. Um die Welt reisen. Oder gar zum Mond. Oder die Hälfte des auf inzwischen 184,9 Mrd. Euro angewachsenen Schuldenberg der Rot-Weiß-Roten Republik zu tilgen. Sie könnten diese Summe für wohltätige Zwecke einsetzen: Laut der Weltagrarorganisation FAO sind »nur« 30 Mrd. Dollar nötig, um den Hunger auf der Welt zu beseitigen.

Im doppelten Boden

134 Mrd. Dollar ist eine gewaltige Summe, die unser Vorstellungsvermögen übersteigt. Aber man kann 96 Mrd. Euro in Form von Papieren ganz einfach in zwei simplen Aktenkoffern verstauen. So wie es die beiden Männer mit japanischen Reisepässen getan haben, deren Geschichte schon so absurd klingt, dass man es kaum glauben kann: Am 3. Juni 2009 wollen zwei Männer, beide um die fünfzig Jahre alt, per Bummelzug aus Italien in die Schweiz einreisen. Am Grenzübergang in Chiasso behaupten sie, sie hätten nichts zu verzollen. Dann geraten sie in eine Routine-Kontrolle der italienischen Finanzpolizei. Und die Beamten machen vielleicht den Fund ihres Lebens: Im doppelten Boden der Koffer finden sie US-Staatsanleihen im Wert von 134 Mrd. Dollar. Das Geld soll in der Schweiz deponiert werden.Die Papiere werden sichergestellt, die beiden Männer verhaftet.
Bei den Papieren handelt es sich um 249 US-Staatsanleihen mit einem Nennwert von je 500 Mio. Dollar, rund 358 Mio. Euro, sowie zehn »Kennedy-Bonds« zu je einer Mrd. Dollar (715 Mio. Euro). An der Echtheit der Papiere wurde bis zuletzt gezweifelt. Die italienische Finanzpolizei vermutet jedoch, dass zumindest ein Teil der Wertpapiere echt sei. »Was die Echtheit der Kennedy-Bonds betrifft, haben wir noch Zweifel, aber die US-Staatsanleihen scheinen glaubwürdig. Sie sind aus Filigranpapier von ausgezeichneter Qualität« , sagte Oberst Rodolfo Mecarelli von der italienischen Finanzpolizei in Como Mitte Juni. Außerdem liege den Papieren eine umfangreiche Bankdokumentation im Original bei. Bis heute allerdings ist die Echtheit der Papiere von offizieller Seite nicht bestätigt worden. In manchen Medien kursieren Gerüchte, die Anleihen seien »wahrscheinlich echt«. Andere wiederum behaupten, die Papiere seien »grandiose Fälschungen«.

Funkstille seit 14. Juli

Öffentlich äußerte sich nur der Pressesprecher der amerikanischen Schuldenbehörde (Bureau of the Public Debt) des Finanzministeriums in der New York Times zu den Spekulationen. Obwohl er die Bonds nur auf Online-Bildern sah, behauptete er, die Papiere sähen überhaupt nicht aus wie echte Anleihen, diese würden Privatpersonen ohnehin nie in solch hohem Nennwert ausgestellt werden. Auch die Finanzagentur Bloomberg zweifelt offiziell die Echtheit der Papiere an. Seit dem 14. Juli gibt es allerdings weder offizielle noch inoffizielle Meldungen von italienischen, amerikanischen und japanischen Behörden, weder zur Originalität der Papiere noch zu dem Verbleib der Männer, die mit dem Koffer erwischt wurden, noch zu möglichen Ursachen.

Gerüchteküche

Asianews und einem Radiosender wurde wiederum eine brisante Information zugespielt: einer der beiden Japaner sei Tuneo Yamauchi, ein Bruder von Toshiro Muto. Muto trat kürzlich als Vizegouverneur der Bank of Japan zurück. Dazu kommt, dass die italienischen Behörden an die Authenzität der Papiere glauben, und dass die beiden Japaner Angestellte des japanischen Finanzministerums seien. Sie sollten die Bonds in die Schweiz bringen, da die japanische Regierung offenbar das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der USA verloren hat, die bei Japan horrende Schulden haben. Die japanischen Finanzbehörden seien angehalten worden, einen Teil der Sicherheiten zu verkaufen. Die im Schweizer Recht garantierte Anonymität hätte einen Finanzskandal verhindert.
Die verdächtige Verschwiegenheit der Behörden sowie die brodelnden Gerüchte im Internet erschweren die Recherche. Denn kaum findet man den neuesten Artikel der Financial Times, die schwört, die Anleihen seien »sicher« Fälschungen, titeln die AOL-News »Geschmuggelte Anleihen sind wohl echt«. Vielleicht auch deswegen ging dieser Milliardenkoffer in der Tages- und Wochenpresse unter. Es mangelte stets an Informationen, die Finanzpolizei gab sich bedeckt. Die Aussagen teilen sich, und wo es keine Gewissheit gibt, da brodelt die Gerüchteküche.
Die meisten englischsprachigen Medien ignorieren diesen Vorfall sogar. Erst, als die Finanz-Agentur Bloomberg die Papiere als wahrhaftige Fälschungen deklarierte, berichteten sie kurz. Anders jedoch die europäischen und asiatischen Medien. Je bedeckter sich die Behörden hielten - desto eifriger betätigte sich die Internet-Community als Detektiv und täglich finden sich neue Fragen und Verschwörungstheorien im Netz.

Viele offene Fragen

Es bleibt rätselhaft, warum zwei Männer ausgerechnet in diesem Juni 2009 versucht haben, mit Werten über die Grenze zu kommen, die mehr als die Hälfte der österreichischen Staatsschulden ausmachen. Und warum sich zwei Männer im Business-Look in einen vorwiegend von Arbeitern frequentierten Bummelzug gesetzt haben, wo sie allein durch ihr äußeres Erscheinungsbild herausstechen - das klingt eher nach Amateuren.
Es bleibt rätselhaft, wer diese Beiden sind, und wer ihr Auftraggeber ist. Inzwischen ist auch nicht klar, ob die Männer, die zwar japanische Pässe vorweisen konnten, auch tatsächlich Asiaten sind. Beide wurden zwar kurzfristig festgenommen, sind aber längst wieder auf freiem Fuß. Mecarelli gibt sich darüber bedeckt mit Verweis auf die noch laufenden Ermittlungen. Italienischen Medienberichten zufolge ist es eher ungewöhnlich, dass an der italienisch-schweizerischen Grenze asiatische Schmuggler ertappt werden. Es ist auch rätselhaft, dass sich laut der italienischen Tageszeitung »Il Giornale« der US-Sicherheitsdienst Secret Service eingeschaltet hat. Der Secret Service ist unter anderem für die Bekämpfung von Finanzkriminalität und den Schutz des US-Präsidenten zuständig.
Auch der Name »Kennedy-Bonds« gibt Rätsel auf, angeblich existiert ein Bond mit diesem Namen nicht. Laut Spiegel.de wurde die US-Börsenaufsicht eingeschaltet um auch die US-Anleihen nachzuprüfen. So kursiert das Gerücht, die ominösen Kennedybonds seien entweder Relikte aus dem Jahr 1934 oder einfach nur perfekte Fälschungen.
Und gerätselt wird auch, wer hinter diesem Milliardenkoffer steckt. Die Financial Times vermutet dahinter die italienische Mafia, die die Papiere gefälscht haben soll. Viele Medien weisen auf ein Gerücht hin, dass der nordkoreanische Geheimdienst dahintersteckt, dem ein Interesse an der Destabilisierung der westlichen Finanzmärkte nachgesagt wird. Andere wiederum behaupten, eine ominöse Sekte wäre in die Affäre involviert.
Das neueste Gerücht bringt Italiens Premierminister Silvio Berlusconi ins Spiel: der Fund der italienischen Zöllner sei kein reiner Zufall gewesen, sondern Berlusconi hätte von den schmierigen Geschäften bereits vorher erfahren und die Sache auffliegen lassen. Es soll ein Racheakt an der japanischen Regierung sein. Denn vergangenen Sommer wurde Berlusconi auf dem G8-Gipfel in Japan von den USA beleidigt: In einer Pressemappe wurde er als »politischer Dilettant«, Italien als Land der »Korruption und Lasterhaftigkeit« bezeichnet. Das weiße Haus hat sich zwar für den Fauxpas entschuldigt, aber Berlusconi ist bekannt dafür, dass er gerne Retourkutschen fährt. Vor allem, als im Juli wieder der G8-Gipfel an der politischen Tagesordnung stand, und zwar - in Italien.

38 Mrd. Euro Strafe

Vor allem stellt sich die Frage, welcher Staat etwas zu verbergen hat, dass die Behörden derart im Schweigen versinken.
Sollten sich die Papiere wider Erwartens doch als echt herausstellen, dürfte sich das tief verschuldete Italien über eine kleine Finanzspritze freuen. Denn es dürfen nicht mehr als 10.000 Euro unangemeldet in ein Land außerhalb der EU ausgeführt werden; im Schmuggelfall hat der Staat Anspruch auf bis zu 40 Prozent der Summe. Somit drohe den Schmugglern eine Strafe von bis zu 38 Mrd. Euro - dies wären fast 2,5 Prozent des italienischen BIP. Gleichzeitig wären die beiden Japaner die viertgrößten Gläubiger der USA, nach Russland (138 Mrd. Dollar) und noch vor Großbritannien (128 Mrd. Dollar).

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