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Unterschiede zu 1930

Wirtschaft & Arbeitsmarkt

Was unternommen werden muss, damit die aktuelle Rezession nicht zur Weltwirtschaftskrise wird.

Immer wieder wird die Rezession der Weltwirtschaft seit Herbst 2008 mit der Weltwirtschaftskrise der Dreißigerjahre verglichen, die mit dem großen Krach an der New Yorker Börse im Oktober 1929 einsetzte. Dieser Vergleich bietet sich allein schon deshalb an, weil man bis in diese Zeit zurückgehen muss, um ein reales Beispiel für eine tiefe Wirtschaftsrezession zu finden. Von den wenigen Rezessionen nach dem Zweiten Weltkrieg war in den meisten Ländern jene nach dem ersten Ölpreisschock Mitte der Siebzigerjahre am heftigsten, und die war in Österreich mit minus 0,4 Prozent BIP im Jahr 1975 vergleichsweise mild. Eine Ähnlichkeit zwischen 2008 und 1929 besteht darin, dass die Rezession von einem spekulativ außer Rand und Band geratenen Finanzsystem in den USA ihren Ausgang nahm und anschließend nach und nach Finanzwirtschaft und Realwirtschaft weltweit erfasste.

Eine Rezession, die sich 1930 noch nicht grundlegend von früheren Rückschlägen unterschied, wurde zur wirtschaftlichen und auf dem europäischen Kontinent zur politischen Katastrophe durch die extreme und beispiellos lange Dauer der Abwärtsbewegung, welche die Arbeitslosigkeit auf Rekordhöhen klettern ließ und große Teile der Bevölkerung ins Elend stürzte.

Wenn der Beginn der Krisen 1929/30 und 2008/09 in der Geschwindigkeit des Absturzes der Aktienkurse und der Gleichzeitigkeit des Preisverfalls auf Aktien-, Immobilien- und Rohstoffmärkten beachtliche Parallelen aufweisen, so stellen sich heute die Fragen: Was waren die Mechanismen, die damals Produktion und Beschäftigung immer weiter nach unten trieben? Hat die Politik aus diesen negativen Erfahrungen gelernt? Welche Art von Politik und welche Maßnahmen sind heute notwendig, um eine Depression wie 1930 bis 1933 zu vermeiden? Die nachfolgenden Überlegungen beziehen sich beispielhaft auf Österreich, aber unter der grundlegenden Annahme, dass sich zumindest eine Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten ähnlich verhält.

Zweitrundeneffekte verhindern!

Entscheidend in dieser Frage wird sein, in welchem Ausmaß es nach dem Krach und dem ersten Absacken von Produktion und Beschäftigung zu Zweitrunden- und Drittrundeneffekten (und noch weiteren) nach dem Einbruch kommen wird. Ihren Ursprung hat die Rezession in einem drastischen Rückgang der Exporte und in einer Rücknahme der Investitionspläne der Unternehmungen. Vom Exportrückgang ist besonders die Industrie- bzw. Sachgüterproduktion betroffen, die Beschäftigung und/oder die Arbeitszeit werden eingeschränkt, die Lohnsumme geht zurück. Die Rücknahme der Investitionspläne geht zwar zum Teil zulasten der Importe, führt aber auch zu einem Rückgang von Inlandsnachfrage und Beschäftigung. Beschleunigt wird der Abschwung durch eine rasche Verschlechterung der Erwartungen der Unternehmungen bezüglich künftiger Absatzmöglichkeiten. Parallel dazu sinkt das Vertrauen der KonsumentInnen. Nicht unmittelbar notwendige Käufe dauerhafter Konsumgüter (Autos, Haushaltsgeräte etc.) werden aufgeschoben. Die Steuereinnahmen gehen zurück, das Staatsdefizit nimmt stark zu.

Die Zweitrundeneffekte bestehen darin, dass diese Vorgänge die Nachfrage zusätzlich verringern. Weitere Konsequenzen wie Zahlungsunfähigkeit von Unternehmungen und Haushalten, Verschärfung der ohnehin angespannten Situation von Banken und Finanzinstitutionen, Reduktion der Beschäftigung auch in von der Rezession bisher noch nicht erfassten Bereichen der Wirtschaft usf. folgen. Ohne Eingriffe bzw. Bremsen würde sich aus dieser Dynamik eine Abwärtsspirale ergeben, die - wie Erfahrungen zeigen - von selbst erst auf sehr tiefem Niveau zum Stillstand kommt.

Automatische Stabilisatoren

Die stärkste Bremse einer solchen Abwärtsspirale ist der Sozialstaat, der unmittelbar die Auswirkungen des Beschäftigungsrückganges auf die Einkommen abfedert. Im Vergleich zu den Dreißigerjahren sind die sozialen Sicherungssysteme Arbeitslosenversicherung (inkl. Kurzarbeit), Pensionen und Transferzahlungen an die Familien heute wesentlich stärker ausgebaut und auch in ihrem Bestand politisch nicht umstritten. Wie die jüngste Debatte über das Doppelbudget 2009/10 gezeigt hat, gilt dies auch für die Notwendigkeit, dass die automatischen Stabilisatoren kurzfristig zu einer starken Erhöhung des Budgetdefizits führen, das finanziert werden muss.

Diese automatischen Stabilisatoren allein sind allerdings als Bremse für den weiteren Abschwung zu schwach. Daher muss der Staat zusätzliche Maßnahmen zur Stützung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage setzen. Dies geschieht durch Investitionen der staatlich kontrollierten Infrastrukturunternehmungen (ÖBB, Straßenbau, Bundesimmobiliengesellschaft), welche die Beschäftigung in der Bauwirtschaft stützen. Die private Konsumnachfrage erhält vor allem durch die Steuersenkung 2009 einen starken, rasch wirksamen Impuls. 2009 und 2010 wären BIP und Beschäftigung ohne diese Maßnahmen um je ca. ein Prozent niedriger.

Trotz einer relativ breiten Akzeptanz von automatischen Stabilisatoren und Konjunkturpaketen bleibt für die Gewerkschaften viel »Überzeugungsarbeit« zu leisten gegen immer wieder auftauchende Parolen, dass alle zur Überwindung der Krise beitragen können, indem sie »den Gürtel enger schnallen«. Aus Kreisen der Industriellenvereinigung kommen Forderungen nach einer »Nulllohnrunde«, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmungen sichern soll. In den KV-Runden werden von UnternehmerInnenseite Lohnabschlüsse hinausgezögert. Eine solche, auf Reallohnsenkung hinauslaufende Strategie würde Fehler, die in den Dreißigerjahren gemacht wurden, wiederholen und die Krise verlängern. Damals wurden die Gewerkschaften bekämpft, Löhne gesenkt, Arbeitslosenunterstützungen gekürzt oder gestrichen.

Die wichtigste Stütze von Konjunktur und Beschäftigung ist derzeit der private Konsum, der von Einkommensentwicklung und KonsumentInnenvertrauen abhängig ist. Nach vielen Jahren der Reallohnstagnation erwarten die ArbeitnehmerInnen eine moderate Steigerung ihrer Nettoeinkommen, die auch durch die Steuersenkung ermöglicht werden soll. Sie ist Voraussetzung, um einen Rückgang des privaten Konsums zu verhindern, damit die Zweitrundeneffekte möglichst zu begrenzen und das Niveau der wirtschaftlichen Aktivität zu stabilisieren.

Doppelte Botschaften

Irritierend sind auch die doppelten Botschaften, mit denen Budgetdefizite einerseits gerechtfertigt werden, um sie gleichzeitig auch mit düsteren Andeutungen künftiger Sparpakete zu verbinden. Besonders unrühmlich agiert in diesem Zusammenhang wieder einmal die EU-Kommission, die zugleich die Konjunkturpakete der Mitgliedsstaaten koordiniert und Verfahren wegen »übermäßiger Defizite« ankündigt. Dabei wäre es einfach: In den Jahren der Rezession 2009 und 2010 sind Budgetdefizite ebenso richtig und notwendig, wie ein Abbau der Defizite nach Überwindung der Krise.

Mit einer konsequenten Stabilisierungspolitik sollte der Konjunktureinbruch auf 2009/10 begrenzt werden können. Wir wissen aber nicht, ob es danach rasch gelingen wird, zu BIP-Wachstumsraten von drei Prozent zurückzukehren, oder ob noch weitere Jahre einer Wachstumsschwäche bevorstehen. Auch darauf sollte von der Budgetpolitik genau geachtet werden. Denn eine verfrühte, überambitionierte Konsolidierungspolitik bringt die Gefahr mit sich, einen Aufschwung vorzeitig abzuwürgen und damit das Konsolidierungsziel erst recht zu verfehlen. 

Weblinks
Homepage von Dr. Günther Chaloupek
www.chaloupek.eu

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